Wirtschaft

Draghi steht in der Kritik EZB ignoriert Risiken von Staatsanleihen

Vorschläge abgebügelt: Mario Draghi.

Vorschläge abgebügelt: Mario Draghi.

(Foto: dpa)

Vieles liegt bei den europäischen Banken weiter im Argen. Um die Bilanzen endlich aufzuräumen, steht eine umfassende Buchprüfung an. Staatsanleihen werden dabei als risikolos bewertet. Der Deutschen Bundesbank passt das überhaupt nicht.

Ein wichtiger Befreiungsschlag in der Euro-Krise droht zum Rohrkrepierer zu werden. Mit einer großangelegten Bilanzprüfung will die Europäische Zentralbank (EZB) den Bankensektor ausmisten. Doch noch bevor dieser Kraftakt überhaupt begonnen hat, geraten EZB-Chef Mario Draghi und seine Mitstreiter ins Kreuzfeuer der Kritik. Denn die Risiken von Staatsanleihen werden weiter ausgeblendet. Solange beim Durchleuchten der Bücher mit zweierlei Maß gemessen werde, sei keine glaubwürdige Untersuchung möglich, sagen Kritiker. Unter ihnen befindet sich auch die Bundesbank.

Jens Weidmann ist gegen eine Vorzugsbehandlung von Staatsschulden.

Jens Weidmann ist gegen eine Vorzugsbehandlung von Staatsschulden.

(Foto: dpa)

"Wir müssen die Vorzugsbehandlung von Sta atsschulden beenden", appellierte Bundesbank-Chef Jens Weidmann bei einer Rede an der US-Elite-Universität Harvard. Diese Zeile ist für ihn zu einer Art Mantra geworden. Kein Vortrag von ihm kommt mehr ohne die Forderung aus, den "Teufelskreis" zwischen maroden Banken und hochverschuldeten Staaten endlich zu durchbrechen. Deren Verflechtung über den Anleihemarkt gilt als Brandbeschleuniger bei Turbulenzen an den Finanzmärkten.

Im Detail dreht sich die Diskussion zwar um verzwickte internationale Bilanzierungsstandards, die Laien langweilen dürften. Doch hinter Fachbegriffen wie "hartem Kernkapital" und "risikogewichteten Aktiva" verbirgt sich gesellschaftlicher Zündstoff. Die Frage, wie viel riskante Wertpapiere Banken sich auf die Bücher laden dürfen, ist von immensem öffentlichem Interesse. Denn, so erklärt es Bundesbankchef Weidmann, wenn Finanzriesen sich verspekulieren, muss in der Regel der Steuerzahler die Suppe auslöffeln.

Angst vor der "Abwärtsspirale"

Damit sollte nach schlechten Erfahrungen, beispielsweise in Irland oder Spanien, wo Banken mit vielen Milliarden Euro an Steuergeld gerettet wurden, längst Schluss sein. Auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise einigten sich die Euro-Länder auf eine Bankenunion. Im Rahmen dieses Mammutprojekts sollte geregelt werden, dass strauchelnde Geldhäuser und angeschlagene Staaten sich nicht gegenseitig in den Abgrund ziehen können. Diese "Abwärtsspirale" müsse durchbrochen werden, betonte Draghi ein ums andere Mal.

Dennoch sträubt sich Europas oberster Währungshüter laut einem Medienbericht, ausgerechnet die Papiere kritischer zu bewerten, deren massive Wertverluste während der Krise etliche Banken in Bedrängnis brachten: Staatsanleihen. Obwohl mehrere Euroländer wegen Käuferstreiks am Anleihemarkt mit EU-Hilfsgeldern gestützt werden mussten, und Griechenland seine Schulden nicht bedienen konnte, gelten die Papiere bilanzrechtlich weiter als risikolos und müssen nicht mit teurem Eigenkapital abgesichert werden.

Laut "Spiegel" soll Draghi Vorschläge abgebügelt haben, diesen Sonderstatus abzuschaffen. Eine Studie externer Berater mit entsprechenden Empfehlungen sei nicht veröffentlicht worden, sondern zur Überarbeitung an die Forscher zurückgegangen, schreibt das Magazin. Die EZB reagierte umgehend auf den Bericht und betonte, dass Draghi diese Entscheidung nicht im Alleingang getroffen habe. Dennoch bleibt der Eindruck, dass eine Grundsatzdiskussion um das bestehende System der Staatsfinanzierung zum jetzigen Zeitpunkt verhindert werden soll, wie Kritiker erklären.

Klientelpolitik für einzelne Euro-Länder

Dafür gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe: Laut Zahlen der Bundesbank halten italienische Banken mit 415 Milliarden Euro fast ein Viertel der Staatsschulden ihres Landes. In den vergangenen zwei Jahren haben die dortigen Geldhäuser ihren Anleihebestand um 73 Prozent ausgebaut. Nur Spaniens Banken konnten das mit einem Anstieg um 81 Prozent überbieten. Für den ehemaligen Dresdner-Bank-Chef Herbert Walter steht damit fest, dass Draghi und Kollegen Klientelpolitik für einzelne Euro-Länder machen. "So einfach ist das", schreibt Walter in einer "Handelsblatt"-Kolumne.

Die Daten der Bundesbank zeigen jedoch, in welchem Dilemma die EZB steckt: Bevor sie 2014 ihre Aufgabe als Bankenaufseher übernimmt, muss der Finanzsektor ordentlich aufgeräumt werden - mit Buchprüfungen und Stresstests sollen die Bankbilanzen bereinigt werden. Doch wenn die EZB die Risiken von Staatsanleihen konsequent bewertet, drohen neue Finanzlöcher, die am Ende womöglich wieder durch die öffentliche Hand gestopft werden müssten. Tut die Notenbank es nicht, bleibt eine potenzielle Zeitbombe in Bilanzen bestehen.

Quelle: ntv.de, Hannes Breustedt, dpa

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