Wirtschaft

Wasserversorgung in privater Hand? EU-Pläne erhitzen Gemüter

In Portugal sollen die Preise durch die Wasser-Privatisierung in einzelnen Gemeinden bis zu 400 Prozent gestiegen sein.

In Portugal sollen die Preise durch die Wasser-Privatisierung in einzelnen Gemeinden bis zu 400 Prozent gestiegen sein.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Gesetzesvorschlag der EU zur Regelung der Wasserversorgung sorgt für helle Aufregung. Die neue einheitlich Richtlinie soll eigentlich mehr Wettbewerb und Chancengleichheit EU-weit garantieren. Kritiker befürchten jedoch, dass Vetternwirtschaft und kurzfristigem Profitdenken Tür und Tor geöffnet werden.

Die Angst vor unkontrollierbaren Preissteigerungen grassiert.

Die Angst vor unkontrollierbaren Preissteigerungen grassiert.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Deutschland wird derzeit kontrovers darüber diskutiert, ob EU- Pläne dazu führen, dass Kommunen die Versorgung ihrer Bürger mit Trinkwasser an private Unternehmen abgeben müssen und somit die Kontrolle über Preis und Qualität verlieren. Stimmt nicht, beharrt der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier. Doch Kritiker halten dem entgegen, die Details der Brüsseler Pläne könnten sehr wohl dazu führen, dass die Wasserversorgung in bestimmten Fällen öffentlich ausgeschrieben werden muss.

Auslöser der Debatte ist das Vorhaben von Binnenmarktkommissar Barnier, in der gesamten EU einheitliche Regeln zur Vergabe von Konzessionen für Dienstleistungen wie die Wasserversorgung zu schaffen. Ziel sind der Kommission zufolge Wettbewerb und Chancengleichheit zwischen Unternehmen, aber in Zeiten leerer öffentlicher Kassen auch eine bessere Kontrolle über die Verwendung von Steuergeldern, "die in einer beunruhigenden Reihe von Fällen ohne Transparenz oder Rechenschaftspflicht ausgegeben werden", wodurch sich "die Risiken der Günstlingswirtschaft, des Betrugs und sogar der Korruption erhöhen".

Widerstand wächst

Inzwischen ist das EU-Gesetzgebungsverfahren der vor mehr als einem Jahr vorgestellten Pläne auf der Zielgeraden - und Barnier schlägt immer heftigerer Widerstand aus Deutschland entgegen. Der Vizechef der Unionsbundestagsfraktion, Johannes Singhammer, warnt davor, dass durch die neue EU-Regelung die Kommunen nicht mehr frei entscheiden könnten, wie sie die öffentliche Wasserversorgung organisieren und letzten Endes die Qualität leide: "Es besteht zu Recht die Befürchtung, dass nach einer Privatisierung nur noch die Erzielung von möglichst hohen Renditen im Vordergrund steht."

Die EU-Kommission weist Vorwürfe eines Zwangs zur Privatisierung der Trinkwasserversorgung entschieden zurück und spricht von "einer bewussten Fehlinterpretation" des Vorschlags. "Er enthält keine Verpflichtung zur Vergabe dieser Leistungen am Markt", sagt Barnier. Betroffen sollen demnach nur Kommunen sein, die sich bewusst dafür entscheiden, ihre Wasserversorgung in private Hände zu geben.

Die Kritiker der Pläne sehen darin aber aufgrund von Sonderregeln nur die halbe Wahrheit. Denn etwa bei großen Stadtwerken, die zum Beispiel auch Strom und Gas anbieten und weniger als 80 Prozent ihres Geschäfts vor Ort machen, müsste nach einer im Jahr 2020 endenden Übergangsfrist die Vergabe von Dienstleistungen ausgeschrieben werden.

Zwar könnten sich städtische Unternehmen um den Auftrag bemühen, "bewerben können sich allerdings auch große, europa- und weltweit tätige private Konzerne mit all ihren Möglichkeiten", gibt der EU-Abgeordnete Thomas Händel von der Linken zu Bedenken. Städtetagspräsident Christian Ude mahnt, dass es für eine qualitativ hochwertige Wasserversorgung "riesige Investitionen" brauche, die "ein auf kurzfristigen Gewinn orientiertes Privatunternehmen keineswegs" schätze.

Gleichmacherei aus Brüssel?

Barnier wolle tief in die kommunalen Strukturen einer "sehr gut organisierten und funktionierenden Wasserwirtschaft" eingreifen, warnt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen, Hans-Joachim Reck. "Die Bundesregierung muss jetzt die kommunale Wasserwirtschaft in den weiteren Beratungen der Richtlinie schützen, ansonsten kommt sie unter die Räder der Gleichmacher aus Brüssel."

Auch wenn Barnier sein Vorhaben durchbringt, dürfte die mögliche Privatisierung von Trinkwasser weiter Thema bleiben. Auf der Internetseite www.right2water.eu werden Unterschriften für ein EU-Volksbegehren gesammelt mit dem Ziel: "Die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen darf nicht den Binnenmarktregeln unterworfen werden." Finden sich bis September eine Million Unterzeichner, können sie die EU-Kommission auffordern, sich mit dem Thema zu befassen - mehr als 600.000 Unterstützer gibt es bereits.

Quelle: ntv.de, Jan Dörner, AFP

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