Wirtschaft

Zypern-Rettung kein Warnschuss? Dijsselbloem rudert zurück

Brüssel rettet nicht alles und jeden: Jeroen Dijsselbloem.

Brüssel rettet nicht alles und jeden: Jeroen Dijsselbloem.

(Foto: dpa)

Mit einer scharfen Ansage reißt der Chef der Eurogruppe die Börsen aus ihrem Rhythmus: In einem Interview vergleicht Dijsselbloem den Fall Zypern mit anderen Euro-Ländern mit wackeligen Banken. Europaweit gehen die Aktien der Geldhäuser auf Talfahrt.

Eurogruppen-Chef Jereon Dijsselbloem sieht sich zu einer Klarstellung seiner Bemerkungen über Zypern gezwungen. Nach europaweiten Kursverlusten an den Börsen ließ der niederländische Finanzminister mitteilen, die Bankenrettung in Zypern sei ausdrücklich kein Modell für andere Länder.

"Zypern ist ein besonderer Fall mit außergewöhnlichen Herausforderungen", betonte Dijsselbloem. Er reagierte damit auf Berichte der "Financial Times" (FT) und der Nachrichtenagentur Reuters. Diese hatte ihn mit der Aussage zitiert, das Zypern-Programm tauge zum Vorbild für die Eurozone - eine Aussicht, die Anleger verunsichert und zum Teil kräftige Kursverluste ausgelöst hatte.

In Dijsselbloems Mitteilung hieß es weiter: "Makroökonomische Anpassungsprogramme sind für die betroffenen Länder maßgeschneidert und es werden keine Modelle oder Vorlagen genutzt."

In Zypern werden Großanleger, Eigentümer und Gläubiger der beiden größten Banken der Insel zu ihrer Rettung herangezogen. Die zweitgrößte Bank, Laiki, soll aufgespalten werden und am Ende de facto vom Markt verschwinden. Kunden mit Einlagen von mehr als 100.000 Euro müssen mit erheblichen Verlusten rechnen. Dieses Vorgehen ist in der Eurozone bisher einzigartig.

Zuvor hatte es geheißen, die Rettung Zyperns über die Restrukturierung seiner Großbanken markiere nach Ansicht von Eurogruppen-Chef Dijsselbloem einen Einschnitt im Kampf gegen die Schulden- und Bankenkrise in der Eurozone. Zum einen stehe der Fall Zypern Modell für den Umgang mit drohenden Bankpleiten in der Zukunft. Zum anderen sei klar, dass auch andere Länder mit übergroßem Bankensektor diesen verkleinern müssten.

Zypern hatte es nach heftigem Streit mit den internationalen Geldgebern erst im zweiten Anlauf geschafft, ein Rettungspaket zu vereinbaren. Der marode Banksektor soll stark verkleinert werden. "Was wir vergangene Nacht getan haben, bezeichne ich als Risiken zurückdrängen", sagte Dijsselbloem im "FT"-Interview.

Blaupause für Europas Schwachstellen

Befragt nach möglichen Folgen für Luxemburg oder Malta, deren Bankensektoren ebenfalls extrem groß sind, hatte Dijsselbloem betont: "Das bedeutet: Klärt das, bevor es zu Schwierigkeiten kommt. Stärkt Eure Banken, repariert die Bilanzen und seid Euch im Klaren darüber, wenn Banken in Probleme geraten, kommen wir nicht automatisch, um sie zu lösen."

Problembanken wie ihre Heimatländer müssten, so Dijsselebloem weiter, damit rechnen, in Zukunft "zurückgestoßen" zu werden. "Ihr müsst Euch damit beschäftigen", wandte sich der Eurogruppenchef an die Partnerstaaten in der Eurozone. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte dagegen stets betont, Zypern sei ein Einzelfall.

Der Bankensektor Zyperns ist mit einem Verhältnis von Bilanzsumme zu Bruttoinlandsprodukt von acht zu eins doppelt so groß wie der EU-Durchschnitt. Doch in Luxemburg, Irland und Malta ist die Wirtschaft ebenso vom Finanzsektor dominiert, was die Euro-Finanzminister im Fall Zypern als nicht tragfähiges Geschäftsmodell betrachteten.

Dijsselbloem stellte zudem klar, dass eine direkte Rekapitalisierung der Banken durch den Rettungsmechanismus ESM nicht die Lösung für Länder mit Pleitebanken sein wird. Bei massivem Kapitalbedarf angeschlagener Banken werde künftig stets geprüft, inwieweit Aktionäre, Anleihegläubiger und letztlich auch die Kunden einer Bank - in dieser Reihenfolge - die Löcher stopfen könnten.

Künftig ohne Steuergelder

Direkte Bankenhilfen aus dem Euro-Rettungsfonds waren auf Druck von Spanien und Italien im vergangenen Jahr beschlossen worden, um den Teufelskreis aus hohen Staatsschulden und Bankenrettung mit Steuerzahlergeld zu durchbrechen. Zuvor hatte die EU zum Kampf gegen künftige Bankenkrisen aber die Devise ausgegeben, nach den mehrere Milliarden Euro schweren Rettungsaktionen sollten pleitebedrohte Banken nicht mehr mit öffentlichen Mitteln aufgefangen werden.

Deutschland, die Niederlande und Finnland setzen sich für diese Linie auch bei der Ausgestaltung der ESM-Bankenhilfe ein. Deutschland will die zur Bankenrettung nutzbaren Mittel des ESM, der insgesamt 500 Mrd. Euro Hilfsgelder hat, auf deutlich weniger als 80 Mrd. Euro beschränken. "Wir sollten eine Lage anstreben, in der wir nicht mal an direkte Rekapitalisierung denken müssen", sagte Dijsselbloem. Wenn es mehr Instrumente zum Bail-in, also zur Kostenbeteiligung von Eigentümern und Gläubigern der Banken gebe, um so geringer sei der Bedarf nach Hilfe. Banken sollten in der Lage sein, sich selbst zu retten.

Zyperns Tag der Wahrheit naht

Der Rettungsplan für Zypern hatte ursprünglich nur die Bankkunden über eine Einlagenabgabe belasten sollen. Nach der Ablehnung durch das Parlament in Nikosia und großer Empörung in der gesamten Eurozone war dieser Plan fallengelassen worden. Die zweitgrößte zyprische Bank Laiki soll jetzt geschlossen und abgewickelt werden, wobei Guthaben über der gesetzlich geschützten Schwelle von 100.000 Euro zur Konkursmasse werden dürften.

Ob der Plan gelingt, dürfte sich bereits am Dienstag zeigen: In Zypern bereiten sich die Banken nach der knapp abgewehrten Staatspleite auf die Wiedereröffnung für den allgemeinen Kundenverkehr vor. Die Kreditinstitute des Landes sollen zum Großteil bereits am morgigen Dienstag wieder öffnen.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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