Wirtschaft

"Erpressung" der Anleger DSW kritisiert Prokon scharf

Prokon übt nach Meinung von Anlegerschützern unlauteren Druck aus.

Prokon übt nach Meinung von Anlegerschützern unlauteren Druck aus.

(Foto: dpa)

"Wer sein Kapital wiederhaben will, nimmt bewusst die Insolvenz von Prokon in Kauf": Mit einem Brandbrief will die umstrittene Windkraftfirma Prokon ihre Anleger halten. Die vorwiegend älteren Investoren fürchten um ihre Ersparnisse, die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz geht auf die Barrikaden.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat das Vorgehen des von der Insolvenz bedrohten Windkraftfinanzierers Prokon scharf kritisiert. "Auf die betroffenen Anleger wirken die aktuellen Verlautbarungen schlichtweg wie eine klassische Erpressung", sagt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler der "Bild am Sonntag". Prokon hatte seine Anleger am Wochenende aufgefordert, kein weiteres Kapital abzuziehen, um eine Insolvenz zu vermeiden.

Hilfe für Prokon-Anleger

Die DSW bietet verunsicherten Prokon-Anleger die Möglichkeit, sich unter der Telefonnummer 0211/6697-31 oder per Mail (thomas.hechtfischer@dsw-info.de) registrieren zu lassen. In einem ersten Schritt soll ein Informationsservice für Betroffene aufgebaut werden, zudem erwägen die Anlegerschützer auch juristisch aktiv zu werden.

Tüngler forderte Prokon-Chef Carsten Rodbertus auf, "anstelle mit Drohungen zu arbeiten, jetzt vertrauensbildend aufzutreten und endlich für Transparenz bei den Zahlen und dem Geschäftsmodell zu sorgen". Bis heute lägen keine von einem Wirtschaftsprüfer testierten Zahlenwerke für den Konzern vor.

Der DSW-Geschäftsführer warnte mit Blick auf die aufgelaufenen Verluste, Prokon-Anleger könnten deutlich weniger Geld zurückbekommen, als sie eingezahlt haben. "Denn dann wäre nicht nur die Zinszahlung in Gefahr, sondern auch das Genussrechtskapital", betonte er auf der Internetseite der Vereinigung. Die DSW kündigte an, es werde ein Informationsservice für Betroffene aufgebaut. "Zudem werden wir den Fall weiter intensiv beobachten und - im Fall des Falles - auch juristisch aktiv werden", sagte Tüngler.

Verantwortung auf Anleger abgewälzt

Zuvor hatte der Ökostromfinanzierer seine Anleger vor einer drohenden Insolvenz gewarnt, sofern weitere Kunden ihr Kapital abziehen sollten. "Sollte es uns gemeinsam mit Ihnen, unseren Anlegern, nicht gelingen, die Liquiditätslage sehr schnell wieder zu stabilisieren, werden wir voraussichtlich Ende Januar gesetzlich gezwungen sein, eine Planinsolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einzuleiten", hieß es in einem auf Freitag datierten Rundschreiben von Prokon, das am Wochenende auf der Internetseite des Unternehmens abrufbar war. Vorangegangen waren Medienberichte über Zahlungsschwierigkeiten von Prokon.

"Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen, denn es ist nicht unsere wirtschaftliche Lage, die uns unter Druck setzt, sondern der Kapitalentzug durch die Kündigungen unserer Anleger", heißt es in dem Schreiben weiter. Darin werden die Prokon-Kunden aufgerufen, auf die Kündigung ihrer Genussrechte zu verzichten und diese vielmehr nach Möglichkeit zu erhöhen. Wer dagegen seine Genussrechte zeitnah kündigt, unterschreibt mit dem Formular den Satz: "Eine Insolvenz von Prokon nehme ich bewusst in Kauf." Prokon setzt dafür eine Frist bis zum 20. Januar.

Nicht vorschnell unterschreiben

Laut Medienberichten wären bei einer Insolvenz die Einlagen von zehntausenden Anlegern im Gesamtwert von mehr als einer Milliarde Euro gefährdet. Ein Insolvenzrechtsexperte warnte Anleger davor, auf Ansprüche zu verzichten. "Anlegern, die nicht rechtzeitig ihre Rechte sichern, steht in einem Insolvenzverfahren aufgrund des Nachrangs der Genussrechte nicht einmal eine Insolvenzforderung zur Verfügung", sagte der Berliner Rechtsanwalt Christoph Kaltmeyer "Wallstreet Online".

Bei Verbraucherschützern steht das Geschäftsmodell seit langem in der Kritik. Normalerweise sind bei einer Pleite von einer Firma der Größe von Prokon institutionelle Investoren - Banken oder Fonds - betroffen. Nicht so bei Prokon. Der Windparkbetreiber hat sich fast ausschließlich mit dem Geld normaler Sparer, also Kleinanlegern, finanziert. Nach eigenen Angaben nahm Prokon knapp 1,4 Milliarden Euro ein - unter anderem bei abendlichen Verkaufsveranstaltungen, in denen die Firmenmanager vor Hunderten, meist älteren Zuhörern sogenannte Prokon-Genussrechte anpriesen. Auch bei n-tv.de meldeten sich am Wochenende verunsicherte Sparer und berichteten, dass sie dem Unternehmen ihre gesamten Ersparnisse zur Verfügung gestellt hätten.

Sicheres Geschäft?

Prokon lockte die Sparer mit der Aussicht auf außergewöhnlich hohe Renditen: Sechs Prozent Verzinsung wurde versprochen. Ein Rendite, die in Niedrigzinszeiten nur mit riskanten Geschäften zu erwirtschaften ist. Das Management versprach dagegen ein sicheres Investment. Genussrechte sind ein typisches Instrument des "grauen" - also kaum regulierten - Kapitalmarkts und bei Verbraucherschützern hoch umstritten. Anders als Aktien geben sie den Investoren keinerlei Mitspracherecht. Trotzdem stehen die Genussrechte im Pleitefall für entstandene Verluste ein.

Rodbertus gründete Prokon 1995. Das Unternehmen mit mehr als 1300 Mitarbeitern betreibt nach eigenen Angaben gut 50 Windparks mit 314 installierten Windkraftanlagen in Deutschland und Polen. Weitere seien im Bau. Zum Konzern gehört auch ein Biodiesel-Hersteller in Magdeburg. Zudem finanziert Prokon ein Sägewerk in Torgau, das Holzpaletten produziert.

Aus einer "Zwischenbilanz" per Ende Oktober geht hervor, dass bei Prokon insgesamt 210 Millionen Euro Verluste aufgelaufen sind, während an die Anleger 330 Millionen Euro Zinsen gezahlt wurden - im Schnitt acht Prozent pro Jahr. Zwischen Januar und Oktober 2013 wurden danach 67 Millionen Euro Zinsen gezahlt, doppelt so viel wie das operative Ergebnis (Ebitda).

Den Kontakt zu Medien verweigert Prokon seit Mai 2013 nach wiederholten negativen Berichten, wie es im Internet-Auftritt heißt. Die Berichterstattung wird von dem Unternehmen für einen Teil der Probleme verantwortlich gemacht.

Quelle: ntv.de, sla/dpa/AFP

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