Politik

Beschlüsse fallen mit breiter Mehrheit Bundestag stimmt ESM und Fiskalpakt zu

Was Kauder, Merkel und Westerwelle auf dem Smartphone lesen, bleibt unbekannt.

Was Kauder, Merkel und Westerwelle auf dem Smartphone lesen, bleibt unbekannt.

(Foto: dpa)

Der Bundestag stimmt dem Fiskalpakt und dem künftigen Euro-Rettungsschirm ESM mit einer Zweidrittelmehrheit zu. Zur Stunde wird in einer Nachtsitzung im Bundesrat über das Vertragswerk beraten und später auch noch abgestimmt. Anschließend werden zahlreiche Kläger ihre Bedenken gegen die Gesetze dem Verfassungsgericht vortragen.

Die Kanzlerin bei der Abstimmung im Bundestag.

Die Kanzlerin bei der Abstimmung im Bundestag.

(Foto: dpa)

Der Bundestag hat den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt jeweils mit einer Zweidrittel-Mehrheit verabschiedet. Bei 604 abgegebenen Stimmen votierten 493 Bundestagabgeordnete für den ESM, 106 stimmten dagegen, 5 enthielten sich. Mit einigen Ausnahmen stimmten sowohl die Koalitionsfraktionen von Union und FDP als auch SPD und Grünen für den Pakt. Die Linke stimmte dagegen. Zuvor hatte der Bundestag bereits mit 491 Ja-Stimmen bei 111 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen dem europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin zugestimmt.

Nach dem Bundestag trat am späten Abend der Bundesrat zur einer Nachtsitzung zusammen, um über ESM und Fiskalpakt abzustimmen. Auch hier wird erwartet, dass die Länderkammer wie der Bundestag den beiden Gesetzen mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmt.

Das letzte Wort hat jedoch wegen zahlreicher Klagen das Verfassungsgericht in Karlsruhe. Dort wollten Kläger schon unmittelbar nach der Abstimmung im Bundesrat ihre Bedenken einreichen. Der ESM kann daher auch nicht wie geplant zum 1. Juli den bisherigen Rettungsschirm EFSF ablösen. Es wird mit einer Überprüfung durch das Gericht von mehreren Wochen gerechnet.

Der ESM soll mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro ausgestattet werden. Die Hilfe richtet sich an Euro-Länder, die sich wegen ihrer Schieflagen nicht mehr am freien Markt mit frischem Geld versorgen können. Beim ESM haftet Deutschland mit fast 200 Milliarden Euro für Schuldenstaaten.

Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ratifizierung von Fiskalpakt und ESM als deutliches Signal für einen stabilen Euro gewertet. "Das ist ein wichtiger Schritt, um der Welt deutlich zu machen, wir stehen zum Euro, wir wollen ihn als unsere stabile Währung", sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Es handele sich um ein parteiübergreifendes Signal, "die europäische Staatsschuldenkrise zu überwinden". Der SPD-Chef Sigmar Gabriel begrüßte das Einlenken Merkels in Brüssel als längst überfällig. "Wir jedenfalls werfen Ihnen das nicht vor, im Gegenteil, wir finden es richtig", sagte er. Die Beschlüsse zu möglichen Milliardenhilfen für kriselnde Länder minderten den Zinsdruck auf diese Staaten.

"Euro-Bonds gibt es längst"

Gabriel antwortet der Kanzlerin deutlich.

Gabriel antwortet der Kanzlerin deutlich.

(Foto: dpa)

Gabriel forderte ein Ende der "Schein-Debatte" um Euro-Bonds, denn in Wahrheit gebe es sie bereits: Mehr als eine Billion Euro habe die Europäische Zentralbank parallel zu allen Rettungsschirmen still und heimlich an direkter und indirekter Staatsfinanzierung geleistet. "Und wer haftet dafür: natürlich wir alle, auch hier in Deutschland mit fast 400 Milliarden Euro." Es gebe längst eine Vergemeinschaftung der Schulden, das seien heimliche "Merkel-Bonds", so der SPD-Chef.

Auch nach Einschätzung des SPD-Budgetexperten Carsten Schneider erlitt Merkel bei dem Gipfel in Brüssel "eine krachende Niederlage". Sie habe eine "180-Grad-Wende" in der Frage der direkten Bankenkapitalisierung vollzogen. Hingegen sah der Unions-Budgetexperte Norbert Barthle "keine Veranlassung für irgendwelche Veränderungen" an den zur Abstimmung stehenden Texten. Die Brüsseler Vereinbarungen beträfen Dinge "in weiter Ferne", sagte er. FDP-Generalsekretär Patrick Döring ging davon aus, dass nichts vereinbart worden sei, was nicht dem ESM-Vertrag entspreche. Die Grünen-Politikern Priska Hinz wertete die Beschlüsse des Gipfels als eine positive Bewegung.

Barthle nahm Merkel gegen die Vorwürfe der SPD in Schutz. "Wenn es eine 180-Grad-Wende gegeben hat, dann bei der SPD." Diese fordere plötzlich keine Euro-Bonds mehr. Fakt sei, dass Hilfen für Banken über den Rettungsschirm EFSF möglich seien. Ein Land müsse den Antrag stellen - der Betrag dürfe nicht direkt an Banken fließen.

EFSF und ESM immer an Auflagen gebunden

Die Linke steht an der Spitze der Demonstration gegen den Fiskalpakt vor dem Reichstag.

Die Linke steht an der Spitze der Demonstration gegen den Fiskalpakt vor dem Reichstag.

(Foto: dpa)

Das Bundesfinanzministerium wies darauf hin, dass eine Inanspruchnahme der Euro-Rettungsschirme EFSF und ESM immer mit Auflagen verbunden ist. Diese Auflagen könnten allerdings unterschiedlicher Art sein, sagte Ministeriumssprecher Martin Kotthaus in Berlin. Zu der Frage, ob angesichts der Verhandlungen in Brüssel gesetzliche Änderungen am ESM nötig würden, wollte Kotthaus keine Stellung nehmen.

Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten sich in der Nacht zu Freitag auf lang diskutierte Maßnahmen geeinigt, die den Druck der Finanzmärkte von Spanien und Italien nehmen sollen. Dazu gehört die Möglichkeit einer direkten Kapitalversorgung von Banken durch die Euro-Rettungsfonds. Solche direkten Bankenhilfen sind aber durch die bisherigen Gesetzespläne laut deutschen Regierungskreisen nicht gedeckt. Vor allem Merkel hatte sich immer gegen eine Kapitalisierung von Banken über den ESM ausgesprochen.

Unterschiedliche Lesart der Ergebnisse

Italiens Ministerpräsident Mario Monti hatte zuvor in Brüssel gesagt, er habe für die Vereinbarung gekämpft, wonach Ländern mit guter Haushaltsführung von den europäischen Krisenfonds EFSF und ESM geholfen werden kann. Die Staaten müssten keine neuen Auflagen erfüllen, sondern nur bereits gegebene Zusagen erfüllen. "Das ist kein Programm, wie es Griechenland, Irland oder Portugal haben.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy interpretierte die Gipfel-Ergebnisse als großen Gewinn für sein Land. "Es gibt Verbesserungen an allen Fronten", sagte Rajoy vor Reportern. Für das Hilfspaket für die Banken des Landes seien keine zusätzlichen Bedingungen verabschiedet worden. Rajoy unterstrich noch einmal, dass sein Land der Sanierung der Staatsfinanzen verpflichtet bleibe. Im kommenden Jahr soll die Neuverschuldung wieder die Maastricht-Grenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Im vergangenen Jahr betrug die Budgetlücke 8,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Merkel betonte dagegen, Italien oder Spanien würden nicht um eine Kontrolle durch die Geldgeber herumkommen. Auch bei Interventionen an den Anleihemärkten werde die "Troika" die Einhaltung der Auflagen überwachen. Die Kanzlerin ergänzte, auch bei den in Zukunft möglichen direkten Finanzhilfen des Euro-Rettungsschirms an Banken müsse das betroffene Land einen Antrag stellen und bestimmte Auflagen erfüllen.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/rts/AFP

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