Wirtschaft

Pele und Petrobras, Dante und Demonstrationen Brasilien ins Depot?

Brasiliens Nationalspieler Dante (r.) im Zweikampf: Momentaufnahmen verraten wenig über die Perspektiven - auch in der Wirtschaft seines Heimatlandes steckt noch Potenzial.

Brasiliens Nationalspieler Dante (r.) im Zweikampf: Momentaufnahmen verraten wenig über die Perspektiven - auch in der Wirtschaft seines Heimatlandes steckt noch Potenzial.

(Foto: picture alliance / dpa)

Verluste am Aktienmarkt, wütende Demonstrationen, keine Pläne für die Zeit nach WM und Olympiade: In Brasilien kocht die Stimmung. Doch obwohl die Schwellenländerkrise auch hier große Sorgen bereitet, hat das BRIC-Land Potenzial.

In Brasilien steigt das Fußballfieber: Wie die Fifa mitteilte, gab es nur eine Stunde nach dem Start des Kartenvorverkaufs für die Weltmeisterschaft bereits rund 15.000 Anfragen, die insgesamt 81.821 Karten umfassten. Nach sieben Stunden war schon die Marke von einer Million Anfragen durchbrochen. Dies ist auch die Anzahl Tickets, die von der Fifa in der ersten Phase vergeben werden: Rund 1 Million.

Die meisten Anfragen kamen aus Brasilien, Argentinien, den USA, Australien, Deutschland und England. Dennoch kann der Fußball in Brasilien nicht alles übertünchen. Da hilft auch der Sieg beim Confed-Cup über Weltmeister Spanien nicht. So stießen etwa die Worte des Nationalheiligen Pelé übel auf als er sich gegen die Demonstranten stellte. In Sao Paulo und Rio de Janeiro gingen die Menschen trotz Vollbeschäftigung und satten Wirtschaftswachstums auf die Straße, weil die Fahrpreise erhöht wurden. Sie prangerten die Korruption der Regierung an, die verfehlte Bildungspolitik, das Gesundheitswesen und die steigenden Lebenshaltungskosten. Und für den 7. September, den Nationalfeiertag des Landes, sind erneute Demonstrationen angekündigt. Wenn im fußballverrückten Brasilien Demonstranten die kommende Fußball-WM verteufeln, dann muss einiges im Argen liegen.

Ein BIP-Wachstum von im Schnitt über vier Prozent in den letzten Jahren – das Krisenjahr 2009 ausgenommen – täuscht über so manche Probleme des Landes hinweg. So ist das Verkehrssystem marode, gleichzeitig gleichen sich die Mieten und Restaurantpreise in den Großstädten langsam jenen in den Boom-Städten der USA oder Europas an. Das sorgt für eine gereizte Stimmung in Brasilien, obwohl die Mittelschicht wächst und die Einkommen steigen. Denn gleichzeitig wächst die Inflation wieder, da werden Erinnerungen an die Hyperinflation der 90er-Jahre wach. Vor allem Nahrungsmittelpreise steigen im Vergleich zum Jahr 2012 zweistellig.

Ein weiteres Problem: Die Investitionsquote des Staates ist in Brasilien zwar hoch, viele Programme werden angestoßen, auch Petro-Dollars helfen hier. Die Bürokratie des Landes hemmt aber die Investitionen privater Firmen, sie liegen mit 18 Prozent des BIP meilenweit hinter Indien mit 35 und China mit 47 Prozent.

Brasilien hat viel Potenzial

Die Probleme muss man angehen – dringend. Aber dann können die Brasilianer bei einer klugen Ausnutzung ihrer Ressourcen in den kommenden Jahren zum richtigen Star der ehemals so tollen BRIC-Staaten werden. Denn Bodenschätze, eine junge Bevölkerung und eben die Großereignisse der nächsten Jahre dürften das Land in den Mittelpunkt rücken.

Denn Russland leidet unter politischer Unsicherheit, China auf mittlere Sicht an Überalterung und Indien an seinem Kastensystem und der sehr schlechten Einkommensverteilung. Dagegen scheinen die Probleme am Zuckerhut lösbar.

Robustes Wachstum trotz Schwellenländerkrise

Erst vergangene Woche wurde ein BIP-Wachstum von 3,3 Prozent für das zweite Quartal gemeldet, das bisher stärkste Quartalswachstum unter Präsidentin Dilma Rousseff. Das Wachstum beruhte auf starke Zuwächse in der Landwirtschaft, die Industrie schwächelt dagegen. Positiv fielen auch die Investitionen auf, die um rund neun Prozent zulegen konnten. Die größten Sorgen bereitet aber die aktuelle Krise der Schwellenländer, die mit hohen Kapitalabflüssen und Währungsverlusten verbunden sind.

Steigende Zinsen in den Industrienationen locken Anleger an und so bleibt den Brasilianern nichts anderes übrig als die Zinsen ebenfalls anzuheben. Vergangene Woche wurden sie auf 9,0 Prozent hochgeschraubt, die vierte Zinserhöhung seit April. Gleichzeitig soll die hohe Inflation eingedämmt werden, die aktuell etwas über sechs Prozent beträgt. Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass weitere Zinsanhebungen folgen werden. Dadurch könnte aber das aktuell so robuste Wirtschaftswachstum leiden.

Laut IWF hat sich das Wachstum in den Emerging Markets in den vergangenen Jahren besorgniserregend verlangsamt, am stärksten in Ländern wie Brasilien, China und Indien, die ehemaligen BRIC-Highflyer. Die Turbulenzen an den Aktien- und Währungsmärkten in den Schwellenländern macht die Emerging Markets zu einen der Hauptthemen auf dem Gipfel der 20 Industrie- und Schwellenländer in St. Petersburg.

Brasilien – rechtzeitig beachten

Dementsprechend war Brasilien im ersten Halbjahr 2013 wirklich nicht der Aktienmarkt, den man im Depot haben wollte. Während die US-Indizes und der Dax lange Zeit sehr gut liefen, vom Nikkei ganz zu schweigen, ist BRIC nicht gerade hip – und Brasilien ist es auch nicht.

Für mutige Investoren gibt es jetzt dennoch eine antizyklische Chance, in die Krise bei schlechten Nachrichten, aber auch bei vergleichsweise niedrigen Kursen einzusteigen.

Seit Juli dreht der brasilianische Index Bovespa an der 45.000 Punktemarke nach oben. Hier verläuft eine Unterstützung aus dem Jahr 2006, die in den Krisenjahren 2008 und 2009 ebenfalls gehalten hat, als nach Lehman alles verkauft wurde, was noch liquide war.

Auch die größten Aktien des Landes stabilisieren sich derzeit, so wie etwa der Ölmulti Petrobras. Der Aufschwung könnte sich deshalb auch 2014 fortsetzen, weil das Land schon ganz automatisch in den Fokus der Öffentlichkeit rücken wird – zuerst durch die WM, danach erst recht durch die Olympischen Spiele.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen