Wirtschaft

"Es ist ein Wahnsinn" Banken greifen nach "German Mittelstand"

Die Großbanken schauen zum Großteil beim "German Mittelstand" noch in die Röhre.

Die Großbanken schauen zum Großteil beim "German Mittelstand" noch in die Röhre.

(Foto: picture alliance / dpa)

"Es gibt Banken, die Blankokredite über fünf Jahre an Mittelständler vergeben", sagt ein Kenner der Szene. Das zeigt, wie groß die Konkurrenzsituation unter den Finanzhäusern ist - vor allem, seitdem auch Branchengrößen den "German Mittelstand" entdecken.

An Steffen Walter beißen sich Banker die Zähne aus. Zahlreiche Institute aus dem In- und Ausland haben bereits beim Chef des Mittelständlers Hema angeklopft. Doch der 48-Jährige sieht keinen Grund, warum die Firma, die Schutzsysteme für Maschinenbauer herstellt, mit weiteren Banken zusammenarbeiten sollte. "In der Beziehung bin ich hart wie Stahl", sagt Walter. "Das kostet mich alles nur Zeit." Die meisten Anrufe von Geldhäusern bügelt deshalb bereits seine Sekretärin ab. Wenn doch mal ein Banker bei dem Familienunternehmer aus dem hessischen Seligenstadt durchkommt und um einen Termin bittet, gibt es den Korb vom Chef persönlich. "Danke, kein Bedarf."

ElringKlinger
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Auch andere Mittelständler können sich vor Avancen der Geldhäuser kaum retten. "Wir erleben, dass immer mehr Banken mit allen möglichen Produkten proaktiv auf uns zukommen", erzählt Stefan Wolf, Chef des schwäbischen Autozulieferers Elringklinger. Um mit dem Mittelstand ins Geschäft zu kommen, locken die Institute oft mit extrem günstigen Konditionen.

Für Wolf, dessen Firma zu den größeren Mittelständlern zählt, ist das eine angenehme Situation. "Geld ist derzeit sensationell billig." Für Kredite von bis zu einem Jahr zahlt das Unternehmen aus Dettingen an der Erms aktuell weniger als ein Prozent Zinsen, bei Darlehen von bis zu drei Jahren sind es ein bis zwei Prozent. "Die Kreditkosten haben sich in den letzten anderthalb Jahren um ein bis zwei Prozentpunkte verbessert", sagt Wolf.

Buhlen mit Kampfkonditionen

Der Rückgang hängt auch mit den Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank zusammen, zu einem großen Teil sind die Geldhäuser dafür aber selbst verantwortlich. Denn der Kampf um kleine und mittelgroße deutsche Firmen ist so hart wie nie zuvor. Mehrere Banken haben in diesem Jahr Mittelstands-Offensiven ausgerufen und buhlen mit Kampfkonditionen um bayerische Handwerksmeister und schwäbische Schraubenhersteller. Zudem drängen wieder verstärkt ausländische Institute auf den deutschen Markt.

Der Mittelstand, das Rückgrat von Europas größter Volkswirtschaft, hat die Finanzkrise und auch die europäische Staatsschuldenkrise bisher ohne größere Schrammen überstanden. Pleiten oder Kreditausfälle sind die Ausnahme. Bei den Banken, die in turbulenten Zeiten händeringend nach stabilen Erträge suchen, sind die Firmen deshalb heiß begehrt. Da sich immer mehr Institute auf den Mittelstand stürzen, ist es jedoch ausgeschlossen, dass alle Banken ihre Ziele erreichen werden. Zudem sinken tendenziell die Gewinne, die die Geldhäuser im Mittelstandsgeschäft erwirtschaften können.

Alle Jahre wieder

"Es ist eine Art Schweine-Zyklus, den ich schon zwei oder drei Mal gesehen habe", sagt Jörg Rocholl von der European School of Management and Technology (ESMT). "Jetzt, wenn es wirtschaftlich gut läuft, stürzen sich alle Banken in das Kreditgeschäft. Wenn in einiger Zeit der nächste Abschwung kommt, ist der Aufschrei groß." Nach seiner Einschätzung werden einige Banken dann feststellen, dass sie zu viele Kredite vergeben und zu wenig Geld für Ausfälle zurückgelegt haben. Der ESMT-Präsident beschäftigt sich seit langem mit Banken und Unternehmensfinanzierung und sitzt auch im wissenschaftlichen Beirat des Finanzministeriums.

Die aktuelle Entwicklung sieht Rocholl mit gemischten Gefühlen. Für die deutschen Unternehmen, die sich traditionell überwiegend mit Krediten und nur selten über den Kapitalmarkt finanzieren, sei das große Interesse der Banken positiv. "Kreditfinanzierung ist essenziell wichtig für die deutsche Wirtschaft und besonders für den Mittelstand."

Sorgen macht sich Rocholl dagegen um die Banken und zwar konkret um diejenigen, die ihr Wohl und Wehe vom Erfolg im Mittelstandsgeschäft abhängig machen. Die Bankenaufsicht beobachtet das Treiben ebenfalls mit Sorge: "Es stürzen sich so viele Banken auf das Geschäft, dass man fragen muss, ob es dafür überhaupt genügend Mittelständler gibt", sagt Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger.

Wer mit Mittelständlern spricht, muss diese Frage eindeutig mit Nein beantworten. Der Bestand an Unternehmenskrediten in Deutschland lag im September 0,7 Prozent tiefer als zwölf Monate zuvor. Viele Firmen haben weder Bedarf noch Lust, mit weiteren Instituten ins Geschäft zu kommen. Für sein Unternehmen ergäbe sich dadurch kein Mehrwert, sagt Hema-Chef Walter. Die Firma, die derzeit auf einen Umsatz von 34 Millionen Euro kommt, wächst zwar pro Jahr um fünf bis zehn Prozent. Große neue Investitionen seien derzeit aber nicht nötig, erklärt Walter. "Das ist überschaubar."   

Vertrauen in Froschhausen

Walter empfängt Besucher mit Jeans und weißem Hemd an dem Ort, wo die Firma 1977 von seinem Vater gegründet wurde: einer ehemaligen Lederwarenfabrik in Seligenstadt, Stadtteil Froschhausen. Hema arbeitet derzeit schwerpunktmäßig mit zwei Geldhäusern zusammen. Die Volksbank Maingau ist seit der Firmengründung Hemas Hausbank und verwaltet auch die privaten Konten der Familie. Die italienische Großbank UniCredit  ist im Zuge der Expansion Hemas vor einigen Jahren zum Unternehmen gestoßen und kümmert sich vor allem um die Werke in Italien und Rumänien. Es ist eine Aufgabenteilung, die es bei vielen Mittelständlern gibt: eine regionale Bank für den Heimatmarkt, eine Großbank für komplexe und internationale Geschäfte.

Bei Hema läuft die Zusammenarbeit mit den Instituten reibungslos. Den Betreuer der Volksbank kennt Walter seit langem, die Entscheidungswege sind kurz. "Der Kundenberater kennt das Unternehmen in- und auswendig", sagt Walter. Als Hema kürzlich einen Kredit für eine Photovoltaik-Anlage benötigt, die im nächsten Frühjahr auf dem Dach der Werkshalle am Ortsausgang von Seligenstadt montiert werden soll, geht alles ganz schnell: Der Berater kommt vorbei, Walter erläutert ihm die Pläne kurz, wenig später steht die Finanzierung.

Bei anderen Banken hat Walter erst gar nicht angefragt, das ist für ihn eine Frage des Vertrauens. "Als Mittelständler erwartet man, dass der Lieferant, mit dem man lange zusammenarbeitet, einen nicht verarscht. Der kommt mit einem leistungsfähigen, ehrlichen Angebot, wo ich nur geringen Nachverhandlungsbedarf habe." Falls das Angebot nicht fair ist und Walter von befreundeten Unternehmern hört, dass sie Gebäude oder Maschinen billiger finanzieren, hat der Berater ein Problem. Bei der Volksbank und UniCredit sei das bisher aber nicht vorgekommen. Walter will ihnen deshalb auch künftig die Treue halten. "Meine Philosophie ist es, loyal zur Bank zu sein. Dann kann ich in einer Krise auch Loyalität erwarten."

Kontonummer 7

Viele andere Mittelständler verfahren ähnlich. "Es ist entscheidend, dass wir bei einer Bank nicht jedes halbe Jahr einen neuen Ansprechpartner bekommen - das ist für uns wichtiger als das letzte halbe Prozent bei der Fremdfinanzierung", sagt beispielsweise Bernd Supe-Dienes, der mit seinem Bruder die Dienes-Werke in Overath bei Köln führt. "Wir arbeiten mit den meisten Banken schon seit 40 oder 50 Jahren zusammen. Bei der Kreissparkasse in Overath hatten wir die Kontonummer 7", erzählt er.

Auch eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young untermauert, wie schwierig es für neue Wettbewerber ist, im traditionsbewussten Mittelstand Fuß zu fassen. Demnach legt der Mittelstand bei der Finanzierung heute noch mehr Wert auf Sicherheit als früher. Der Kostenaspekt ist im Vergleich zur letzten Umfrage 2005 in den Hintergrund getreten. Ansonsten hat sich am Verhalten der Mittelständler trotz Finanzkrise kaum etwas geändert: "Eigenkapitalfinanzierung und Bankkredit bilden nach wie vor die Kernelemente der Finanzierung", unterstreicht Ernst & Young. Die Hausbank bleibe der wichtigste Ansprechpartner.

Martin Fischedick kennt solche Statistiken. Und er weiß aus eigener Erfahrung, wie Mittelständler ticken. Vor 26 Jahren hat er als Firmenkundenbetreuer bei der Commerzbank in Erlangen ohne Kundenbestand angefangen und ist jeden Tag zu zwei neuen Unternehmen gefahren. Heute ist Fischedick Bereichsvorstand bei Deutschlands zweitgrößter Bank. "Wir wissen, dass Mittelständler Beständigkeit wollen", sagt er. "Sie hassen es, wenn der Kundenberater wechselt. Und sie hassen es, wenn Produkte aus dem Angebot verschwinden oder Auslandsfilialen dichtmachen - denn das bedeutet Arbeit für sie."

Gnadenloser Verdrängungswettbewerb

Die Commerzbank hat rund 130 Milliarden Euro an Darlehen und Kreditlinien an den Sektor vergeben und zählt damit zu den führenden Mittelstandsbanken in Deutschland. Das Geldhaus spürt jedoch auch, dass immer mehr ausländische Institute auf den Markt drängen. Und es weiß, dass der Kuchen nicht groß genug für alle ist. In den nächsten Jahren würden größere Mittelständler jährlich rund 23 Milliarden Euro für Bankgeschäfte ausgeben, rechnet Fischedick vor. Wenn man zusammenzähle, was sich alle Banken vorgenommen haben, komme man aber auf 29 Milliarden Euro. "Nicht alle Institute werden deshalb ihre Ziele erreichen, denn das Mittelstandsgeschäft wird im nächsten Jahr sicher nicht um sechs Milliarden Euro wachsen."

Da das Angebot die Nachfrage übersteigt, hat ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb eingesetzt. Internationale Großbanken werben um große Mittelständler, während traditionelle Mittelstandsbanken ins Terrain von Sparkassen und Volksbanken vorstoßen, die auch kleinere Firmen betreuen. "Auch wir merken, dass der Wettbewerb bei bestimmten Kreditgrößen zugenommen hat und dass die Margen unter Druck sind - vor allem bei Krediten ab einem Volumen von fünf Millionen Euro", sagt Uwe Fröhlich, Präsident des Verbands der Volks- und Raiffeisenbanken. Große Institute konzentrieren sich laut Fröhlich jedoch vor allem auf einzelne Segmente und Ballungsräume - und können Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken mit ihrem flächendeckenden Filialnetz deshalb wenig anhaben.

Ein Marktüberblick ist schwierig, da es viele verschiedene Definitionen von Mittelstand gibt und die Institute mit unterschiedlichen Statistiken arbeiten. Daten der Deutschen Bundesbank zeigen jedoch, dass die regionalen Institute ihren Marktanteil im Kreditgeschäft mit Unternehmen und Selbstständigen seit 2011 kontinuierlich ausgebaut haben. Die Sparkassen kommen im zweiten Quartal 2013 auf einen Marktanteil von 25,6 Prozent, die Genossenschaften auf 19 Prozent. Auf Platz drei liegen mit 16,5 Prozent die Landesbanken, erst an vierter Stelle folgen die privaten Großbanken mit 13,5 Prozent.

Raus aus den Türmen

Deutsche Bank
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Doch dabei soll es nach dem Willen der Großen nicht bleiben: Die Deutsche Bank kündigte im März an, Firmenkunden künftig von 250 statt wie bisher von 70 Standorten aus zu betreuen. "Raus aus dem Türmen, rein in die Fläche", lautet das Motto. Der Investmentbanker Anshu Jain, inzwischen Co-Chef der Bank, schwärmt in seinen Reden mittlerweile regelmäßig vom "German Mittelstand" und schaut bei Firmen wie dem Wuppertaler Staubsauger-Hersteller Vorwerk auch mal persönlich vorbei.

BNP Paribas
BNP Paribas 66,00

Ende Juli erklärte die französische Großbank BNP Paribas, 500 neue Mitarbeiter für das Geschäft mit deutschen Sparern und Mittelständlern einzustellen. Im August folgte HSBC Trinkaus, die Tochter der britischen Großbank HSBC. Das Institut, das sich bisher vor allem um Großunternehmen gekümmert hat, will künftig auch um kleinere Firmen ab einem Umsatz von 35 Millionen Euro buhlen. Die Zahl der Firmenkunden soll sich in den nächsten vier Jahren verdoppeln. "Es ist mir nicht entgangen, dass der Überfluss an Banken in diesem Segment wahrscheinlich so groß ist wie in keinem anderen Geschäftsbereich weltweit", sagt der zuständige HSBC-Trinkaus-Manager Stephen Price. HSBC mit seinem internationalen Netzwerk sehe jedoch gute Chancen, besonders bei exportorientierten deutschen Firmen zum Zug zu kommen.

Commerzbank
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Die Landesbanken, von denen einige vor der Finanzkrise lieber im Ausland zockten, als sich intensiv um die Firmen vor der eigenen Haustür zu kümmern, bezeichnen den Mittelstand heute allesamt als ihr Kerngeschäft. Sie wollen dort ebenfalls zulegen. "Dadurch, dass viele Geschäftsfelder wie Investmentbanking durch die Krise an Bedeutung verloren haben, gibt es eine klare Hinwendung deutscher und ausländischer Banken zum Firmenkundengeschäft", sagt LBBW-Vorstand Karl Manfred Lochner. Die Commerzbank strebt im Mittelstandsgeschäft laut Fischedick ein jährliches Wachstum von gut fünf Prozent an.

"Schön-Wetter-Banking"

"Der Run auf das Mittelstandsgeschäft hat auch regulatorische Gründe", erklärt Martin Faust von der Frankfurt School of Finance & Management. Banken müssen wegen strengerer Regeln der Aufseher ihre Kapitalpolster stärken. Und gerade schwächere Institute brauchen dazu schnelle Gewinne. Im Firmenkundengeschäft seien die in guten Zeiten weiter möglich, sagt Faust. "Es ist 'Schön-Wetter-Banking': So lange die Konjunktur brummt und keine Risikovorsorge nötig ist, können die Banken gutes Geld verdienen." Wer vernünftig kalkuliert hat, werde sich allerdings erst in der nächsten Rezession zeigen.

"Die größten Fehler im Kreditgeschäft werden in Phasen wie jetzt gemacht", warnt HypoVereinsbank-Firmenkundenchef Lutz Diederichs. "Man muss auch den Mut haben, Geschäfte nicht zu machen." Nach Ansicht von Banken-Professor Faust haben einige Geldhäuser diesen Mut derzeit nicht. Er sieht die Gefahr, dass sich Institute übernehmen und Konditionen anbieten, die das Risiko eines Kreditausfalls nicht angemessen berücksichtigen. "Häufig sind gerade die Banken mit besonders günstigen Konditionen am Markt unterwegs, denen es wirtschaftlich schlechtgeht, weil sie auf schnelle Gewinne angewiesen sind", beobachtet Faust. "Es ist ein Teufelskreis."

Viele Banker schütteln ungläubig mit dem Kopf, wenn sie sehen, mit welchen Konditionen Institute auf Kundenjagd gehen. "Die Margen, die derzeit im Mittelstandgeschäft aufgerufen werden, sind teilweise irrwitzig", sagt Hendrik Riehmer, Managing Partner bei der Privatbank Berenberg. "Da lassen wir die Finger davon." Geldhäuser verlangten bei vielen Krediten kaum noch einen Risikoaufschlag, berichtet Riehmer. "Sie kaufen sich in erster Linie Kundenbeziehungen - aber davon werden sie am Ende des Tages nicht satt."

Jeder zeigt auf den anderen

Die Finanzberatung Barkow beobachtet seit einem Jahr, dass die Kreditmargen fallen. Die durchschnittliche Bruttomarge für Mittelstandskredite ab 1 Million Euro und mit einer fünfjährigen Laufzeit ist zuletzt auf 1,48 Prozent gesunken. Im dritten Quartal ist auch die Bruttomarge bei Darlehen von 250.000 bis 1 Million Euro eingebrochen - auf 2,33 Prozent. Von dieser Marge müssen die Geldhäuser noch die Kosten für den Bankbetrieb, für Kreditausfälle und für ihre eigene Refinanzierung abziehen. "Margendruck fängt klassischerweise bei den großen Krediten an und pflanzt sich dann nach unten fort", erklärt Geschäftsführer Peter Barkow.

Für den Preiskampf machen sich die Institute gegenseitig verantwortlich. Privatbanken kämpften immer aggressiver um größere Unternehmen, denen sie auch andere Produkte verkaufen (Cross-Selling), klagt beispielsweise BayernLB -Firmenkundenchef Michael Bücker. "Die Großbanken sind mit Kampfkonditionen im Markt, weil sie Angst haben, dass andere kommen und ihnen das Cross-Selling wegpicken." Einige Manager großer Institute geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass sie mit manchen Krediten kaum noch etwas verdienen.

Die Privatbanker machen allerdings in erster Linie die Landesbanken und die Commerzbank für den Einbruch der Margen verantwortlich. "Es ist ein Skandal, dass uns die Commerzbank mit dem Staat im Rücken die Preise kaputt macht", schimpft einer von ihnen. Die teilverstaatlichte Commerzbank weist das zurück.

Aus Sicht von Managern und Experten sind die billigen Kredite auch auf die Struktur des deutschen Bankenmarktes zurückzuführen - mit privaten, öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Instituten. "In Deutschland geben sich viele öffentlich-rechtliche Banken mit einer Rendite von drei bis fünf Prozent zufrieden und das spiegelt sich dann natürlich auch bei den Kreditkonditionen wider", sagt Berenberg-Manager Riehmer. "In Großbritannien sind Kredite viel teurer, weil Banken Kapitalkosten und Risiken richtig ansetzen."

"Lieber 80 Basispunkte als gar nichts"

Einer der wenigen Banker, die in der Debatte über billige Kredite in Deutschland Selbstkritik üben, ist BHF-Bank-Vostand Frank Behrends. "Man hofft immer, dass sich die Margen verbessern, weil der ein oder andere ein bisschen schlauer wird und ein paar große Spieler vom Markt verschwunden sind", erzählte er kürzlich bei einem Branchentreffen in Frankfurt. "Und trotzdem ändert sich am Ende nichts, weil wir alle auf der Liquidität sitzen und es manchmal besser ist, 80 Basispunkte zu bekommen als gar nichts."

Neben den Konditionen hat nach Aussagen mehrerer Banker mittlerweile auch ein Wettbewerb um die Kreditstruktur eingesetzt - also beispielsweise über Sicherheiten und Nebenbedingungen, sogenannten Covenants. Sie ermöglichen es einem Geldhaus, Kreditkonditionen zu ändern oder das Darlehen zu kündigen, wenn sich bestimmte Finanzkennzahlen des Schuldners deutlich verschlechtern.

"Es gibt Banken, die Blankokredite über fünf Jahre an Mittelständler vergeben, ohne die Möglichkeit, die Struktur oder den Preis anzupassen", erzählt ein hochrangiger Banker. "So etwas können sie vielleicht bei Volkswagen oder BASF machen, aber nicht bei einem Mittelständler. Es ist ein Wahnsinn."

Wie beim Autohändler

Wilhelm von Haller hört die Klagen über Kreditkonditionen schon seit langem, will sich deshalb aber nicht aus der Ruhe bringen lassen. "In anderen Branchen gibt es ja ähnliche Themen, denken sie nur an die Rabattdiskussionen in der Automobilbranche", sagt der Deutsche-Bank-Manager. Er ist seit 28 Jahren im Mittelstandsgeschäft aktiv und sitzt auch im Aufsichtsrat mehrerer Firmen. "Wenn Banken nur zwei Verkaufsargumente haben - Preis und Schnelligkeit - sind Konditionen natürlich ein zentrales Thema", räumt von Haller ein. Bei großen Instituten wie der Deutschen Bank sei die Finanzierung aber nur ein Angebot von vielen.

"Der Kredit ist ein Ankerprodukt und hilft ungemein, den Kunden zu verstehen", erklärt von Haller. "Die meisten Mittelständler, die einen Kredit in Anspruch nehmen, betreuen wir aber noch bei vier bis fünf anderen Themen, zum Beispiel bei Währungsabsicherungen oder beim Zahlungsverkehr im In- und Ausland." Mit rund 70 Prozent aller Kreditkunden macht das Frankfurter Institut auch in anderen, meist profitableren, Bereichen Geschäfte - und ist im Cross-Selling damit nach Einschätzung von Branchenexperten Marktführer in Deutschland.

Die meisten Mittelständler interessieren solche Statistiken kaum. Viele von ihnen haben Vorbehalte gegen Deutschlands größtes Geldhaus und stellen kritische Fragen: Ist die jüngste Mittelstands-Offensive nur eine Imagekampagne, um den ramponierten Ruf der Bank zu verbessern? Wird die Deutsche Bank sich weiter um den Mittelstand kümmern, falls der Investmentbanker Jain in ein paar Jahren die alleinige Führung der Bank übernehmen sollte? Und will ein bodenständiger Mittelständler grundsätzlich Geschäfte mit einem Institut machen, das weltweit in eine Vielzahl von Skandalen und Rechtsstreitigkeiten verwickelt ist?

Natürlich werde er von Firmen auch auf solche Themen angesprochen, sagt von Haller. Große Auswirkungen auf das Mittelstandsgeschäft hat er bisher aber noch nicht bemerkt. "Die meisten mittelständischen Unternehmer unterscheiden zwischen der allgemeinen Großwetterlage und der konkreten Kundenbeziehung, die meist über Jahre oder gar Jahrzehnte zwischen ihnen und ihrem Berater aus unserem Hause besteht."

Neue Konkurrenten

Zu den Kunden der Deutschen Bank zählt auch die Firma Meggle aus Wasserburg am Inn. Sie stellt Kräuterbutter und Aufback-Baguette her, aber auch Milchtrockenprodukte für die Pharma- und Lebensmittelindustrie. Neben der Deutschen Bank arbeitet das Unternehmen noch mit neun anderen Instituten aus dem In- und Ausland zusammen. "Wir profitieren vom Wettbewerb zwischen den Banken", betont Meggle-Finanzchef Christian Sedlatschek. "In den vergangenen zwölf Monaten haben sich die Konditionen für uns um etwa zehn Prozent verbessert."

Die Firma, die 1887 als kleine Käserei in der Nähe von Wasserburg gegründet wurde, ist in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen. Mittlerweile setzt das oberbayerische Unternehmen jährlich 1 Milliarde Euro um und beschäftigt weltweit rund 2500 Mitarbeiter. Für die nach Mittelstandsgeschäft lechzenden Banken wäre Meggle somit ein perfekter Kunde - eigentlich.

Doch Meggle will trotz billiger Kredite unabhängiger von den Geldhäusern werden. Seit einiger Zeit zapft die Firma mit Hilfe von Schuldschein-Darlehen neue Investoren am Kapitalmarkt an. "Wir versuchen, andere Finanzierungsquellen zu erschließen - zum Beispiel Versicherungen und Kapitalsammelstellen", sagt Sedlatschek. Vier Schuldschein-Darlehen hat die Firma bereits begeben, Nummer fünf soll Anfang nächsten Jahres folgen. Andere große Mittelständler gehen ähnliche Wege. Für die meisten Banken ist der Trend Richtung Kapitalmarkt eine bedrohliche Entwicklung - sie könnten in Zukunft noch häufiger auf ihren Krediten sitzenbleiben.

Quelle: ntv.de, Andreas Kröner, rts

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