Wirtschaft

"Wir wollen arbeiten" Arbeiter besetzen Stahlwerk

Stinksauer in der Chefetage: In Florange nimmt ein Gewerkschafter unter großen Presseaufgebot am großen Konferenztisch Platz.

Stinksauer in der Chefetage: In Florange nimmt ein Gewerkschafter unter großen Presseaufgebot am großen Konferenztisch Platz.

(Foto: REUTERS)

Im Osten Frankreichs kocht der Volkszorn hoch: Mitarbeiter von ArcelorMittal stürmen die Chefetage eines Stahlwerks in Lothringen. Sie fordern den Konzern auf, die Produktion wieder hochzufahren. Der Arbeitskampf in der Stahlindustrie könnte Sarkozys Wiederwahl gefährden.

Stahlmagnat aus Indien: Lakshmi Mittal kann wohl mit einem Anruf aus Paris rechnen (Archivbild).

Stahlmagnat aus Indien: Lakshmi Mittal kann wohl mit einem Anruf aus Paris rechnen (Archivbild).

(Foto: picture alliance / dpa)

Aus Angst um ihre Arbeitsplätze haben rund 200 Arbeiter am Montag ein Werk des Stahlkonzerns ArcelorMittal im Osten Frankreichs besetzt. Die Beschäftigten seien am Morgen in die Fabrik im lothringischen Florange eingedrungen, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP vor Ort. Mit Rufen wie "Mittal, wir wollen arbeiten" ließen sie sich in den Räumen der Direktion nieder.

Mehrere Gewerkschaften hätten zu der Aktion aufgerufen, hieß es. Die Arbeiter würden die Fabrik besetzt halten, bis die beiden im Frühjahr und Herbst vergangenen Jahres geschlossenen Hochöfen wieder hochgefahren würden, kündigte ein Sprecher an. Im Hinblick auf den französischen Präsidentschaftswahlkampf bekommt die Streikaktion auch politisch brisante Züge: Bis die Hochöfen wieder laufen würden die Streikenden der Werksleitung "Kurzarbeit verpassen", sagte Edouard Martin von der pro-sozialistischen Gewerkschaft CFDT. Er kündigte weitere Protestaktionen bis zum 6. Mai an - dem Tag, an dem der zweite Durchgang der Präsidentschaftswahl in Frankreich stattfindet.

Die Gewerkschaftsvertreter riefen alle Kandidaten für die Wahl auf, sich für einen Weiterbetrieb des Werks zu engagieren. Frankreichs Präsident , der bei der Wahl wieder antritt, hatte im Februar 2008 bei einem Besuch in Lothringen versprochen, er werde staatliche Gelder für den Erhalt der Arbeitsplätze in der Stahlindustrie bereitstellen.

Wahlkampf und Weltwirtschaft

Der weltweit größte Stahlhersteller ArcelorMittal hatte kürzlich seine Werke im belgischen Liège und in Madrid definitiv geschlossen. Die Schließung des Werks in Florange ist nach seinen Angaben jedoch nur provisorisch. Der Konzern begründet sie mit der aufgrund der Wirtschaftskrise. Zunächst hatte es geheißen, die Arbeit solle im Januar wieder aufgenommen werden, dann war die Rede von April. Vergangene Woche ließ der Konzern dann wissen, der Schmelzofen für die Herstellung von Flussstahl werde auch im zweiten Quartal bis Ende Juni nicht wieder hochgefahren.

Die Stahlkocher befürchten nun, dass diese Ankündigung das endgültige Aus für ihr Werk bedeuten könnte - die letzte Produktionsstätte für Stahl in Lothringen. Zuletzt arbeiteten in der 1948 gegründeten Fabrik noch rund 5000 Beschäftigte. ArcelorMittal produzierte dort unter anderem auch Stahlbleche für die Autoindustrie.

Hilflose Appelle

Die Geschäftsführung von ArcelorMittal France in Paris rief die Arbeiter zu einem "konstruktiven Dialog" auf. Der Finanzvorstand der Gruppe, Aditya Mittal, hatte am 7. Februar in einem Interview zwar eingeräumt, dass die Nachfrage seit Jahresbeginn wieder angezogen hat. "Wir sind aber noch weit von den Mengen der Jahre 2006, 2007 und 2008 entfernt", sagte er. Die einst florierende Schwerindustrie in der ostfranzösischen Grenzregion ist seit den 80er Jahren im Niedergang. Die Förderung von Kohle und Eisenerz wurde eingestellt, die meisten Hochöfen und Walzstraßen wurden stillgelegt.

Im Jahre 2007 brachte der aus Indien stammende Stahlmagnat Lakshmi Mittal im Zuge einer feindlichen Übernahme den gesamten Arcelor-Konzern - an dem neben Frankreich auch Luxemburg und Belgien Anteile hielten - unter seine Kontrolle. Mittal sagte damals den Erhalt der zu diesem Zeitpunkt noch 8000 Arcelor-Arbeitsplätze in Lothringen zu. Bereits zwei Jahre später jedoch schloss er das Werk im lothringischen Gandrange. Diese Fabrik hatte der 1999 praktisch umsonst erworben - für den symbolischen Preis von damals einem Franc.

Quelle: ntv.de, AFP

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