Marktberichte

Kampf um die 10.000 Schaukelbörsen sehnen den Schubs herbei

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(Foto: picture alliance / dpa)

Es herrscht Ratlosigkeit an den Börsen. Weder Bären noch Bullen können sich durchsetzen. Gesucht sind Impulse. Doch woher sollen die kommen? Berichtssaison - vorbei. Konjunkturdaten -ein paar. Ölpreis - Anstieg wohl nicht von Dauer. Liquidität - geschmolzen.

Der Kampf des Dax um die 10.000 Punkte geht in der neuen Woche in eine weitere Runde. Da bislang weder Optimisten noch Pessimisten - im Börsenjargon "Bullen" und "Bären" genannt - die Oberhand gewonnen haben, kann das Kurspendel Experten zufolge in beide Richtungen ausschlagen. Allerdings laufen die Impulse der Berichtssaison aus. Und wegen des Pfingstfestes ist die Handelswoche in vielen Ländern verkürzt. Etliche Marktteilnehmer dürften dies erneut als Anlass für einen Kurzurlaub nutzen und entsprechend neutral positioniert in die Woche gehen.

Für einen nachhaltigen Stimmungsumschwung fehle es derzeit vor allem an konjunkturellen Impulsen, bemängeln denn auch die Analysten der Helaba. Selbst die eindrucksvolle Erholung der Rohölpreise von rund sieben Prozent im Wochenverlauf gebe nicht viel her, denn sie gehe zum Teil auf die gravierenden Brände in Kanada zurück. Da sich am konjunkturellen Bild nichts geändert habe, sei zu befürchten, dass die Schaukelbörse zunächst anhält. Die Sorgen um die US-Konjunktur dürften sich erst in den kommenden Wochen legen.

Lesen im Kaffeesatz

Indes diene der verpatzte Jahresauftakt des deutschen Aktienmarktes beiden Lagern als Argumentationshilfe, sagt Commerzbank-Volkswirt Andreas Hürkamp. Seit Jahresbeginn hat der deutsche Leitindex Dax knapp neun Prozent eingebüßt. Dies rufe bei Investoren Erinnerungen an andere Börsenjahre mit ähnlich verpatzten Starts wach, fügt Hürkamp hinzu. "Während die Pessimisten ein negatives Szenario wie 2008 erwarten, setzen die Optimisten auf einen positiven Ausgang wie im Jahr 1995."

Jochen Stanzl, Analyst des Online-Brokers CMC Markets, rechnet wegen der unsicheren Aussichten für die Weltwirtschaft mit eher fallenden Kursen. "Anleger wägen jeden Schritt zweimal ab." Anlage-Experte Joachim Goldberg von der Beratungsfirma Goldberg und Goldberg äußert sich dagegen optimistischer. Investoren nutzten die Rücksetzer der vergangenen Wochen zum Wiedereinstieg in den Markt.

Anleger ziehen Milliarden aus dem Markt

Kaum Impulse dürfte auch von der Bilanzsaison ausgehen - denn die läuft langsam aus. Wie die Analysten der Deutschen Bank berichten, ist es dabei europaweit zwar zu einigen deutlich positiven Überraschungen gekommen, das Gewinnwachstum fiel jedoch schwach aus. Und so halten es die Analysten für unwahrscheinlich, dass die Gewinnschätzungen signifikant angehoben werden.

Folgerichtig sehen sie auch bei deutschen Aktien eher ein taktisches Abwärtspotenzial. In ihrem Basisszenario rechnen sie mit einer rund fünfprozentigen Kurskorrektur an Europas Aktienmärkten über die kommenden drei Monate. Eher kurzfristig orientierte Frankfurter Aktienhändlern rechnen überwiegend mit einem Dax-Rückgang bis nahe 9500 Punkte. Es sei kaum Bereitschaft für längerfristige Positionierungen zu erkennen.

Diese Beobachtung unterstreichen auch die Experten der Bank of America-Merrill Lynch. Ihre Überwachung der globalen Kapitalströme zeige, dass es nun wieder zum größten Aktienexodus seit August 2015 gekommen sei. Rund 44 Milliarden Dollar seien in den vergangenen fünf Wochen aus Aktienfonds abgezogen worden. Stattdessen sei wieder verstärkt in Anleihen und Gold-nahe Investments umgeschichtet worden. Vor allem in Europa habe sich der Kapitalabzug beschleunigt.

Ein paar Bilanzen - ein paar Konjunkturdaten

Am Donnerstag legen der Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck sowie der Konsumgüter-Hersteller Henkel ihre Zahlen vor. In den USA öffnen der weltgrößte Einzelhändler Wal-Mart  und der Netzwerk-Ausrüster Cisco ihre Bücher.

Außerdem lädt die Deutsche Bank am Donnerstag zur Hauptversammlung ein, die turbulent werden dürfte. Der Aktionärsberater Glass Lewis plädiert dafür, dem scheidenden Co-Chef Jürgen Fitschen die Entlastung zu verweigern. Glass Lewis und Konkurrent ISS fordern zudem eine Sonderprüfung, um die Verantwortung des Managements für die Milliardenstrafen im Zusammenhang mit zahlreichen Rechtsstreitigkeiten zu klären. Damit drohen Vorstand und Aufsichtsrat Schadenersatzklagen.

Börsianer richten ihre Aufmerksamkeit außerdem auf die US-Inflationsdaten am Dienstag. Von ihnen erhoffen sie sich Hinweise auf Zeitpunkt und Tempo der geplanten Zinserhöhungen in den USA. Die Börsenexperten erwarten trotz des wieder gestiegenen Ölpreises allerdings keinen deutlichen Anstieg der Teuerung. Damit bleibe der Druck auf die US-Notenbank Fed, die Zinsen schnell anzuheben, gering. Umso akribischer werden Investoren am Mittwoch die Worte in den Protokollen der jüngsten Fed-Sitzung auf die Goldwaage legen, um Rückschlüsse auf die Geldpolitik zu ziehen. Obendrein gibt es neue Zahlen von der US-Industrieproduktion. Anleger erwarten einen Anstieg, der ein Auslaufen der Schwächephase im verarbeitenden Gewerbe andeuten könnte.

Auf der Agenda stehen zudem die Inflationsdaten für die Eurozone. Sollten die Preise stärker als die prognostizierten 0,2 Prozent zurückgehen, würde dies Spekulationen auf weitere Geldspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) neue Nahrung geben. Die Währungshüter geben am Donnerstag ebenfalls die Protokolle ihrer jüngsten Ratssitzung frei.

Zum Abschluss der verkürzten Börsenwoche laufen zudem Optionen auf Indizes und einzelne Aktien aus. In den Tagen zuvor schwanken die Aktienkurse üblicherweise stark, weil Investoren die Preise derjenigen Wertpapiere, auf die sie Derivate halten, in eine für sie günstige Richtung bewegen wollen.

Quelle: ntv.de, jwu/DJ/rts

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