Marktberichte

"Bremain" beflügelt Aktienmärkte Nur 3 Punkte fehlen bis 10.000

Nicht nur am deutschen Aktienmarkt, sondern auch an der Wall Street schauen die Börsianer in dieser Woche Richtung London. Bleiben die Briten in der EU oder nicht? Diese Frage bestimmt das Handeln der Anleger. Die Woche beginnt mit einer Kursrally.

Die 10.000er Marke hat beim Dax zum Start in die neue Handelswoche gewackelt. Gefallen ist sie allerdings nicht, es fehlten am Ende lächerliche drei Punkte. Dennoch: "Die Risikofreude ist offensichtlich zurück", kommentierte n-tv-Börsenexperte Frank Meyer bereits am Morgen als der Leitindex rund 250 Punkte fester in den Handel gestartet war. "Marktteilnehmer sprechen von einer Schicksalswoche", führte er unter Verweis auf das EU-Referendum der Briten weiter aus. Meyers Kollegin Katja Dofel mahnte indes: "Kursschwankungen sind ein klares Zeichen für Nervosität am Markt. Auch wenn sie dieses Mal positiv ausfallen."

Der Dax schloss 3,4 Prozent im Plus bei 9962 Punkten. Im Tageshoch fehlten dem Leitindex lediglich 3 Punkte, um die psychologisch wichtige 10.000er Marke zu erreichen. Am Freitag war er zwar 0,9 Prozent fester aus dem Handel gegangen, auf Wochensicht hatte er aber rund 2 Prozent eingebüßt. Der MDax zog 3,3 Prozent auf 20.344 Stellen an. Der TecDax verbesserte sich 2,7 Prozent auf 1618 Punkte.

Konjunktur: Es geht um die Psychologie

Laut einer neuen Umfrage liegen nun die "Bremain"-Anhänger, also die britischen Befürworter der EU, in Führung. In einer Befragung für den "Mail on Sunday" kamen sie auf 45 Prozent, für den Austritt votierten 42 Prozent. Die Wettbüros taxierten die Wahrscheinlichkeit eines "Brexits" auf nur noch 30 Prozent nach zuletzt 40 Prozent in den vergangenen Tagen."Das spricht für eine durchgreifende Risk-on-Bewegung an den Märkten", sagte ein Händler.

Von einer "Bremain-Rally" sprachen Marktteilnehmer mit Blick auf die Erholung an den Aktienmärkten. "Der Brexit wird ausgepreist", kommentierte ein Händler. Ein anderer Marktteilnehmer meinte, die Aktien-Rally werde sich bestenfalls bis Donnerstag fortsetzen. "Am Freitag dürfte dann 'Sell on news' einsetzen."

Der Dax-Anstieg wurde laut Marktteilnehmern von guten Umsätzen begleitet. "Deshalb ist auch die Aufwärtsdynamik so hoch", sagte ein Marktteilnehmer. Die Liquidität sei dünn und deshalb führten hohe Umsätze zu einer starken Dynamik. Das habe in den vergangenen Tagen nach unten gegolten und seit Freitag gelte es nach oben.

"Börse ist eben nicht planbar, sondern viel Psychologie, dies sieht man einmal mehr in diesen Brexit-Wochen", kommentierte Daniel Saurenz von Feingold Research. "Vor dem Wochenende galt 'risk off', zum Wochenstart merken viele nun, dass der Brexit unwahrscheinlicher wird. Die Folge - 'risk on' ist angesagt, doch an der 10.000 könnte schon wieder vieles Positive für den Dax eingepreist sein", erläuterte er. "Nach dem neusten Umfragen ist ein Brexit fast vom Tisch, die Spannung könnte früher raus sein als gedacht."

"Bremain"-Hoffnung treibt Briten-Banken

Der Londoner FTSE-100 verbesserte sich deutlich.  "Die starke Erholung der Finanzwerte hilft", sagte Conall Mac Coille von Davy Research. Royal Bank of Scotland stiegen zeitweise 10 Prozent, Barclays und Lloyds Banking jeweils 6 Prozent. Die britischen Geldhäuser gelten als Verlierer im Falle eines britischen Austritts aus der Europäischen Union. Entsprechend groß ist unter Anlegern gegenwärtig die Entspannung.

Devisen: Pfund und Euro gefragt

Gestützt von den neuen Umfragen, wertete auch das britische Pfund gegen den Dollar auf den höchsten Stand seit fast zwei Wochen auf und zog auch zum Euro deutlich an. Auch der Euro profitierte von den jüngsten Umfragen in Großbritannien und legte zum Greenback ebenfalls zu. Die Gemeinschaftswährung handelte am Abend bei 1,1332 Dollar. Das waren rund 0,2 Prozent mehr als noch am Freitag. In der Spitze lag der Euro sogar bei 1,1383 Dollar und damit rund einen Cent mehr als am Freitag. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs am Mittag auf 1,1332 Dollar nach 1,1254 Dollar am Freitag und 1,1174 Dollar am Donnerstag fest.

Rohstoffe: Devisenmarkt liefert den Impuls

Der schwächere Dollar wiederum schob den Ölpreis an. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete 50,10 Dollar. Das waren 1,9 Prozent mehr als zum Wochenschluss. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg 1,8 Prozent auf 48,85 Dollar.

Der entscheidende Faktor am Ölmarkt dürfte diese Woche der Devisenmarkt sein, der von Unsicherheiten wegen des anstehenden Brexit-Referendums geprägt ist, sagte Michael McCarthy, Experte beim australischen Finanzdienstleister CMC Markets.

Dax: Kein Verlierer

Bei den Einzelwerten gab es im Dax keinen einzigen Verlierer. Die deutlichsten Aufschläge wiesen Autowerte und Banken auf. BMW zogen 4,7 Prozent an, Daimler 4,5 Prozent und VW etwa 5 Prozent. JP Morgan hatte die VW-Aktien laut Händlern auf "Übergewichten" hochgestuft. Gleichzeitig ermittelt nun aber die Staatsanwaltschaft gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Deutsche Bank verbesserten sich rund 6 Prozent, Coba immerhin noch 2,8 Prozent.

Bayer schlossen rund 2,6 Prozent fester. "Die Verkaufsabsichten für das Radiologiegeschäft schüren die Spekulation um ein Nachbessern des Monsanto-Angebots", sagte ein Händler. Solange die Spekulation im Markt bleibe, dürfte die Bayer-Aktie kein Outperformer werden, ergänzte er. Wie Reuters am Freitag mit Verweis auf Unternehmenskreise berichtet hatte, erwägt Bayer den Verkauf der Sparte. Möglich sei ein Preis von über 3 Milliarden Dollar.

Bei Adidas platzt's

Bei Adidas schauten Anleger genauer hin, nachdem bei der Fußball-EM in Frankreich während des Spiels der Gastgeber gegen die Schweiz ein Ball des Ausrüsters kaputtgegangen war. Experten sprachen von einem Materialfehler. Gleichzeitig hatte laut einem Zeitungsbericht Adidas den Wettstreit um den Ausrüstervertrag für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen den US-amerikanischen Konkurrenten Nike gewonnen. Das Unternehmen zahlt nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aber nun das Doppelte: jährlich rund 50 Millionen Euro. Mehr als 3 Prozent ging es für die Papiere nach oben.

Positiv sahen Marktteilnehmer die Entwicklung bei Heidelbergcement. Die US-Behörden hatten für die Übernahme von Italcementi grünes Licht unter der Voraussetzung gegeben, dass Heidelcement ein Zementwerk in Martinsburg sowie elf Zementverteilungszentren abgibt. Heidelcement hatte bereits mitgeteilt, das Interesse an den abzugebenden US-Teilen sei groß. "Damit sollte die Aktie nun kräftiges Erholungspotenzial haben", so ein Händler. Heidelbergcement-Titel gewannen fast 4 Prozent.

MDax: Schaeffler schwenkt auf Gegenbewegung um

Im MDax zogen Schaeffler weiter an. Zwar kommt es nach Index-Aufstiegen häufig erst einmal zu Konsolidierungen. Schaeffler gerieten aber in den vergangenen Handelstagen in den Sog der SDax-Korrektur, die Aktien gaben kräftig nach. Erst zum Aufstieg in den Nebenwerteindex am Freitag setzten sich dann steigende Kurse durch. "Die Erholung sollte nun erst einmal weitergehen", sagte ein Marktteilnehmer. Schaeffler-Papiere verbesserten sichmehr als 2 Prozent.

USA: "Bremain" verleiht Flügel

Wachsende Hoffnungen auf einen Verbleib der Briten in der EU beflügelten auch die Wall Street. Mit der Brexit-Angst legten Aktien-Anleger ihre Risikoscheu ab, hieß es an der New Yorker Börse. Die Diskussion um den Ausgang der Volksabstimmung werde die Finanzmärkte beherrschen, bis das Ergebnis feststeht. Andere Themen, auf die Marktteilnehmer handeln könnten, seien ohnehin rar, hieß es weiter. In neuen Umfragen liegen die Befürworter der britischen EU-Mitgliedschaft vorne.

Der Dow-Jones-Index lag am Vormittag (Ortszeit) 0,7 Prozent im Plus bei 17.805 Punkten. Der breiter gefasste S&P-500 legte 0,6 Prozent auf 2083 Zähler zu. Der Nasdaq100 verbesserte sich 0,8 Prozent auf 4837 Stellen.

Unter den Einzelwerten an der Börse gewannen Walt Disney 0,6 Prozent. Der erfolgreiche Kinostart des Films "Findet Dory" beflügelte: Mit schätzungsweise 136,2 Millionen US-Dollar hat er am Wochenende für einen Trickfilm eine Rekordsumme eingespielt. Die Aktien der beiden Krankenversicherer Anthem und Cigna geraten ebenfalls in den Blick. Wie das "Wall Street Journal" berichtete, hat die US-Kartellbehörde Bedenken mit Blick auf die geplante 48 Milliarden Dollar schwere Fusion der beiden Konzerne geäußert. Für Anthem ging es um 0,3 Prozent nach oben, Cigna gaben um 1,3 Prozent nach.

Asien: Nikkei in Asien top

Mit deutlichen Kursgewinnen warteten die ostasiatischen Aktienmärkte auf. Auch hier trieb die aktuelle Umfrage, wonach die EU-Befürworter wenige Tage vor dem Referendum in Führung liegen, die Kurse an. "Doch der Markt bleibt weiterhin sehr anfällig", sagte Analyst Chris Weston von IG. In den kommenden Tagen dürften weitere Umfragen veröffentlicht werden, die den Markt dann in die eine oder andere Richtung beeinflussen könnten, so der Teilnehmer.

Der Nikkei-Index schloss 2,3 Prozent im Plus, aber mit 15.965 Punkten unterhalb der 16.000er Marke. Auch schwache japanische Konjunkturdaten traten mit dem alles überlagernden Brexit in den Hintergrund. So waren die Exporte im Mai bereits den achten Monat in Folge gesunken und zudem auch noch etwas stärker als erwartet. Gleichzeitig verzeichnete die japanische Handelsbilanz im Mai ein Defizit von 40,7 Milliarden Yen, während die Prognose auf einen Überschuss von 26,5 Milliarden Yen gelautet hatte.

In Hongkong stieg der Hang-Seng-Index knapp 1 Prozent, in Sydney ging es für den S&P/ASX-200 1,3 Prozent nach oben. Dagegen bewegte sich der Shanghai Composite kaum, notierte nahezu unverändert. Eine Verschärfung der Regularien sogenannter "Reverse Mergers" für kleinere Unternehmen sorgte hier für etwas Druck auf den Markt.

Quelle: ntv.de, bad/DJ/rts/dpa

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