Marktberichte

Wall Street steigt wieder Erste Anleger kehren in Dax zurück

Der Brexit beschäftigt die Börsianer noch eine geraume Zeit.

Der Brexit beschäftigt die Börsianer noch eine geraume Zeit.

(Foto: dpa)

Der deutsche Aktienmarkt unternimmt einen Erholungsversuch. Doch die Brexit-Nachwehen sind nach wie vor präsent. Einige Händler rechnen damit, dass die Aufwärtsbewegung ein jähes Ende findet.

Nach den drastischen Kursverlusten trauen sich erste Anleger wieder an die Aktienmärkte zurück. In Frankfurt schloss der Dax 1,9 Prozent fester bei 9447 Punkte. Der MDax kletterte um 1,9 Prozent auf 19.276 Zähler. Auch für die Tech-Titel ging es aufwärts: Der TecDax stieg 2,2 Prozent auf 1555 Punkte. An den beiden vorangegangenen Handelstagen hatte der Leitindex fast zehn Prozent beziehungsweise 1000 Punkte eingebüßt. Er fiel damit auf den tiefsten Stand seit Februar. Der erste Schreck über den Brexit sei zwar verflogen, aber die Anleger seien wegen einer möglichen Beeinträchtigung der Weltwirtschaft immer noch besorgt, sagt Aktienhändler Joao Paulo de Gracia Correa vom Brokerhaus SLW.

"Das ist alles aber nur eine Momentaufnahme", sagte ein anderer Börsianer. "Der Brexit ist noch zu frisch." Am vergangenen Donnerstag hatten die Briten für den Ausstieg ihres Landes aus der EU gestimmt. Da die Folgen dieser Entscheidung noch nicht abschätzbar seien, bleibe die Verunsicherung groß, fügte der Aktienhändler hinzu. Er rechne daher damit, dass der Dax in den kommenden Tagen unter die Marke von 9000 Punkten falle. "Möglicherweise ging ein Großteil der Käufe nur auf Short-Eindeckungen zurück", meint ein Händler. Ein klares Schwächezeichen sei die Performance der Banken in Europa, die mit im Schnitt 4 Prozent nach dem vorangegangenen Kurseinbruch "bestenfalls zögerlich" sei. Ein anderer Händler erwartet eine zweite Verkaufswelle. "Wir haben nur taktische Käufer, die auch ganz schnell wieder rausgehen können". Dies sei kein Fundament für eine Bodenbildung an den Börsen.

Wall Street schaut wieder auf Zahlen

Die Wall Street hat ebenfalls fester geschlossen. Der Dow-Jones-Index stieg um 1,6 Prozent auf 17.409 Punkte. Der breiter gefasste S&P kletterte um 1,8 Prozent auf 2036 Stellen. Der Index der Technologiebörse Nasdaq gewann 2,1 Prozent auf 4691 Zähler.

Beobachter waren sich daher nicht einig, ob die Börsenerholung vom Dienstag schon eine Trendwende bedeutete oder nur eine kurzlebige Gegenbewegung. Politik und Märkte seien in der Brexit-Krise viel enger miteinander verflochten als bei jeder anderen Krise bisher, sagte Doug Cote, Chefmarktstratege bei Voya Investment Management. Es lasse sich schwer vorhersagen, welchen Weg die Politik einschlagen werde. Die Volatilität an den Märkten dürfte noch länger andauern, warnte er.

Heimische Konjunkturdaten rückten an der Wall Street dennoch wieder stärker in den Fokus. Vor Börsenstart wurde bereits die dritte Lesung des BIP präsentiert, das mit plus 1,1 Prozent leicht besser ausfiel als prognostiziert. Der Case-Shiller-Hauspreisindex zeigte an, dass sich die Häuserpreise in den größten US-Städten weiter verteuern, wenn auch etwas weniger als erwartet. Der Index des Verbrauchervertrauens erreichte im Juni mit 98 Punkten einen überraschend hohen Stand. Hier hatten Volkswirte einen Anstieg auf 93,6 Punkte erwartet, nachdem der Index im Mai bei 92,4 gelegen hatte.

An der Börse gehörten die zuletzt gebeutelten Finanzwerte zu den führenden Kursgewinnern, während als defensiv geltende Aktien wie etwa Versorger oder Telekommunikationswerte geschmäht wurden. Bei den Einzelwerten standen General Electric im Blick. Der Mischkonzern will sein Kreditportfolio aus dem Restaurant-Franchise-Bereich abstoßen. Die Aktie stieg um 2,1 Prozent.

Die Tesla-Aktie legte 1,6 Prozent zu. Am späten Montag sagte Solarcity, es werde ein Zweipersonen-Komitee aus unabhängigen Board-Mitgliedern bilden, um Teslas Kaufofferte für das Solarpanel-Unternehmen zu prüfen. Solarcity stiegen um 5 Prozent.

Für die seit dem Brexit-Votum arg gebeutelte Aktie von Priceline ging es um 1,5 Prozent nach oben. Nach Ansicht der Analysten von Jefferies bieten sich auf dem ermäßigten Kursniveau Kaufgelegenheiten. Das Online-Reisebüro mache zwar einen Großteil seines Geschäfts in Europa, das Unternehmen habe sich aber zumindest gegen die Devisenschwankungen abgesichert.

Die Aktie des Kreuzfahrtanbieters Carnival verbesserte sich um 0,2 Prozent, hatte anfangs aber um bis zu 5,8 Prozent im Plus gelegen. Angst vor den Folgen des Brexit drängte überzeugende Geschäftszahlen in den Hintergrund, denn Carnival erzielt einen Großteil seiner Einnahmen in Pfund. Die britische Währung hat jedoch seit Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses drastisch abgewertet.

Banken erholen sich etwas

Gewinner Nummer eins waren RWE, die 4,7 Prozent auf 12,71 Euro kletterten. RWE seien wegen ihrer britischen Assets zuvor zu stark abverkauft worden, hieß es zur Begründung. Außerdem hat die Societe Generale die Aktie mit einem Kursziel von 20 Euro auf die Kaufliste genommen. Bei den besonders stark Brexit-geschädigten Finanztiteln erholten sich Allianz um 3,2 Prozent und Deutsche Börse um 4,3 Prozent. Die zuletzt ebenfalls stark gefallenen Lufthansa-Aktien zogen um 3,5 Prozent an.

VW verteuerten sich um 1,6 Prozent. In den USA steht die außergerichtliche Einigung in den USA wegen des Abgasskandals kurz vor dem Abschluss, VW bietet 14,7 Milliarden Dollar dafür an. "Damit entzieht VW den Sammelklagen den Boden", sagte Jürgen Pieper, Analyst des Bankhauses Metzler. Es dürfte kaum nachweisbar sein, dass Schäden Einzelner nicht mit Rückkäufen oder Zahlungen zwischen 5000 und 10.000 Dollar abgedeckt seien, sagt er.

Leicht positiv für Stada werteten Händler den Einstieg des aktivistischen Investors Guy Wyser-Pratte. "Er will sich für eine Fusion mit einem Konkurrenten stark machen, das sollte die Fantasie in der Aktie weiter treiben", sagte ein Händler. Für das Papier ging es um 3,9 Prozent nach oben.

Fresenius stiegen um 2,7 Prozent. Der Kurs hatte am Montag zeitweise unter dem Ausstieg von Vorstandschef Ulf Schneider gelitten, besonders unter Sorgen vor einem Zerwürfnis mit dem Aufsichtsrat. "Die sind nun vom Tisch", so ein Händler. Wie jetzt bekannt wurde, übernimmt Schneider die Führung von Nestle, und der Wechsel wird als "verständlich" angesehen.

Devisen: Pfund legt zu

Das Pfund Sterling geht wie die Aktienmärkte derweil auf Erholungskurs und verteuert sich auf 1,3387 Dollar, nachdem es am Vortag auf ein 31-Jahres-Tief von 1,3118 Dollar gefallen war. Die britische Währung habe ihre Talsohle noch nicht erreicht, warnt Commerzbank-Analystin Esther Reichelt. "Investoren brauchen Klarheit darüber, wo das Vereinigte Königreich in zwei und mehr Jahren steht. Solange die fehlt, wird das Pfund weiter abgestraft. Grundsätzlich gilt: Keine Neuigkeiten sind schlechte Neuigkeiten für das Pfund."

Die Herabstufung der Bonität Großbritanniens spielt am Anleihemarkt nur eine untergeordnete Rolle. Die Ratingagenturen S&P und Fitch hatten dem Land wegen der Risiken für die Wirtschaft die Bestnote "AAA" entzogen und es auf "AA" heruntergestuft.  Dies treibt üblicherweise die Finanzierungskosten für den Staat und die Unternehmen in die Höhe. Die Rendite der zehnjährigen britischen Bonds  stieg daraufhin zwar auf 0,991 Prozent, blieb aber in Reichweite ihres Rekordtiefs von 0,933 Prozent. Wegen der Aktienrally zogen Anleger auch Geld aus den als sicher geltenden Bundesanleihen ab. Die trieb die Rendite der zehnjährigen Titel auf minus 0,084 von minus 0,106 Prozent

Rohstoffe: Ölpreise legen zu

Bei der "Antikrisen-Währung" Gold machen einige Anleger Kasse. Das Edelmetall, das sich nach dem Brexit-Referendum zeitweise um mehr als fünf Prozent verteuert hatte, verbilligt sich um 0,9 Prozent auf 1313,13 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).

Die konjunktursensitiven Ölpreise machen einen Teil ihrer Brexit-Verluste wieder wett. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostet 47,94 Dollar und damit 1,7 Prozent mehr als am Vorabend. US-Leichtöl der Sorte WTI notiert 1,8 Prozent höher bei 47,18 Dollar.

Fernost: Nikkei hält sich im Plus

An den ostasiatischen Finanzmärkten herrschte wegen des Brexit-Votums weiter Verunsicherung. Gleichwohl folgten die Börsen nicht den teilweise drastischen Kursverlusten in Europa und den USA. In Tokio schloss der Nikkei-Index 0,1 Prozent höher bei 15.323 Punkten. In Seoul ging es um 0,4 Prozent nach oben. In Hongkong fielen die Kurse dagegen um 0,9 Prozent, und in Shanghai bewegte sich das Marktbarometer kaum.

Für etwas Unterstützung in Shanghai sorgte die neuerliche Abwertung des Yuan zum US-Dollar durch die chinesische Notenbank, wobei Marktbeobachter betonten, dass dies vor allem ein Reflex auf die allgemeine Dollarstärke sein dürfte. Wie auch der Yen profitiert der Dollar seit dem Brexit-Votum von der Suche der Anleger nach Sicherheit.

Außerdem wird die Stimmung gehoben von wieder auflebenden Spekulationen über eine Börsenverbindung zwischen Hongkong und Shenzhen nach dem Vorbild des "Connect"-Modells zwischen Hongkong und Schanghai. Hintergrund sei, dass die Quote zum Kauf von in Hongkong gelisteten Aktien über die Schanghaier Börse fast erschöpft sei. Ein ähnliches Abkommen mit Shenzhen könne daher für Entlastung sorgen.

Quelle: ntv.de, wne/DJ/rts/dpa

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