Marktberichte

"Angst vor großer Stop-Marke" Dax sackt 120 Punkte ab

Charttechnisch bereitet der Dax so manchem Börsianer mittlerweile Kopfzerbrechen.

Charttechnisch bereitet der Dax so manchem Börsianer mittlerweile Kopfzerbrechen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Drn dritten Handelstag in Folge geht der deutsche Börsenleitindex mit einem Minus aus dem Handel. Einen Hauptgrund dafür gibt es nicht, vielmehr heizen die politischen Krisenherde die Verunsicherung der Anleger an. Zusätzlich rückt nun die Charttechnik in den Fokus.

Statt der 10.000er Marke müssen sich die deutschen Anleger wohl erst einmal mit der 9500er Marke anfreunden. Zum Start in die neue Woche gab es den dritten Handelstag in Folge Verluste. Marktteilnehmer sahen die Gründe dafür in der zunehmenden Unsicherheit die politischen Krisen in der Ostukraine und in Nahost betreffend. Aber auch die Charttechnik und Portugal spielten eine gewichtige Rolle.

Der Dax fiel am Montag bis auf ein Tagestief von 9599,67 Punkten. Am Ende schloss er bei einem Stand von 9612 Zählern 1,1 Prozent im Minus. Nur unmerklich besser machte es der MDax, der 1,0 Prozent auf 16.227 Stellen nachgab. Der TecDax ging mit einem Abschlag von 0,6 Prozent und 1240 Punkte aus dem Handel. An der Wall Street rutschte der Leitindex Dow am Vormittag (Ortszeit) unter die psychologisch wichtige 17.000er Marke. Erste Marktteilnehmer sprachen vom Beginn einer Konsolidierung.

Verunsicherung wächst

"Ganz so krisenfest scheint der Markt dann doch nicht zu sein", sagte n-tv-Börsenexpertin Corinna Wohlfeil. Ihre Kollegin Katja Dofel erklärte: "Die Börsianer sind sehr vorsichtig. Wenn die entsprechenden Nachrichten kommen, wird auch verkauft." Am Markt wisse man, dass sich die charttechnischen Gegebenheiten bei diesen Kursständen verschlechtern, so Dofel weiter. Um 9450 warte erst mit der 200-Tage-Linie eine große Unterstützungsmarke.

"Der Dax-Futures steht genau vor der großen Stop-Marke bei 9625", sagte ein Händler: "Angesichts der hohen Terminmarkt-Umsätze heute weiß man, dass jeder Fall dadurch sofort eine Menge Stops auslösen und den Markt nach unten reißen kann." Ein erstes Warnzeichen für einen solchen Versuch sei ein rapider Volumenanstieg. Die Marke wird als so wichtig betrachtet, da sie ein mehrfach getestetes Wochen-Tief sei. Die Chance auf eine Bodenbildung würde durch einen Fall darunter zunichte gemacht werden.

Gründe zum Einstieg sieht Analysr Martin Siegert dennoch nicht. "Die momentane Situation ist sehr spannend", so Siegert. Am Montagmorgen konnte die Unterstützung im Dax bei 9617 Punkten die Abwärtsattacke zwar zunächst aufhalten. Gute Unterstützungen sieht Siegert bei 9550 und 9484 Punkten.

Von Gaza über Moskau bis Portugal

Im Börsengeschehen hatten sich Anleger bereits am Freitag mit flauen Gefühlen aus einer nervösen Handelswoche verabschiedet. Die Sorgen vor einer Eskalation der Ukraine-Krise nach dem Abschuss des Fluges MH17 in der Ostukraine drückten weiter auf die Stimmung, ebenso die bereits verhängten Sanktionen gegen Russland und die angedrohten Gegenmaßnahmen Russlands.

Angesichts der Krise in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sehen Marktbeobachter Gefahren für die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft - insbesondere in Bezug auf die freien Handelsbeziehungen. Lediglich starke Technologie-Aktien hätten den Gesamtmarkt vor dem Wochenende im Plus gehalten, hieß es.

Die Kurse an der Börse in Moskau fielen um mehr als 1 Prozent. Hier zogen internationale Investoren weiter Gelder ab. Auf Wochensicht sind die Kurse damit durchschnittlich um über 7 Prozent gesunken. Relativ stabil zeigte sich dagegen die Börse in Lissabon, wo es in den vergangenen Tagen phasenweise zu Turbulenzen und deutlich fallenden Kursen gekommen war wegen Problemen des Konglomerats Espirito Santo International.

Anlegerblicke gegen auch nach Portugal

Abgesehen von den Unwägbarkeiten des Nahostkonflikts, dem militärischen Vorgehen Israels gegen militante Kämpfer der Hamas im Gazastreifen, und den düsteren Perspektiven nach dem Flugzeugabsturz im Osten der Ukraine richteten sich die Blicke von Analysten und Anlagestrategen deshalb auch wieder auf Portugal: Das Land sieht sich mit der Pleite der krisengeschüttelten Konzerngruppe Espirito Santo International konfrontiert. Die Folgen für Staatsfinanzen und Wirtschaftsstruktur sind noch ungewiss.

Experten gehen allerdings nicht davon aus, dass es im europäischen Aktienhandel wegen der ESI-Krise zu einem verstärkten Abgabedruck kommen wird. Die Gruppe Espirito Santo International hat am Freitagabend Gläubigerschutz beantragt. Espirito Santo International hält über die wichtigste Tochter Rioforte Investments einen 49-Prozent-Anteil an der Espirito Santo Financial Group, die wiederum 20 Prozent am Banco Espirito Santo (BES) hält. Die Möglichkeit, dass BES wegen der Schwierigkeiten der Mutter ebenfalls in den Abgrund gerissen werden könnte, hatte in der vergangenen Woche nicht nur die BES-Aktie, sondern auch den Bankensektor allgemein belastet.

Versorger ziehen an

Die Titel der Deutschen Bank gaben dann auch ab: 1,1 Prozent. Bei der Commerzbank waren es 1,7 Prozent. Am Nachmittag drehten dann auch die bis dahin leicht positiv notierenden Eon und RWE ins Minus. Die Abgaben fielen aber vergleichsweise gering aus.

Daimler büßten dann schon etwas mehr ein: 0,8 Prozent. Die Titel des Autobauers stehen seit längerem unter Abgabedruck. Der Konzern legt in dieser Woche Zahlen vor.

Gerüchte dementiert

SAP gab bekannt, kein Interesse an einer Übernahme des Konkurrenten Software AG zu haben. Er sehe nicht, dass die Software AG ins Portfolio der SAP passe, sagte der neue SAP-Finanzvorstand Luka Mucic am Wochenende. Mucic dementierte damit klar immer wieder aufkommende Spekulationen am Markt über einen Zusammenschluss der beiden deutschen Unternehmen. Software AG hatte vor wenigen Tagen seine Jahresziele zusammenstreichen müssen. Die Aktie war daraufhin abgestürzt und hatte zeitweise 18 Prozent verloren. Während SAP nahezu unverändert schlossen, ging es für Software AG 1,5 Prozent nach unten.

Was liefert die Post?

Weiter unter Druck standen auch Post-Aktien. Der Kurs der Anteilsscheine gab um 1,5 Prozent nach. Es sei möglich, dass sich einige Anleger auf negative Nachrichten bei der Bekanntgabe der Quartalszahlen am 5. August vorbereiteten, hieß es am Markt. Die Erwartungen an das globale Wirtschaftswachstum seien seit Jahresbeginn kräftig nach unten revidiert worden, was auch für die Post zum Problem werden könnte.

Übernahmeziel Sky?

Im MDax standen Sky Deutschland im Fokus. Die Anteilsscheine des Bezahlsender verteuerten sich um mehr als 4,5 Prozent. Händler verweisen auf Medienberichte, die erneut eine mögliche Neusortierung der Fernsehaktivitäten des US-Medienmoguls Rupert Murdoch diskutieren. Demnach könnte die britische BSkyB die beiden Sender Sky Deutschland und Sky Italia zeitnah übernehmen.

Chemie stimmt

Die Aktien von Wacker Chemie verbesserten sich um 1,7 Prozent. Sie profitierten von einer Analystneinschätzung der Deutschen Bank. Sie nahmen die Titel im Vorfeld der anstehenden Quartalszahlen auf eine "Short Term Buying Plattform". Die Quartalszahlen werden am 1. August erwartet. Im Research stuft die Deutsche Bank Wacker Chemie laut Händlern mit "Hold" ein.

MTU profitiert von Auftragsboom

Der Triebwerksbauer MTU hat bei der weltweit wichtigsten Luftfahrtshow im britischen Farnborough Aufträge im Wert von 1,3 Milliarden Euro eingesammelt. Dabei handele es sich um einen Mix von Antrieben für Kurz-, Mittel- und Langstreckenflugzeuge. Der größte Anteil der Neubestellungen entfällt demnach auf Ausrüstung für die Boeing 777X, die vor allem von den arabischen Fluglinien Emirates und Qatar Airways bestellt wird. Die Titel gewannen gegen den allgemeinen Markttrend 0,2 Prozent.

Bechtle im Blick

Nicht besonders erfreut äußerten sich Händler über die geringe Kurserholung bei Bechtle nach guten Zahlen. Die Aktie gewann zwar 2,8 Prozent, "macht damit aber nur den Verlust vom Freitag wieder wett", sagt ein Händler. Dies sei daher als eher schwache Reaktion einzustufen. "Es könnte ein Zeichen sein, dass die Konsolidierungsphase der Aktie noch nicht zu Ende ist", so der Händler. Eine andere Möglichkeit sei, dass sich der Markt zurückhalte, weil man weiterhin nicht wisse, ob Bechtle den Zuschlag für den zum Verkauf stehenden IT-Dienstleister Fritz & Macziol erhält oder ob er an einen Konkurrenten geht. Das Vorsteuerergebnis war im zweiten Quartal um rund 60 Prozent gesprungen, der Umsatz um rund 16 Prozent.

Quelle: ntv.de, bad/mmo/DJ/dpa/rts

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