Marktberichte

270-Punkte-Minus im Tagestief Dax-Anleger gehen "Risk off"

"Kurz vor der Berichtsaison bekommen die Anleger erneut kalte Füße."

"Kurz vor der Berichtsaison bekommen die Anleger erneut kalte Füße."

(Foto: REUTERS)

Mit einem Kursrutsch wartet der Dienstagshandel am deutschen Aktienmarkt auf: Die Verunsicherung ist groß, auch an der Wall Street. Bei Auto- und Stahlwerten sprechen Börsianer von einem Ausverkauf. Der Dow schließt bei 17.600 Zählern.

"Risk off" heißt das Motto der deutschen Anleger am Dienstag. "Raus aus Aktien, denn die Verunsicherung ist groß", kommentierte n-tv-Börsenexpertin Corinna Wohlfeil. "Nach dem Fall durch die 9750 kam zusätzlicher Druck auf dem Markt", erläuterte ihr Kollege Frank Meyer.

Der Dax schloss 2,6 Prozent tiefer bei 9563 Punkten. Das Tagestief lag bei 9553 Zählern und war gleichzeitig ein Vierwochentief. Am Montag war er noch 0,3 Prozent gestiegen und mit 9822 Zählern aus dem Handel gegangen. Der MDax verabschiedete sich 1,9 Prozent schwächer aus dem Handel mit 19.883 Stellen. Der TecDax büßte 1,6 Prozent auf 1616 Punkte ein.

"Mit Beginn des zweiten Quartals und wieder kurz vor der Berichtsaison bekommen die Anleger erneut kalte Füße", kommentierte Händler Thorsten Engelmann von der Equinet Bank die Verluste. Der seit drei Tagen wieder fallende Ölpreis trage zur schlechten Stimmung bei. Innerhalb der letzten zehn Handelstage hatte er für ein Barrel mehr als 10 Prozent eingebüßt. Der Schwäche könne sich die Börse auf Dauer nicht entziehen, hieß es am Markt. Zudem sorgten deutliche Abgaben des Nikkei für zusätzlichen Druck.

Rohstoffe: Goldpreis zieht an

Der Ölpreis versuchte sich zu stabilisieren, am Ende gab er leicht nach. Der Fokus lag bereits auf den am Mittwoch anstehenden US-Lagerdaten. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete 37,61 Dollar. Das waren 0,2 Prozent weniger als am Montag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel 0,5 Prozent auf 35,76 Dollar.

Um der Ölschwemme Herr zu werden, brachte die Rohstoffmacht Russland erneut eine mögliche Begrenzung der Fördermenge ins Gespräch. Das Land will sich dabei mit wichtigen Opec-Staaten koordinieren. Bis zuletzt waren die Chancen auf eine Produktionskürzung allerdings gering.

Das wichtige Förderland Saudi-Arabien hat am Freitag vergangener Woche deutlich gemacht, seine Produktion nur herunterzufahren, falls der Iran und andere Förderer mitziehen würden. Der Iran hatte das aber zuvor vehement abgelehnt.

Die Schwäche am Aktienmarkt und auch die Verunsicherung durch das schwankungsanfällige Öl schoben den Goldpreis weiter nach oben. Der Preis für eine Feinunze des Edelmetalls legte dann auch deutlich zu. Gold kostet 1333 Dollar und damit etwa 1,3 Prozent mehr als noch zu Wochenbeginn.

Konjunktur: Industrie, Fed, Einkaufsmanager

Negativ wertete der Markt frische Zahlen zum Neugeschäft der deutschen Industrie. Die Firmen zogen im Februar 1,2 Prozent weniger Aufträge an Land als im Vormonat. Ökonomen hatten mit einem Anstieg von 0,2 Prozent gerechnet. "Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe entwickeln sich zu Jahresbeginn zurückhaltend", hieß es. "Hier spiegelt sich nicht zuletzt die gegenwärtig schleppende Entwicklung der globalen Wirtschaft wider."

Für Nervosität unter Investoren sorgten zudem Aussagen des US-Notenbankers Eric Rosengren. Er bezeichnete es als "überraschend", dass die Finanzmärkte bislang lediglich mit einer oder zwei Zinserhöhungen im laufenden Jahr rechneten. Diese Einschätzung könne sich als "zu pessimistisch" herausstellen.

Dax: Stahl und Autos

Bei den Einzelwerten im Leitindex blieb der Fokus der Anleger wie bereits zu Wochenbeginn auf den Autowerten und ThyssenKrupp. Der Stahlkonzern übernimmt alle derzeit von Vale gehaltenen Anteile und wird damit alleiniger Eigentümer des brasilianischen Stahlwerks CSA. Mit dem Ausstieg von Vale aus dem Gemeinschaftsunternehmen dürfte es für ThyssenKrupp leichter werden, einen Abnehmer zu finden. ThyssenKrupp gaben rund 4 Prozent ab.

Bei den Autowerten wirkten die schlechten US-Absatzzahlen nach. "Obwohl wir die Zahlen schon gestern zu unserer Handelszeit hatten, belastet uns diese negative Reaktion noch einmal", sagte ein Händler. Neu für den Markt sei, dass zum ersten Mal seit Monaten so scharf auf diese Daten reagiert worden sei. Das könnte ein Zeichen sein, dass fundamental orientierte Investoren mit einem Hoch im Erholungsmomentum der Branche rechnen und keine weiteren positiven Überraschungen erwarten. VW gaben 3,7Prozent ab. Daimler büßten ebenso wie BMW rund 3,4 Prozent ein.

Siemens vor Zukauf?

Siemens-Titel fielen 2,6 Prozent. Der Konzern soll Insidern zufolge Interesse an Energiesysteme-Sparte von Emerson Electric haben. Der US-Konzern will bis zu vier Milliarden Dollar für den Bereich haben, wie es hieß. Die Gespräche seien allerdings noch in einem frühen Stadium.

Schaeffler verloren 6,5 Prozent. Die Schaeffler Verwaltungs GmbH verkaufte 94,4 Millionen Vorzugsaktien der AG im Rahmen einer beschleunigten Platzierung. "Das Timing ist gut", sagte ein Händler. mit Blick auf die scharfe Markterholung in den vergangenen Wochen. Die Platzierung von Schaeffler-Vorzügen sei zudem positiv, da sie immer schon erwartet worden sei und wie ein kleines Damoklesschwert über der Aktie gehangen habe. "Damit wäre nun der Aktienüberhang abgebaut", so der Marktteilnehmer weiter.

USA: Wall Street wälzt neue Sorgen

An der Wall Street bestimmten wieder aufgeflammte Sorgen über die globale Konjunktur das Geschehen im Dienstagshandel. Der Dow-Jones-Index weitete seine moderaten Vortagesverluste aus und schloss 0,75 Prozent tiefer bei 17.603,32 Punkten. Dem Kursauftrieb der vergangenen Wochen scheint damit endgültig die Luft ausgegangen zu sein. Vor dem Wochenende hatte der US-Leitindex noch den höchsten Schlussstand seit Anfang Dezember erreicht.

Für den breit gefassten S&P-500-Index ging es am Dienstagabend (Ortszeit US-Ostküste) um 1,01 Prozent auf 2045,17 Punkte nach unten. Der Technologiewerte-Index Nasdaq 100 gab um 0,91 Prozent auf 4470,75 Punkte nach.

Auslöser für die neue Konjunkturskepsis waren Beobachtern zufolge Aussagen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dort sehen die Experten die weltweiten Konjunktur-Aussichten mit Sorge. "Die Erholung ist zu langsam, zu zerbrechlich, und die Risiken wachsen", sagte IWF-Chefin Christine Lagarde.

Auf Unternehmensseite rückten die Aktien des Pharmaunternehmens Allergan in den Vordergrund. Die geplante Mega-Fusion zwischen dem Botox-Hersteller und dem Branchenkollegen Pfizer könnte an strengeren Steuerauflagen in den USA scheitern. Der Allergan-Kurs brach um fast 15 Prozent ein. Pfizer-Anteilsscheine legten hingegen um mehr als 2 Prozent zu.

Die Aktien des Unterhaltungskonzerns Walt Disney verloren 1,7 Prozent. Der bislang als Favorit für die Nachfolge von Konzernchef Bob Iger gehandelte Spitzenmanager Thomas Staggs nimmt unerwartet seinen Hut und wird sein Amt als für das laufende Geschäft verantwortlicher Vorstand (COO) abgeben.

Der Elektroautobauer Tesla kann nicht mit der großen Nachfrage nach seinen Modellen Schritt halten. Das Unternehmen hatte sein Absatzziel im ersten Quartal verfehlt. Der Aktienkurs knüpfte dennoch an seine jüngste Rally an und stieg um 3,4 Prozent. Erst vergangene Woche hatte Tesla das auf den Massenmarkt gerichtete "Model 3" enthüllt, was dem Kurs kräftigen Rückenwind verliehen hatte.

Für die seit Monaten stark unter Druck stehenden Anteilsscheine des Pharmaunternehmens Valeant Pharmaceuticals ging es um rund 10 Prozent nach oben. Händlern zufolge wurden Unternehmensaussagen zur Überprüfung der Rechnungslegung des Konzerns positiv aufgenommen.

Die Aktien von Twitter hielten sich mit minus 0,2 Prozent vergleichsweise gut, nachdem sich der Kursnachrichtendienst die Online-Rechte für Donnerstagsspiele der American-Football-Liga NFL gesichert hatte.

Devisen: Euro unter 1,14

Der Euro gab zum Dollar leicht nach. Die Gemeinschaftswährung kostete am Abend 1,1369 Dollar. Das waren etwa 0,2 Prozent weniger als noch am Montagabend. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,1367 Dollar fest nach 1,1380 Dollar am Montagmittag.

Die weitere Abwertung des Dollar zum Yen schickte die Währung indes auf den tiefsten Stand seit Oktober 2014. Ein Händler einer japanischen Bank machte dafür spekulative Anleger der Eurozone verantwortlich, die den Yen in ihr Portfolio holten. Der Dollar kostete 110,46 Yen, nachdem er zeitweise auf bis zu 110,30 Yen abgewertet hat. Der Test der 110-Yen-Marke rücke näher, doch dürfte der Greenback nach unten durch Ängste über eine japanische Intervention abgesichert sein.

Asien: Schwacher Nikkei

Uneinheitlich präsentierten sich die Aktienmärkte in Ostasien. Für schlechte Stimmung und Verunsicherung sorgten zum einen die weiter fallenden Ölpreise, zum anderen die teils widersprüchlich klingenden Aussagen von US-Notenbankern zum potenziell nächsten Zinserhöhungstermin.

Der Nikkei-Index war der größte Verlierer. Er litt zusätzlich darunter, dass der Yen weiter aufwertet und somit die Exportchancen der Japaner verschlechtert. Er schloss 2,4 Prozent schwächer bei 15.733 Punkten. Es ist der niedrigste Stand seit acht Wochen. Gegen den Trend lag dagegen in China der Shanghai Composite  mehr als 1 Prozent höher.

Quelle: ntv.de, bad/DJ/rts/dpa

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