Marktberichte

Dow Jones fällt unter 200-Tagelinie Dax steht unter Brexit-Schock

Am Frankfurter Aktienmarkt geht es weiter abwärts.

Am Frankfurter Aktienmarkt geht es weiter abwärts.

(Foto: dpa)

Das Brexit-Votum steckt Anlegern tief in den Knochen. Aktienmärkte gehen auf Talfahrt, Investoren werfen vor allem Finanzwerte aus ihren Depots. Den abrutschenden Börsen in Europa folgt auch die Wall Street in die Tiefe.

Der Frankfurter Aktienmarkt ist mit Verlusten in die Woche gestartet. Händler führten das auf Unsicherheit über die politischen und wirtschaftlichen Folgen des Brexit-Votums zurück. "Die Entscheidung hat die Märkte auf dem falschen Fuß erwischt", sagte Fondsmanager Lex Van Dam von Hampstead Capital. "Es gibt zurzeit viele Gründe, auf der Seitenlinie stehen zu bleiben."

Nach einem anfänglichen Stabilisierungsversuch rutschte der Dax 3 Prozent auf 9286 Punkte ab, der MDax büßte 4,5 Prozent auf 18.920 Zähler ein. Auch für die Tech-Titel ging es unter dem Strich abwärts: Der TecDax verlor 4,1 Prozent auf 1520 Punkte.

Am Freitag hatte der deutsche Leitindex mit Verlusten von bis zu 10 Prozent auf das überraschende britische Votum gegen die EU-Mitgliedschaft reagiert und letztlich knapp 7 Prozent tiefer geschlossen. Aktienbörsen waren weltweit in die Tiefe gerauscht, weil die Briten in einem Referendum für den Ausstieg aus der Europäischen Union gestimmt hatten. "Angesichts der Abspaltungstendenzen in Großbritannien selbst und der Diskussionen um den Weg des Austritts sind die Marktteilnehmer verunsichert", sagte Dirk Gojny, Analyst der Essener Nationalbank. Die Lage werde undurchsichtig bleiben.

"Der Brexit verlängert die Baisse", sagte Commerzbank-Marktanalyst Achim Matzke mit Blick auf die europäischen Dividendentitel. Der Markt sei von der Entscheidung der Briten auf dem falschen Fuß erwischt worden und die Einarbeitung der neuen Situation benötige Zeit. "Für die deutsche Wirtschaft ist das britische 'Leave' ein erheblicher Schlag, denn Großbritannien ist einer der wichtigsten Handelspartner", so die DZ Bank.

US-Börse folgt Europa nach unten

Neuerliche Verluste hat die Wall Street zum Wochenstart verbucht, da der Schock über den Ausgang des britischen EU-Referendums auch in den USA noch nicht verdaut war. Die Verunsicherung der US-Anleger nahm noch etwas zu, als die Ratingagentur Standard & Poor's am frühen Abend europäischer Zeit Großbritannien die Bestnote entzog und die Bonität des Landes gleich um zwei Stufen auf AA herabsetzte.

Der Dow-Jones-Index verlor 1,5 Prozent auf 17.140 Punkte. Der S&P-500 gab 1,8 Prozent ab. Beide Indizes fielen am Montag unter ihre 200-Tagelinien. Der Nasdaq-Composite büßte 2,4 Prozent ein.

Der Markit-Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor der US-Wirtschaft vermochte keine Akzente zu setzen. Mit 51,3 Punkten verharrte er auf dem Vormonatsniveau.

Am Aktienmarkt standen vor allem die Bankenwerte erneut unter Druck, da die Branche als ein Hauptopfer der künftigen Hürden zwischen der EU und Großbritannien gesehen wird. Goldman Sachs gaben 1,7 Prozent nach, Bank of America fielen 6,3 Prozent und JP Morgan 3,3 Prozent.

Dagegen waren Goldminenwerte mit dem gestiegenen Goldpreis gesucht. Randgold Resources verteuerten sich um 5,7 Prozent.

Deutsche Bank tiefrot

Banken-Aktien gehörten zu den Titeln mit den kräftigsten Verlusten. Im Dax stürzten Deutsche Bank um 6,1 Prozent. Commerzbank fielen 5,2 Prozent.

Die Finanz-Titel hatten schon am Freitag kräftige Verluste hinnehmen müssen. Analysten gehen davon aus, dass durch den Brexit und die damit verbundenen Konjunkturrisiken die Zeit global niedriger Zinsen länger anhalten wird, was sich negativ auf die Erträge der Banken auswirkt. Händler nennen einen weiteren Grund für die fallenden Bank-Aktien: die Ungewissheit über den Finanzplatz London, an dem die Banken stark vertreten sind.

Der europäische Banken-Index, der am Freitag mit einem Minus von knapp 15 Prozent den größten Tagesverlust seiner Geschichte eingefahren hatte, fiel am Montag weiter. "Keiner weiß etwas mit dem Ergebnis des Brexit-Referendums anzufangen", sagte ein Börsianer. "Schließlich ist es schwer, zu beurteilen, was das für die Wirtschaft bedeutet. Es wird turbulent bleiben und eher abwärts gehen." Oder wie es Analyst Hiroko Iwaki vom Researchhaus Mizuho Securities ausdrückte: "Die Dinge sind derzeit so unsicher, dass Investoren keine Ahnung haben, wie viel ihrer riskanten Anlagen sie noch verkaufen müssen."

Lufthansa verlieren kräftig

Zu den größten Verlierern gehörten auch Airline-Aktien. Lufhansa verbilligten sich um 8,2 Prozent und Air Berlin um 5,5 Prozent. Härter traf es Easyjet, nachdem der britische Billigflieger seine Prognosen gesenkt und wegen der Verunsicherung im Zusammenhang mit dem Brexit für die kommenden Monate einen weiteren Umsatzrückgang vorausgesagt hatte. Die Easyjet-Titel tendieren im Verlauf rund 22 Prozent im Minus.

Ab sofort dürften auf der Insel wegen des schwächeren Pfunds und der wirtschaftlichen Unsicherheiten weniger Leute ins Flugzeug steigen, so die Analysten der Bank HSBC. Zudem müssen sich britische Airlines langfristig um den Zugang zum europäischen Markt sorgen.

Marktanalyst Heino Ruland vom Brokerhaus ICF warnte davor, die aktuellen Kursverluste überzubewerten. "Da ist viel Psychologie im Spiel." Sobald sich herausstelle, dass die Belastungen durch den Brexit geringer ausfielen als befürchtet, könne mit einer Erholung der Kurse gerechnet werden.

Anleger setzen derzeit europaweit auf defensive Werte. So führten Vonovia mit einem Plus von 2,9 Prozent die kleine Gewinnerliste im Dax an. Henkel verteuerten sich um 1 Prozent. "Es sind nur diese Käufe, die den Gesamtmarkt stützen", sagt ein Händler: "Ansonsten wären alle Indizes schon längst weiter nach unten durchgebrochen."

Die Aktie von K+S brach um über 12 Prozent ein. Für Erschrecken sorgte eine Gewinnwarnung des MDax-Unternehmens. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern sank im zweiten Quartal nach vorläufigen Zahlen auf nur noch rund 10 Millionen Euro, teilte das Management mit. Vor einem Jahr hatte es noch bei rund 179 Millionen Euro gelegen.

Pfund verliert

Die Entscheidung der Briten für den Brexit setzte dem Pfund Sterling erneut zu. Die britische Währung fiel noch unter den Stand vom Freitag direkt nach dem Brexit-Votum. Das Pfund kostete 1,3222 US-Dollar und damit so wenig wie seit über 30 Jahren nicht mehr. Am Freitag hatte das Pfund nach dem Ja der Briten zum Austritt aus der Europäischen Union mehr als 11 Prozent an Wert verloren und war bis auf 1,3229 Dollar gefallen.

In diesem Sog trennten sich Anleger auch vom Euro, der sich um mehr als einen halben US-Cent auf 1,1036 Dollar verbilligte.

Der britische Finanzminister George Osborne rechnet nach dem Brexit-Votum mit anhaltenden Turbulenzen an den Finanzmärkten. Sein Land könne die schwierige Herausforderung aber meistern, sagte der konservative Politiker. "Unsere Wirtschaft ist so stark wie nötig, um sich der Herausforderung zu stellen, die auf unser Land jetzt zukommt." Die Regierung in London habe Maßnahmen vorbereitet, um damit fertig zu werden.

Rohstoffe: Öl etwas billiger, Gold teurer

Der Ölmarkt leidet ebenfalls unter dem Brexit-Votum. Nach einem Absturz um fast 7 Prozent am Freitag ging es für die Referenzsorte WTI nochmals um 1,8 Prozent auf 46,79 Dollar je Barrel abwärts. Viele Analysten gehen aber davon aus, dass der Ölmarkt fundamental stark ist und die Verluste sich daher in Grenzen halten dürften. Für Belastung sorgte zudem, dass der US-Dollar, in dem der Rohölhandel abgerechnet wird, als Weltreservewährung stark zulegte.

Gesucht ist dagegen Gold, das mit 1328 Dollar je Feinunze wieder der 1350er Marke entgegenstrebt. Gold gilt unter Investoren als sicherer Hafen. Analysten erwarten deshalb einen weiteren Preisanstieg. "In den nächsten ein oder zwei Wochen könnte Gold auf bis zu 1400 Dollar klettern", sagt Rohstoff-Spezialist Daniel Hynes von der Australia and New Zealand Banking Group (ANZ).

Auch Bundesanleihen sind unter Sicherheitsaspekten weiter gefragt. Die Rendite der zehnjährigen Papiere liegt bei minus 0,108 Prozent.

Fernost: Japans Nikkei legt zu

Die Börsen in Asien und Australien starteten unterschiedlich in die neue Handelswoche, nachdem die US-Börsen am Freitag deutlich schwächer geschlossen hatten. Allerdings legte die Tokioter Börse gegen den Trend zu.

Der 225 Werte umfassende Nikkei-Index gewann 2,4 Prozent und schloss bei 15.309 Punkten. Nach der Brexit-Entscheidung hatte Japans Leitindex am Freitag fast 8 Prozent verloren. Der breiter gefasste Topix-Index notierte mit 1226 Zählern 1,8 Prozent im Plus.

Auch in Sydney und in Shanghai erholen sich die Aktienkurse, wenn auch nicht so stark. Dass die chinesische Notenbank den Kurs des Yuan so stark gesenkt hat wie zuletzt im August, nämlich um 0,9 Prozent, kann die Erholung nicht bremsen. Hintergrund ist die starke Aufwertung des Dollar gegenüber vielen Währungen am Freitag. Wie der Yen war auch der Dollar angesichts der Entwicklung in Großbritannien als sicherer Hafen gesucht gewesen.

Für etwas Beruhigung in China sorgen Aussagen von Ministerpräsident Li Keqian. Er äußerte sich zuversichtlich, dass China trotz der neuesten globalen Unsicherheiten das avisierte Wachstumsziel in diesem Jahr erreichen wird. Auf dem World Economic Forum sagte Li außerdem, sein Land habe genügend Mittel, um mit den Herausforderungen klarzukommen.

In Hongkong geht es zwar weiter abwärts, dort verringerten sich die Verluste aber im Tagesverlauf zumindest auf 0,7 Prozent, ebenso in Seoul. Händler rechnen in den nächsten Tagen mit weiter volatilen Marktbewegungen angesichts der Entwicklung zwischen Großbritannien und der Eurozone, wo es offenbar Differenzen darüber gibt, wie schnell die Briten offiziell den Antrag stellen sollen, dass sie die EU verlassen wollen. Während es die EU-Außenminister damit sehr eilig haben, kommen aus London, aber auch beispielsweise von der deutschen Kanzlerin dazu andere Signale.

Quelle: ntv.de, jga/wne/DJ/rts/dpa

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