Marktberichte

Yellen-Effekt überdeckt VW-Skandal Dax erholt sich - Wall Street zaghaft

Die Woche des 1 des großen VW-Skandals endet versöhnlich: Der Dax gewinnt fast drei Prozent (Archivbild).

Die Woche des 1 des großen VW-Skandals endet versöhnlich: Der Dax gewinnt fast drei Prozent (Archivbild).

(Foto: dpa)

Starke Erholung am deutschen Aktienmarkt: Der letzte Handelstag der Woche hält für Anleger eine unerwartete Aufwärtsbewegung bereit. Die Konjunktursorgen verfliegen, die Masse der Schwergewichte holt deutlich auf. Nur RWE und die VW-Aktie scheren aus.

Freundlicher Aufwärtstrend an der Frankfurter Börse: Der deutsche Leitindex hat den Freitagshandel mit teils kräftigen Kursgewinnen beendet. Der Dax beendete den Tag 2,8 Prozent im Plus bei 9689 Punkten. Im Nebenwerteindex MDax verabschiedeten sich die Händler mit einem Aufschlag von 2,6 Prozent auf 19.301 Zähler ins Wochenende. Der Technologiewerteindex TecDax gewann 3,1 Prozent auf 1739 Punkte.

Die Stimmung unter den Anlegern hat sich insbesondere im Vergleich zum Vortag deutlich verbessert. Die Fed-Signale vom Vorabend hätten zusammen mit den freundlichen Konjunkturdaten aus den USA für zusätzlichen Rückenwind gesorgt, hieß es.

An der Wall Street haben ein neuerlicher Ausverkauf bei Biotechnologiewerten und Furcht vor einem Wiederaufflammen des Haushaltsstreits in den USA einen versöhnlichen Wochenausklang an den US-Börsen verhindert. Zunächst sah es so aus, als ob ausgerechnet die Spekulation auf bald steigende Leitzinsen die Zuversicht der Investoren stärken würde. Dann kündigte jedoch der Vorsitzende des Repräsentantenhauses der USA, John Boehner, seinen Rücktritt an, was bei vielen Marktteilnehmern Unbehagen auslöste. Sein Rücktritt dürfte den Haushaltsstreit in den USA komplizierter machen, so die Befürchtung.

Im späten Handel setzten daher Gewinnmitnahmen ein. Der Dow-Jones-Index schloss mit einem Plus von 0,7 Prozent bei 16.315 Punkten. Der S&P-500 sank um 0,1 Prozent. Der Nasdaq Composite wurde erneut von überdurchschnittlich hohen Verlusten des Biotechnologiesektors belastet und verlor 1 Prozent. Für den Nasdaq-Biotechnology-Index ging es um 5,1 Prozent abwärts.

Volkswagen stand am Tag der Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg gesondert unter Beobachtung: Nach Bekanntgabe neuer Erkenntnisse zum Ausmaß der Manipulationen scherte die VW-Aktie aus ihrer Erholungsbewegung aus und fiel ins Minus zurück. Wie Bundesverkehrsminister Dobrindt feststellte, sind bei Volkswagen nicht nur Pkw, sondern auch leichte Nutzfahrzeuge vom Emissionsskandal betroffen. Die VW-Aktie beendete den regulären Handel mit einem Tagesverlust von 4,3 Prozent auf 107,30 Euro. Damit sind die im Dax notierten Vorzugspapiere nur noch wenige Meter von der symbolisch bedeutsamen 100-Euro-Marke entfernt.

Die VW-Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg war bis zum Handelsschluss an den europäischen Börsen noch nicht beendet: Als möglicher Nachfolger für den zurückgetretenen VW-Chef Martin Winterkorn wird der bisherige Porsche-Chef Matthias Müller gehandelt. Die Personalie ist von erheblichem Gewicht: Der neue Mann an der Spitze von VW muss Europas größten Autobauer aus einer seiner bislang gefährlichsten Krisen steuern. Tausende Arbeitsplätze und das Wohl der gesamten Region rund um die zahlreichen Volkswagen-Werke hängen von seinen Fähigkeiten und wohl auch seinem Fingerspitzengefühl ab. Erwartet wird, dass der VW-Aufsichtsrat zudem weitere Rücktritte angesichts des Abgas-Skandals bekanntgibt.

Der Wirbel um die strengen Abgasvorschriften in den USA weckt unterdessen mehr und mehr Zweifel. "Offensichtlich spielt die Manipulation einigen Akteuren in den USA in die Karten und deshalb spielt man mit harten Bandagen", erklärte Daniel Saurenz von Feingold Research. Der Aktienexperte erinnerte an das strenge Vorgehen der US-Behörden bei Toyota. Fraglich sei, ob das für Anleger in Deutschland als Begründung ausreiche, sich von VW-Aktien zu trennen. "Private Investoren sollten sich von der Hysterie nicht anstecken lassen", rät Saurenz.

Das Chance-Risiko-Verhältnis sei Dax nach wie vor gut. "Restrisiken sind vorhanden, doch die kommen weniger von VW, BMW und Co. als vielmehr von der noch immer hohen Kursbewertung in den USA und der Unsicherheit der US-Notenbank", betont Saurenz. "Im Kursverfall der Autobauer dagegen steckt viel sprichwörtlich heiße Luft über die sich die US-Firmen totlachen dürften."

Yellen-Effekt an der Börse

Bei der Suche nach dem Auslöser für die neu gewonnene Zuversicht am deutschen Aktienmarkt verwiesen Beobachter auf die Signale zum weiteren Kurs der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) vom Vorabend: Fed-Chefin Janet Yellen hatte bei einer Rede von "soliden" Aussichten für die US-Konjunktur gesprochen.

Yellens Worte drängten die am Vortag aufgeflammten Konjunkturängste in den Hintergrund. Dazu kam die breite Erholungsbewegung im Automobilsektor. Nach den Kursverlusten der vergangenen Tage nutzten Anleger die Gelegenheit zum Wiedereinstieg: Am Vortag hatte der Dax 1,9 Prozent tiefer bei 9427,64 Punkten geschlossen.

Blick auf die Einzelwerte

Die Gespräche am Börsenparkett kreisten jedoch weiterhin um das Diesel-Desaster und die Folgen für die deutsche Autoindustrie. An der Spitze im Leitindex ging am Abend Infineon aus dem Handel: Die Aktien des Chipherstellers, der unter anderem auch die Autohersteller beliefert, verteuerten sich um 4,6 Prozent.

Weit oben auf der Gewinnerliste tauchten vor dem Wochenende auch BMW auf. Die Aktien des Münchner Autobauers waren am Vortag nach vagen Gerüchten um auffällige Abgaswerte massiv unter Druck geraten. Am Tag danach rückten die BMW-Anleger offenbar ihre Positionierungen gerade: Der BMW-Kurs zog um 4,2 Prozent an auf 78,89 Euro. Analysten sehen das Kursziel für die BMW-Aktie mittelfristig bei 85 bis 118 Euro.

Auch in Frankreich kletterten die Aktien der großen Autohersteller teils deutlich: Renault gewannen 2,2 Prozent, bei Peugeot stieg der Kurs um 0,7 Prozent. Europaweit erholte sich der Automobilsektor - gemessen am Branchenindex - um 2,5 Prozent.

Der Dax notierte streckenweise geschlossen im Plus: Überraschend stark aufwärts ging es vor allem für Titel wie Telekom, Daimler, Adidas, K+S, Post und Continental. Hier lagen die Kursgewinne zwischen 3,5 und 4,4 Prozent. Die gemischte Zusammensetzung der Gewinnerliste deutete darauf hin, dass Anleger sowohl die Angst vor einer Ausweitung des Abgas-Skandals als auch die im Hintergrund schwelenden Sorgen um eine Abschwächung der Weltkonjunktur überwunden haben - und generell in den Aktienmarkt zurückkehrten.

BMW
BMW 105,85

Die Aktien von Adidas profitierten von den guten Nike-Vorgaben und gewannen 4,1 Prozent auf 71,38 Euro. "Dass Nike gerade auf dem schwierigen Absatzmarkt China positiv überrascht hat, dürfte aber auch Adidas zugute kommen", vermutete ein Händler. Analysten sehen das mittelfristige Kursziel der Adidas-Aktie in einer Spanne zwischen 90 und 97 Euro.

Niedrige Zinsen, ein niedriger Euro sowie die Liquidität der Notenbanken sprächen weiterhin für ein gutes Aktienumfeld, kommentierte ein Marktbeobachter die allgemeine Lage im Leitindex. "Die aktuellen Wirtschaftsdaten rechtfertigen bisher nicht, dass der deutsche Aktienmarkt seit seinem Jahreshoch nahezu ein Viertel an Wert eingebüßt hat." Auch wenn das Rekordhoch bei 12.390 Punkten erst einmal außerhalb der Reichweite liege, hieß es aus dem Handel, habe der Dax momentan noch reichlich "Erholungspotenzial".

Einzige Verlierertitel im Leitindex waren neben VW die Aktien von RWE: Die Anteilsscheine des Energiekonzerns brachen ihren Aufstieg am Nachmittag ebenfalls ab und fielen bis zum Handelsschluss um knapp 1,1 Prozent zurück auf 9,60 Euro.

Im SDax ging es für die Ströer-Aktie nach einer Kaufempfehlung durch Jefferies um 4,2 Prozent nach oben. Trotz der starken Kursentwicklung in diesem Jahr sahen die Analysten noch viel Aufwärtspotenzial. Ströer baue die Margen weiter aus, hieß es.

Starke Daten aus Übersee

Am Nachmittag setzten Konjunkturdaten aus den USA neue Akzente: Bei der endültigen Berechnung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das zweite Quartal korrigierten die Statistiker ihre bisherige Schätzung von 3,7 Prozent auf ein Wachstum von 3,9 Prozent nach oben. Analysten hatten beim US-BIP eine Bestätigung der Zweitlesung von 3,7 Prozent erwartet.

Einen leichten Dämpfer erhielt die neue Konjunkturzuversicht vom Markit-Einkaufsmanagerindex zur Lage bei den US-Dienstleistern im September. Das Stimmungsbarometer trübte sich auf Monatssicht leicht ein.

Eine gute halbe Stunde nach Handelsstart folgte noch die zweite Umfrage zur Verbraucherstimmung der Universität Michigan. Hier wiederum blicken Analysten mit einem Stand von 87,2 auf eine deutliche Aufhellung. Bei der ersten Umfrage Mitte des Monats lag der Wert bei 85,7, Ende des Vormonats bei 91,9 Punkten. Erwartet hatten die im Vorfeld befragten Ökonomen nur einen September-Stand von 86,4 Punkten.

Die US-Verbraucher spielen eine Schlüsselrolle für die US-Wirtschaft, weil den gängigen Schätzungen zufolge rund 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der USA vom Privatkonsum abhängen. Die Inflationserwartung der Konsumenten sank auf Sicht von zwölf Monaten von 2,9 auf 2,8 Prozent. Auf Sicht von fünf bis zehn Jahren gaben die Inflationserwartungen von 2,8 auf 2,7 Prozent nach.

USA: Wall Street startet freundlich

Am US-Aktienmarkt zogen Nike um 8,9 Prozent an. Händler lobten die überraschend deutlich ausgefallene Umsatzssteigerung im ersten Geschäftsquartal. Vor allem das Geschäft in China läuft offenbar gut, der Nettogewinn kletterte stärker als erwartet. Apple sanken um 0,2 Prozent, der Technologiegigant hat am Freitag mit der Auslieferung der neuen iPhone-6-Modelle begonnen. Analysten beäugen den Verkaufsstart daher sehr genau.

Für Jabil Circuits ging es gar um 12,2 Prozent aufwärts. Der Apple-Zulieferer hat im abgelaufenen Quartal schwarze Zahlen geschrieben und zudem starke Ergebnisse für das laufende Quartal in Aussicht gestellt. Bed Bath & Beyond legten um 0,8 Prozent zu. Die Einrichtungskette hat beim Umsatz schwächere Zahlen gemeldet und zudem weniger verdient, den Ausblick aber bestätigt.

Die Aktien des Sorgenkindes Blackberry fielen um 7,7 Prozent. Der Hersteller mobiler Kommunikationsgeräte hat im zweiten Geschäftsquartal die Markterwartungen erneut enttäuscht. Die geplante Einführung eines neuen Android-Gerätes besänftigt Anleger nicht.

Im Biotechnologiesektor fielen Regeneron mit einem Minus von 5,9 Prozent auf. Celgene büßten 4,8 Prozent ein. Die Aktien des Krankenversicherers UnitedHealth verbilligten sich im Dow um 3,9 Prozent.

Asien: Fed belastet, Abe macht Hoffnung

Nikkei
Nikkei 37.068,35

Die Aktienmärkte in Fernost haben zum Wochenausklang keine gemeinsame Richtung gefunden. Während die Börse in Tokio fester schloss, verabschiedete sich der Markt in Shanghai mit Verlusten. Geprägt war der Handel am Freitag von Spekulationen über den Zeitpunkt der erwarteten US-Zinswende.

Auslöser des Wirbels war auch die Wortmeldung von Fed-Chefin Yellen, wonach noch für dieses Jahr mit der ersten Zinserhöhung seit fast zehn Jahren zu rechnen ist. Schwache japanische Inflationsdaten ließen Investoren zugleich auf weitere Konjunkturmaßnahmen der Tokioter Regierung hoffen. Finanz- und Immobilienwerte waren gefragt. Auch Aktien japanischer Autobauer wurden gekauft, obwohl Experten noch über die langfristigen Auswirkungen des VW-Skandals auf die Konkurrenz rätseln.

Die Börse in Shanghai ging 1,6 Prozent schwächer aus dem Handel, während der Hang Seng in Hongkong 0,9 Prozent im Plus lag. Der MSCI-Index für asiatische Aktien außerhalb Japans trat auf der Stelle.

Toyota Motor
Toyota Motor 21,23

Der Tokioter Leitindex Nikkei mit seinen 225 führenden Werten schloss dagegen 1,8 Prozent höher bei 17.880 Punkten. Japans Regierung senkt ihre Konjunkturprognose, wie aus dem Monatsbericht des Kabinetts hervorging. Der Pessimismus basiert nicht zuletzt auf der Erwartung, dass es durch die wirtschaftliche Abkühlung in China sowie durch die bevorstehende Zinswende in den USA zu Rückschlägen kommen könnte.

Der Roboter-Hersteller Fanuc, der viele Fabriken in der Volksrepublik mit Maschinen ausrüstet, büßte 1,3 Prozent an Wert ein. Der Elektronikkonzern Sharp wurde mit einem Abschlag von fast sechs Prozent gehandelt, nachdem die Zeitung "Nikkei" über eine Ausweitung des operativen Verlusts bei Sharp berichtet hatte.

Die Papiere des VW-Erzrivalen Toyota gewannen 1,3 Prozent, Honda-Aktien legten 0,5 Prozent zu. Die Affäre um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen der Wolfsburger setzt VW schwer zu. Ob die japanische Konkurrenz davon langfristig profitiert, ist aber ungewiss. Schließlich könnten höhere Kosten für künftig strengere Abgasauflagen auch bei den Japanern zu Buche schlagen, so Experten.

Rohstoffe: Öl legt zu

Rohöl (Brent)
Rohöl (Brent) 87,39

Die verbesserten Konjunkturaussichten in den USA trieben die Ölpreise an. Das Fass US-Leichtöl der Sorte WTI verteuerte sich um 1,8 Prozent auf 45,70 US-Dollar. Der Preis für die europäische Sorte Brent erhöhte sich um 0,9 Prozent auf 48,60 Dollar. Fed-Chefin Janet Yellen habe die Konjunkturrisiken hinsichtlich der Wachstumsverlangsamung in China heruntergespielt, hieß es im Handel.

Überdies meldete der Ölfeldausrüster Baker Hughes, der wöchentlich Daten zur Zahl der Ölförderanlagen in den USA veröffentlicht, einen neuerlichen Rückgang der in Betrieb befindlichen Bohrlöcher. Verglichen mit den Hochzeiten der US-Ölförderung im Oktober vergangenen Jahres ist die Zahl der aktiven Anlagen um 60 Prozent zurückgegangen.

Devisen: Euro verliert

Euro / US-Dollar
Euro / US-Dollar 1,07

Der Kurs des Euro gibt vor dem Wochenende nach. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,1151 US-Dollar fest. Der Dollar kostet damit 0,8968 Euro. Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,73475 britische Pfund, 134,92 japanische Yen und 1,0922 Schweizer Franken fest.

Belastet wurde die Gemeinschaftswährung durch die Äußerungen der Fed-Chefin Yellen. Sie stellte am späten Donnerstagabend eine erste Zinsanhebung nach der Finanzkrise für dieses Jahr in Aussicht. Der Dollar legte daraufhin auf breiter Front zu.

Ebenfalls in der Gunst der Investoren verlor Gold. Die Feinunze verbilligte sich um 0,7 Prozent auf 1.145,60 Dollar. Neben der Dollarstärke verlor das Edelmetall, das keine Zinsen abwirft, auch wegen der von der Fed unterstellten rosigeren Konjunkturaussichten an Glanz. Allerdings verwiesen Marktbeobachter auf eine saisonal anziehende Nachfrage nach physischem Gold aus China. "Dort steht die Zeit des Jahres bevor, in der die Nachfrage gewöhnlich am höchsten ist", hieß es bei der Commerzbank. Kurzfristig könnten die Preise daher anziehen.

Quelle: ntv.de, mmo/mbo/DJ/dpa/rts

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