Marktberichte

Ukraine-Krise flammt wieder auf Dax schließt tief verunsichert

Bis zum späten Nachmittag sah es noch gut aus: Der Dax im Freitagshandel.

Bis zum späten Nachmittag sah es noch gut aus: Der Dax im Freitagshandel.

(Foto: REUTERS)

Schlagartig ist es vorbei mit der Zuversicht am Aktienmarkt: Der deutsche Leitindex stürzt mit den ersten Meldungen über einen Angriff ukrainischer Truppen auf einen russischen Konvoi ins Minus. Börsianer befürchten das Schlimmste.

Die Aussichten auf eine militärische Eskalation im Osten der Ukraine haben dem deutschen Aktienmarkt eine heftige Trendwende aufgezwungen. Eine gute halbe Stunde vor Handelsschluss sackten die Kurse im Frankfurter Handel in einer jähen Bewegung um mehr als 150 Punkte ab.

Der deutsche Leitindex Dax geht mit einem Abschlag von 1,44 Prozent bei 9092,60 Punkten aus dem Handel. Zuvor hatte das Börsenbarometer zeitweise knapp 1 Prozent fester notiert. Das vor dem Kursrutsch markierte Tageshoch im Dax liegt bei 9324,67 Zählern und damit weit deutlich der 9300er Marke. Das Tagestief aus dem späten Verlauf befindet sich mit 9067,58 Punkten fast 257 Zähler darunter. Auf Wochensicht blieb dem Dax ein Plus von 0,92 Prozent - zeitweise hatte er im Handelsverlauf einen Wochenplus von 3 Prozent angesteuert. Der MDax beendete den letzten Handelstag der Woche dagegen 0,46 Prozent im Minus bei 15.674 Punkten. Der TecDax schloss 1,29 Prozent im Minus bei 1188 Punkten.

Der Auslöser für den abrupten Vorzeichenwechsel im Dax liegt auf der Hand: Ukrainische Truppen haben eigenen Angaben zufolge am Nachmittag das Feuer auf eine russische Fahrzeugkolonne eröffnet, die mit Militärmaterial auf ukrainischen Boden vorgedrungen sein soll. Die ersten Meldungen erreichten den deutschen Aktienhandel gegen 17.00 Uhr und damit eine halbe Stunde vor Xetra-Schluss.

"Unsicherheit plötzlich zurück"

Teile des Konvois mit gepanzerten Fahrzeugen seien zerstört worden, sagte ein Sprecher der ukrainischen Armee. Offensichtlich handelt es sich bei dem angegriffenen Konvoi nicht um die umstrittenen Hilfslieferungen Russlands für die belagerten Separatistenhochburgen.

Der rasante Kurssturz am Nachmittag zeige, wie fragil die jüngste Erholung sei, hieß es am Markt. Händler Andreas Lipkow von Kliegel & Hafner sagte: "Die politische Unsicherheit ist plötzlich zurück."
Kritisch beurteilte Analyst Andreas Hürkamp von der Commerzbank die Perspektiven für den Dax. So würden in den kommenden Wochen mehr und mehr Firmen - wie zuletzt bei Adidas und Henkel - angesichts der Ukraine-Krise auf ein schwächeres Russlandgeschäft hinweisen. Vor diesem Hintergrund dürfte der Dax noch einige Zeit unter Druck bleiben.

Börsianer reagierten umgehend auf die Zuspitzung der Lage und die Aussicht auf eine größere militärische Auseinandersetzung. Zu den größten Verlierern im Dax zählen Titel wie Daimler, BMW, Bayer und Fresenius mit Kursabschlägen von jeweils deutlich mehr als 2 Prozent.

Von den 30 Indexmitgliedern im Dax konnten sich am Abend nur Lufthansa prozentual unverändert bei 12,66 Euro und RWE mit einem schmalen Kursgewinn von 0,5 Prozent auf 28,83 Euro außerhalb der Verlustzone halten. Die übrigen Dax-Titel fielen ins Minus.

Teilweise drückten Analystenkommentare zu den Geschäftsaussichten einzelner Unternehmen zusätzlich auf die Kurse: ThyssenKrupp verbilligten sich um 2,4 Prozent. K+S gaben 2,6 Prozent ab. Merck verloren als schwächster Dax-Wert um 2,9 Prozent auf glatte 63,00 Euro.

Nordex liefert Verkaufsargumente

Nordex bauten die Verluste am Nachmittag aus und schlossen am Abend mit einem Abschlag von 13,5 Prozent. Im Handel wurde auf den Geschäftsbericht verwiesen, der in einigen Punkten die Anleger enttäuscht habe.

Die Ebit-Marge liege am unteren Ende der Erwartungen und deutlich unter der im ersten Quartal erzielten Schwelle, sagte ein Händler mit Verweis auf seinen Hausanalysten. Daneben dürfte die Umstellung der Produktion auf die neue Delta-Generation kurzfristig eine Belastung der Umsätze und Ergebnisse zur Folge haben.

Kursdebakel bei SKW

SKW-Stahl erlitten einen außergewöhnlich heftigen Kurseinbruch. Auslöser war die Meldung, dass außerordentliche Wertberichtigungen in Höhe von 84 Millionen Euro anstehen. "Dem Unternehmen droht die Überschuldung", meinte ein Händler. Zum Handelsschluss notierte die SKW-Aktie 51,4 Prozent im Minus bei 3,50 Euro.

Schwachen Wirtschaftsdaten aus Deutschland und Frankreich vom Vortages hatten den frühen Handel belastet. "Wir können nicht ausschließen, dass die Daten den Beginn eines längeren Abschwungs eingeleitet haben und keinen kurzen Rücksetzer", hieß es zum Beispiel von Riccardo Barbieri, Chefvolkswirt bei Mizuho. Die Volkswirte der BNP-Paribas bezeichnen die Daten als ein "Doppelautsch", da Frankreich und Deutschland für die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung der Eurozone stünden.

Am Nachmittag wurden in den USA etliche Konjunkturdaten veröffentlicht: der Empire State Index, die Erzeugerpreise und die Industrieproduktion. Dabei gab es Licht und Schatten - aber vor allem die Verbraucherstimmung enttäuschte und sorgte auch bei den deutschen Anlegern für Gewinnmitnahmen.

Schwache Konjunkturdaten schürten zuletzt Hoffnungen, dass die Notenbanker die Geldschleusen weit offen lassen und damit die Konjunktur stützen. Auch in der neuen Woche dürften Spekulationen um die Ausrichtung der Geldpolitik die Kapitalmärkte maßgeblich beeinflussen, schrieb Analystin Claudia Wendt von der Landesbank Helaba.

Von kommenden Donnerstag an findet in dem entlegenen Ort Jackson Hole in den Bergen Wyomings das traditionelle Wirtschaftssymposium statt, auf dem neben der Chefin der US-Notenbank (Fed), Janet Yellen, am Donnerstag und EZB-Präsident Mario Draghi am Freitag noch die Notenbankgouverneure der Bank of Japan, der Bank of England und der brasilianischen Notenbank sprechen.

Die Rendite von Bundesanleihen fiel mit Wiederaufflammen der Ukraine-Krise auf eines neues Allzeittief von 0,964 Prozent. Die Rolle als sicherer Hafen in unruhigen Zeiten wie auch die latente Erwartung eines QE-Programms in der Eurozone seien dem deutschen Anleihemarkt zuträglich, hieß es.

Der Preis für Gold stieg bis Börsenschluss auf 1306 Dollar je Feinunze. Zuvor war das Edelmetall wegen der verbesserten Stimmung der Börsianer sowie den vorherigen Entspannungssignalen aus Moskau unter die Marke von 1300 Dollar gefallen.

Am Devisenmarkt erholte sich der Euro leicht auf 1,3390 Dollar. Die zuletzt schwachen Konjunkturdaten aus Europa sowie die latente QE-Fantasie verhindern nachhaltige Erholungen der Einheitswährung. Der als sicherer Hafen geltende Yen legte mit der Verschärfung der Ukrainekrise zu, so dass der Dollar auf 102,22 Yen fiel nach 102,63 Yen zuvor.

Quelle: ntv.de, mmo/bad/kst/DJ/dpa/rts

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