Marktberichte

Extremer WM-Effekt Dax fällt ins Minus

Der Dax am "Independence Day": Die Aufmerksamkeit der Anleger richtet sich nach Brasilien.

Der Dax am "Independence Day": Die Aufmerksamkeit der Anleger richtet sich nach Brasilien.

(Foto: REUTERS)

Einen solchen Handelstag haben selbst altgediente Börsenhasen noch nicht oft erlebt: Im Schatten eines sportlichen Großereignisses kommt das Börsengeschehen in Frankfurt fast komplett zum Erliegen. Kurz vor dem Spiel rutschen die Kurse.

Ausnahmezustand am deutschen Aktienmarkt: Kurz vor dem ersten Viertelfinalspiel der Fußball-WM in Brasilien haben die deutschen Börsenbarometer die Handelswoche mit Verlusten beendet. Marktbeobachter sprachen von einem außergewöhnlich impulsarmen Börsentag: Marktbewegende Daten standen nicht zu Veröffentlichung an. Und aufgrund eines Feiertags in den USA ("Independence Day") blieben richtungsweisende Signale aus New York aus.

Der deutsche Leitindex Dax beendete den Handelstag mit einem Abschlag von 0,20 Prozent auf 10.009,08 Punkte und konnte damit die am Donnerstag wieder überwundene, psychologisch bedeutsame Marke von 10.000 Zählern nur knapp verteidigen. Auf Wochensicht erreichte der Dax ein Plus von fast 2 Prozent. Am Vortag hatten ein guter US-Arbeitsmarktbericht und die Festlegung der Europäischen Zentralbank auf anhaltend niedrige Zinsen dem deutschen Leitindex den höchsten Schlussstand seiner Geschichte beschert. Eine neue zwischenzeitliche Rekordmarke blieb Anlegern im Dax allerdings verwehrt. Der MDax verlor 0,15 Prozent auf 16.888,92 Punkte. Der TecDax wich um 0,25 Prozent zurück auf 1329,62 Punkte.

Der Eurostoxx50 fiel um 0,59 Prozent auf 3270,47 Punkte. Der Cac-40-Index in Paris gab ebenfalls nach, während sich der Londoner FTSE 100 kaum verändert zeigte.

"Nach dem starken Anstieg von gestern ist erst einmal die Luft raus am Allzeithoch", sagte Kornelius Barczynski, Marktanalyst beim Brokerhaus GKFX. Insgesamt sei für den Dax der Weg aber frei zu neuen Rekordständen. Helaba-Analyst Christian Schmidt fand es bemerkenswert, dass die zuletzt belastenden Krisen im Irak und in der Ukraine zunehmend ausgeblendet würden.

Erste-Anleger müssen bluten

Auf der Ebene der Einzelwerte standen Finanzwerte vor dem Wochenende gesondert im Blickfeld: Im europäischen Bankensektor schockierte Erste Group mit der Ankündigung eines Rekordverlusts für das laufende Jahr. Die Aktie des österreichischen Sparkassenspitzeninstituts stürzte um 16,4 Prozent auf 19,49 Euro ab und notierte damit auf dem tiefsten Stand seit einem Jahr.

Am Vorabend hatte die Bank überraschend mitgeteilt, sie erwarte wegen Problemen in Rumänien und Ungarn einen Jahresverlust von bis zu 1,6 Milliarden Euro - der höchste in der Geschichte der Bankengruppe. Wegen der engen Verflechtungen mit Osteuropa sei das österreichische Bankensystem besonders gefährdet, sagte Richard Edwards von HED Capital.

Die schlechte Stimmung schwappte auch auf andere Bankaktien über: Die Titel der Raiffeisen Bank International büßten 4,1 Prozent an Wert ein. In Italien fielen die Intesa Sanpaolo sowie die Unicredit um jeweils mehr als 3 Prozent. Die beiden Finanzinstitute sind ebenfalls in Osteuropa aktiv. Commerzbank-Aktien verloren in Frankfurt 1,7 Prozent. Der österreichische Leitindex notierte mit einem Abschlag von 3,4 Prozent zeitweise auf einem Sechs-Wochen-Tief.

ThyssenKrupp an der Dax-Spitze

Größter Dax-Gewinner waren die Aktien von ThyssenKrupp. Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Verluste im brasilianischen Stahlwerk trieben die Aktien 1,4 Prozent in die Höhe. Einem Bericht des "Platow Brief" zufolge soll das Werk in diesem Jahr und damit früher als geplant in die schwarzen Zahlen kommen. Ein Unternehmenssprecher sagte auf Anfrage, dass der Konzern für die Problemsparte Steel Americas im Mai das Erreichen der Gewinnschwelle für das laufende Geschäftsjahr in Aussicht gestellt habe. Es gebe dazu nichts Neues zu sagen. Eine Prognose, wie das Werk in Brasilien unter dem Strich abschneidet, gibt es nicht.

Keinen guten Tag verzeichneten Anleger bei RWE: Die Aktien des Energieversorgers verbilligten sich um 2 Prozent und waren damit größter Dax-Verlierer. Händlern zufolge machten Gewinnmitnahmen den Titeln zu schaffen. Sie hatten an den vergangenen fünf Handelstagen rund 5 Prozent zugelegt.

Die Aktien der Lufthansa setzten mit Gewinnen von 0,5 Prozent ihre Erholung fort. Europaweit gehörten Werte aus dem Transport- und Freizeitsektor zu den gefragtesten Aktien. Zudem hatte der Billigflieger Easyjet positiv aufgenommene Verkehrszahlen für den Juni veröffentlicht.

Bei den MDax-Werten sprangen Papiere von LEG Immobilien mit plus 3,8 Prozent an die Indexspitze. Sie profitierten von positiven Äußerungen eines Experten der Deutschen Bank.

Die Titel von Metro rutschten am Indexende um 1,80 Prozent ab. Hier belastete der sich zuspitzende Machtkampf um die Elektronikkette Media-Saturn (MSH). Laut Medienberichten hatte der MSH-Gründer und Metro-Großaktionär Erich Kellerhals eine Gesellschafterversammlung zur Absetzung von Interims-Chef Pieter Haas einberufen. Ein Metro-Sprecher teilte indes mit, als Ergebnis der Abstimmung bleibe Haas auf seinem Posten.

Am Rentenmarkt fiel die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere von 1,08 Prozent auf 1,05 Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,37 Prozent auf 136,69 Punkte. Der Bund-Future gewann 0,21 Prozent auf 146,84 Punkte. Der Euro notierte bei 1,3599 US-Dollar. Zuvor hatte die EZB den Referenzkurs auf 1,3588 (Donnerstag: 1,3646) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7359 (0,7328) Euro.

"Historische Tiefstwerte"

In der letzten Xetra-Handelsstunde kam das Aktiengeschäft fast komplett zum Erliegen. "Sowohl in der Kasse als auch im Dax-Future sind nur noch minimalste Orders zu beobachten", meinte ein Händler und fügte hinzu: "Mit einer Intraday-Spanne des Dax von 19 Punkten dürfte es sich heute um einen historischen Tiefstwert handeln". Viele Marktteilnehmer verabschiedeten sich für das WM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich vorzeitig aus dem Handel. Man agiere "vielfach in Mindestbesetzung". Nicht anders sei die Situation am Euro-Rentenmarkt.

Erst in den letzten Minuten des regulären Handels weiteten sich die Kursverluste im Frankfurter Aktienhandel aus. Die entscheidenden Impulse, um den Dax weiter nach oben zu treiben, hätten gefehlt, sagten Börsianer.

Aus Sicht von IG-Markets-Experte Gregor Kuhn dürfte die lockere Geldpolitik der Notenbanken den Dax aber weiter stützen. Sie sei der maßgebliche Kurstreiber für die Börsen, hieß es in einem Kommentar. Die Leitzinsen im Euro-Raum wie auch in Amerika liegen derzeit auf historischen Tiefständen. An der Wall Street war der Dow-Jones-Index am Donnerstag erstmals über die Marke von 17.000 Zählern gesprungen.

Für gute Stimmung hatte zuletzt vor allem der US-Arbeitsmarkt gesorgt. Im Juni waren 288.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft entstanden, deutlich mehr als erwartet. Sollte die US-Konjunktur auf ihrem Erholungskurs bleiben, könnte die Notenbank Fed die Zinsen allerdings früher anheben als bislang erwartet.

Quelle: ntv.de, mmo/sla/jwu/DJ/dpa/rts

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