Marktberichte

Wall Street mit Abstrichen Draghi bringt den Dax zum Stolpern

"Wenn die Erholung anhält ...": EZB-Chef Mario Draghi deutet in seiner Portugal-Rede eine mögliche "Anpassung" an.

"Wenn die Erholung anhält ...": EZB-Chef Mario Draghi deutet in seiner Portugal-Rede eine mögliche "Anpassung" an.

(Foto: REUTERS)

Unsichere Kursbewegungen an der Börse: Im fernen Portugal macht der EZB-Chef folgenschwere Andeutungen. Der Kurs des Euro zieht daraufhin kräftig an. Der Dax verliert deutlich. Der Börsengang von Vapiano rückt in den Hintergrund.

Starke Impulse halten Anleger am Siebenschläfertag in Atem: Der deutsche Leitindex Dax rutscht im Dienstagshandel unter die Kursschwelle bei 12.700 Zählern und schließt 0,78 Prozent im Minus bei 12.671,02 Punkten.

Hinter der ersten Reihe geht es kräftiger abwärts: Der MDax der mittelgroßen Unternehmen beendet den Handelstag 1,44 Prozent tiefer bei 24.898,29 Punkten. Im Verlauf fiel der Nebenwerteindex unter der Marke von 25.000 Punkten. Beim Technologiewerte-Index TecDax verzeichnen Händler am Abend ein Minus von 0,97 Prozent auf 2245,44 Zähler. Für den Eurozonen-Leitindex Eurostoxx50 geht es um 0,66 Prozent abwärts auf 3538,10 Punkte.

Nach einem schwachen Auftakt lösten Andeutungen von EZB-Chef Mario Draghi am Vormittag kräftige Kursreaktionen aus. Europas oberster Währungshüter deutete bei einer Rede in Portugal erstmals eine "graduelle Anpassung" der Geldpolitik an und erläuterte die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen wie etwa eine deutlich anziehende Inflationsrate.

Der Kurs des Euro schnellte daraufhin steil in die Höhe. Am Rentenmarkt weitete der Bund-Future seine Verluste am Nachmittag weiter aus. Er verlor gemessen am Tageshoch mehr als 150 Basispunkte auf 163,62 Prozent. Anleger werteten die Draghi-Aussagen als Hinweis auf einen bevorstehenden Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik, erklärten Beobachter. Am Aktienmarkt gaben die Kurse teils kräftigt nach.

Die Liste der Tagesgewinner im Leitindex fällt entsprechend übersichtlich heraus: Gegen den schwachen Markttrend liegen Abend nur Titel wie Lufthansa und Deutsche Post im Plus. Starke Kursgewinne gibt es dagegen bei den Banken: Die Aktien der Deutschen Bank setzen die Aufwärtsbewegung des Vortages fort und beenden die Sitzung am Dienstag starke 3,2 Prozent im Plus. Die Aktien der Commerzbank verteuern sich an der Indexspitze um knapp 4,9 Prozent.

Bei den übrigen Einzelwerten im Dax treten Anleger dagegen den Rückzug an. Größter Verlierer im Leitindex sind die Aktien von Continental, die mit anderen Zulieferern unter der Gewinnwarnung von Schaeffler leiden, sowie die Aktien der Deutschen Telekom, bei der Beobachter auf einen Verkauf der US-Tochter gewettet hatten. Abwärts geht es daneben auch für Infineon (minus 2,1 Prozent) sowie für die Versorger RWE (minus 2,4 Prozent) und Eon (minus 3,0 Prozent).

Wie ein kalter Guss für Telekom-Anleger wirkten Berichte, denen zufolge die Fusionsbemühungen der US-Tochter T-Mobile US mit dem Mobilfunkanbieter Sprint derzeit auf Eis liegen. Die Telekom-Aktie kann sich nach anfänglich deutlicheren Kursverlusten bei 16,24 Euro fangen und schließt damit noch 2,3 Prozent im Minus.

Die Gewinnwarnung von Schaeffler belastet unterdessen nicht nur Conti, sondern die gesamte Autozulieferbranche. Schaeffler-Aktien fallen um 12,5 Prozent in die Tiefe, nachdem der fränkische Konzern erklärte, wegen des Preisdrucks der Autobauer in diesem Jahr ein geringeres Ergebnis zu erwarten. Die im Dax notierten Titel von Continental geben 3,3 Prozent nach.

Viel Aufmerksamkeit zog der Börsengang von Vapiano auf sich: Die Aktien der Restaurantkette legen bei ihrem Börsendebüt zunächst leicht zu, rutschen im Handelsverlauf aber unter ihren Ausgabepreis. Der erste Kurs lag an der Frankfurter Börse bei 23,95 Euro. Das Bonner Unternehmen hatte die Aktien zu 23 Euro ausgegeben und damit 184 Millionen Euro eingesammelt. Die Pizza- und Pasta-Kette ist damit 553 Millionen Euro wert.

"Da wurden von der ersten Minute an Zeichnungsgewinne mitgenommen", sagte ein Händler. Das Tageshoch lag nur bei 24 Euro. "Es ist kein starkes Signal der begleitenden Banken, dass sie die Aktien durch den Ausgabepreis durchrutschen lassen", meinte der Händler weiter: "Da muss irgendwas schiefgelaufen sein". Am Abend gehen die Aktien nach ihrem ersten Börsentag bei 23,67 Euro und damit unter Ausgabepreis in den Feierabend.

In Streubesitz werden sich künftig 32 Prozent der Vapiano-Aktien befinden. Zum Ausgabepreis sei die Emission mehr als viermal überzeichnet gewesen, hieß es in Finanzkreisen. "Wir hätten die Aktien auch zu 24 Euro platzieren können", sagte ein Beteiligter. Mit 23 Euro wurde der Zuteilungspreis in der unteren Hälfte der von 21 bis 27 Euro reichenden Angebotsspanne festgelegt. Organisiert wurde der Börsengang von den Investmentbanken Barclays, Berenberg und Jefferies.

Devisen: Euro erreicht die 1,13

Euro / US-Dollar
Euro / US-Dollar 1,08

Der Euro legte nach Aussagen von Mario Draghi kräftig zu. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte gesagt, dass die Inflation in der Eurozone derzeit von vorübergehenden Effekten gebremst werde. Implizit bedeute dies natürlich, dass sie bei Auslaufen dieser Effekte viel höher ausfallen werde. Marktteilnehmer interpretierten die Draghi-Aussagen auch dahingehend, dass sich die konjunkturelle Erholung nun in der ganzen Breite zeige. Der Euro stieg von 1,1145 Dollar auf bis zu 1,1350 Dollar.

Auslöser der deutlichen Euro-Gewinne waren Äußerungen von EZB-Präsident Mario Draghi. Er gab sich auf der alljährlichen Notenbankkonferenz im portugiesischen Sintra nicht nur zuversichtlich für das Wachstum im Euroraum. Verglichen mit früheren Aussagen war er auch optimistischer, dass die Notenbank ihr Inflationsziel von knapp zwei Prozent wieder erreichen könne. Die lange Zeit schwache Inflation war ein Hauptgrund für die extrem lockere Geldpolitik der EZB.

Draghi habe einen ersten Schritt in Richtung einer weniger lockeren Geldpolitik getan, kommentierte Marco Valli, Chefvolkswirt für Europa bei der Großbank Unicredit. Bankökonomen rechnen damit, dass die EZB im Spätsommer die Weichen für einen geldpolitischen Kurswechsel stellen wird. Es wird erwartet, dass sie dann den "Einstieg in den Ausstieg" aus ihren billionenschweren Wertpapierkäufen ankündigen und die Käufe im Laufe des kommenden Jahres schrittweise auslaufen lassen wird.

Der Greenback wiederum neigte in Erwartung falkenhafter und tendenziell dollarstützender Aussagen von Fed-Chefin Yellen zu anderen Währungen zunächst zur Stärke. Der Dollar stieg im Tageshoch auf 112,47 Yen nach Wechselkursen um 111,32 Yen am Vortag. Da die Fed-Chefin jedoch nichts Neues sagte, kam er im späten Handel wieder zurück auf etwa 112,20 Yen.

Der Goldpreis, der am Vortag massiv unter Druck geraten war - im Handel tippte man auf einen Eingabefehler eines Marktakteurs -, erholte sich zunächst nur leicht, trotz des schwächeren Dollar. Die Feinunze erhöhte sich zum Settlement um 50 Cent auf 1.246,90 Dollar, nach einem Vortagestief bei 1.236 Dollar. Der Preis für die Feinunze hatte am Vortag in London in einer schnellen Bewegung 1 Prozent verloren und dies bei extrem hohen Umsätzen von rund 1,8 Millionen gehandelter Unzen innerhalb einer Minute. Nachdem bekannt geworden war, dass die Abstimmung über die Gesundheitsreform verschoben wird, zog der Goldpreis im elektronischen Handel am späten Dienstag deutlicher an auf 1.250 Dollar.

USA: Wall Street schließt schwächer

Zweifel an den wirtschaftspolitischen Vorhaben von US-Präsident Donald Trump haben die Stimmung an der Wall Street getrübt. Die Reformen und Maßnahmen, die Trump im Wahlkampf versprochen hatte, darunter Steuersenkungen, eine unternehmensfreundliche Gesetzgebung und Deregulierung, lassen auch ein halbes Jahr nach seiner Amtseinführung noch immer auf sich warten.

Die US-Aktienmärkte haben schwächer geschlossen. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte ging 0,5 Prozent tiefer bei rund 21.311 Punkten aus dem Handel. Der breiter gefasste S&P-500 verlor 0,8 Prozent auf 2419 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq sank 1,6 Prozent auf rund 6147 Stellen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) zeigt sich in einer aktuellen Einschätzung weniger zuversichtlich für die weltgrößte Volkswirtschaft USA. Für 2017 wird ein Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent erwartet, nach bislang 2,3 Prozent. Im kommenden Jahr dürfte das Wachstum ebenfalls 2,1 betragen. Im April war der IWF noch von 2,5 Prozent ausgegangen. Zudem zweifelt der IWF am Wachstumsziel der Trump-Regierung von 3 Prozent im Jahr 2020.

Ohne Einfluss auf den Markt blieben die Äußerungen von US-Notenbankchefin Janet Yellen während einer Veranstaltung an der British Academy in London. Nach den zuletzt überwiegend schwachen US-Konjunkturdaten waren Marktteilnehmer gespannt, ob die Chefin der US-Notenbank den Zinserhöhungskurs der Fed verteidigen würde. Während die Federal Reserve bis Ende nächsten Jahres bislang mit vier weiteren Erhöhungen plant, geht der Markt lediglich von zwei weiteren Zinsschritten in diesem Zeitfenster aus.

Yellen wiederholte am Dienstag jedoch nur, was sie schon bei früheren Gelegenheiten gesagt hatte: Die Zinsen würden nur allmählich steigen und unterhalb historischer Maßstäbe bleiben. Der geplante Abbau der auf 4,5 Billionen Dollar aufgeblähten Fed-Bilanz werde schrittweise und vorhersehbar vollzogen.

Frische US-Konjunkturdaten liefern im frühen Handel neue Anhaltspunkte. Hier stand vor allem der Index zum Verbrauchervertrauen für Juni im Rampenlicht. Die Stimmung der US-Konsumenten hat sich demnach im Juni überraschend aufgehellt. Das Barometer für das Verbrauchervertrauen kletterte um 1,3 auf 118,9 Punkte, wie das Institut Conference Board zu seiner monatlichen Umfrage mitteilte. Experten hatten mit einem Rückgang auf 116,0 Zähler gerechnet.

Zuvor erreichte mit dem Case-Shiller-Hauspreisindex ein gewichtiger Indikator aus dem US-Immobiliengeschäft den Markt. Im April stiegen die Preise demnach in den 20 größten Städten gegenüber dem Vorjahresmonat nur um 5,7 Prozent. Im Vorfeld befragte Experten hatten im Schnitt mit einem Anstieg um 6,0 Prozent gerechnet.

Bei den Einzelwerten stand die Aktie der Google-Mutter Alphabet im Blickpunkt. Die Europäische Kommission hat eine Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro gegen die Internet-Suchmaschine Google verhängt. Brüssel wirft dem US-Internetportal vor, seine Marktdominanz zu missbrauchen, um seine eigenen Shopping-Vergleichsportale zu begünstigen, wie die EU-Kommission mitteilte. Die Strafe ist damit deutlich höher als gedacht ausgefallen. Erwartet worden war nur eine Buße von 1 bis 2 Milliarden Euro. Die Alphabet-Aktie verlor 2,5 Prozent.

Beobachter sahen weniger die Geldstrafe als Ursache der Kursverluste bei Alphabet, sondern vermuteten auch hier - wie im übrigen Technologiesektor - Gewinnmitnahmen. Das bevorstehende Monatsende dürfte für viele Anleger ebenfalls ein Grund gewesen sein, hier Geld vom Tisch zu nehmen, meinte  Mohit Bajaj, Direktor der Sparte ETF-Handelslösungen bei WallachBeth Capital.

General Motors (GM) hat das Absatzziel für den US-Markt gesenkt. Der Konzern rechnet dieses Jahr mit einem Absatz von etwas mehr als 17 Millionen Autos, sagte Finanzchef Chuck Stevens. Bisher hatte GM die Branchenverkäufe noch in etwa auf dem Vorjahreswert von 17,55 Millionen Autos gesehen. Zudem sei das Marktumfeld insgesamt härter geworden. Die Aktie verlor 0,9 Prozent.

Die Papiere von Western Digital verzeichneten ein Minus von 0,9 Prozent. Der Festplatten- und Halbleiterhersteller präzisierte den Ausblick auf das vierte Quartal. Zwar hob die Gesellschaft ihre Gewinnerwartung aufgrund einer verbesserten Margenentwicklung leicht an, zugleich hielt sie aber an der Gesamtjahresprognose für den Gewinn fest. Bei den Umsatzprognosen blieb alles beim Alten.

Asien: Nervöse Blicke Richtung Fed

Nikkei
Nikkei 40.168,07

An den asiatischen Aktienmärkten wagen sich nur wenige Investoren vor dem anstehenden Auftritt von Fed-Chefin Janet Yellen aus der Deckung. Der MSCI-Index asiatischer Werte ohne Japan liegt leicht im Minus. Auch die Börsen in China und Australien geben leicht nach.

Gegen den Trend legt der Nikkei-Index um 0,36 Prozent auf 20.225 Punkte zu. Damit liegt das Börsenbarometer in Tokio nicht weit entfernt von seinem zuletzt erzielten Zwei-Jahres-Hoch.

Im japanischen Aktienhandel habe der schwächere Yen insbesondere Exportfirmen wie Toyota, Panasonic und Canon geholfen, heißt es. Zudem ziehen Finanzwerte an. "Die Grundstimmung ist nicht schlecht, aber für Investoren ist es schwer die Richtung zu finden, wenn es an einem Tag keinen anderen bedeutenden Impuls gibt als einen schwachen Yen", sagte Hikaru Sato, Analyst bei Daiwa Securities.

Die Aussicht darauf, dass Yellen weiter von einer nochmaligen Zinsanhebung in den USA in den kommenden Monaten ausgeht, stützte den Dollar. Die US-Notenbank hatte Mitte Juni den Leitzins zum zweiten Mal in diesem Jahr erhöht und noch einen weiteren Schritt nach oben signalisiert.

In Sydney sinkt der S&P/ASX-200 um 0,1 Prozent, wobei der Versorgersektor 1,7 Prozent auf ein Zweiwochentief verliert. Der Rohstoffindex büßt 0,7 Prozent ein. In Seoul kommen Samsung Electronics nach ihrem Rekordhoch des Vortages leicht zurück. "Aktien der Region Asien-Pazifik, die zum Wochenbeginn noch auf breiter Front zugelegt hatten, könnten von den Verlusten im Technologiesektor mit nach unten gezogen werden", warnte Marktstrategin Jingyi Pan von IG Group.

Rohstoffe: Öl etwas fester, Gold unsicher

Die Ölpreise legten ihre Volatilität zunächst ab und erholten sich etwas von den jüngsten Abgaben. Händler verwiesen zur Begründung vor allem auf den schwächeren Dollar, wogegen die übergeordneten Probleme weiter gegen eine deutliche Erholung der Notierungen sprächen. "Damit sich das Sentiment bessert, braucht es belastbare Daten", sagte Analyst Miswin Mahesh von Energy Aspects. Vor diesem Hintergrund seien die Blicke bereits auf die wöchentlichen US-Öllagerdaten gerichtet, die am Mittwoch bekannt gegeben werden. Der Preis für ein Fass der US-Sorte WTI legte um 2 Prozent auf 44,24 Dollar zu. Für Brent ging es um 1,8 Prozent auf 46,65 Dollar nach oben.

Quelle: ntv.de, mmo/bdk/vpe/DJ

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