Marktberichte

Im Vertrauen auf Wladimir Putin Dax schließt nah an der 9600

Der Dax-Start am Dienstag: Händler halten die TV-Nachrichten genau im Blick.

Der Dax-Start am Dienstag: Händler halten die TV-Nachrichten genau im Blick.

(Foto: REUTERS)

Erstaunliche Erholung im Aktienhandel: Die Krim-Krise verliert in den Augen der Anleger überraschend schnell ihren Schrecken. Mit den Aussagen Putins zur Ukraine hellt sich die Stimmung kräftig auf. Schon schwärmt der Markt von der nächsten großen Marke.

Der Tag nach dem 333-Punkte-Sturz bietet Börsianern ein breitgefächertes Bild der Erholung. Die dunklen Schatten eines drohenden Krieges im Osten Europas verblassen. Anleger nutzen die Anzeichen einer Stabilisierung auf der Krim für eine schnelle Rückkehr in die stark verbilligten deutschen Standardwerte.

Der Leitindex Dax ging mit einem Schlusskurs von 9589,15 Punkten und einem Plus von 2,46 Prozent nah an seinem Tageshoch aus dem Handel. Im Verlauf hatte sich die Stimmung unvermittelt deutlich aufgehellt. Am Nachmittag notierte der Dax in der Spitze bei 9590,11 Zählern. Das Tagestief liegt bei 9421,16 Punkten. Händler verwiesen auf besänftigende Signale aus Moskau.

Im Rahmen einer Pressekonferenz erklärte Präsident Wladimir Putin, Russland beabsichtige nicht, die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim zu annektieren. Er sehe derzeit keine Notwendigkeit für einen Militäreinsatz. Putin schloss aber eine solche Option für die Zukunft nicht aus. Auch warnte er den Westen vor Sanktionen gegen Russland.

"Die Märkte werten die Aussagen von Putin als eindeutiges Signal zur Deeskalation", hieß es in einem Marktkommentar. Die fragwürdige Erholung nach dem scharfen Kurssturz des Vortages betraf den gesamten europäischen Aktienhandel. Der MDax schloss knapp 2,28 Prozent fester bei 16.825,67 Punkten. Der TecDax verbesserte sich um 2,78 Prozent auf 1275,75 Punkte.

Der Eurostoxx50 rückte nach der Pressekonferenz Putins um 2,69 Prozent vor auf 3136,33 Punkte. Der Pariser Leitindex CAC 40 und auch der Londoner FTSE 100 zeigten sich ebenfalls stark. In New York stand der US-Leitindex Dow Jones zum europäischen Börsenschluss 1,25 Prozent höher.

Dax bereit für die 10.000?

"Der Dax könnte nun bald erstmals die 10.000er Marke testen", sagte Christoph Hock vom Wertpapierhandelshaus Alpha. Denn die Chancen auf eine Fortsetzung der Hausse hätten sich mit dem Rückschlag des Vortags sogar noch verbessert. Anleger hätten am Montag wegen der Krise Bestände abgebaut, und nun kämen sie nur zu steigenden Kursen wieder in den Markt hinein. Zum Wochenauftakt hatte die Krim-Krise noch einen scharfen Kursrutsch ausgelöst und den deutschen Leitindex auf breiter Front um mehr als 333 Zähler ins Minus gedrückt.

Angeführt wurden die Gewinner von Commerzbank und Daimler, die zuletzt deutlicher als der Gesamtmarkt gefallen waren und nun zwischen gut 4 und knapp 5 Prozent zulegten.

Die Aktien von RWE verteuerten sich nach Zahlen um 2,0 Prozent auf 29,30 Euro. Auf den ersten Blick sei der Nettoverlust mit einem Fehlbetrag von 2,76 Milliarden Euro zwar enttäuschend ausgefallen, hieß es im Handel. Nachdem das "Handelsblatt" jüngst von einem Minus von 3 Milliarden Euro berichtet hatte, sei das Enttäuschungspotenzial aber begrenzt gewesen. Außerdem ging das nachhaltige Nettoergebnis, auf das Sondereffekte keinen Einfluss haben und das die Grundlage für die Dividendenzahlungen bildet, 2013 nur leicht auf 2,31 von 2,46 Milliarden Euro zurück. RWE-Chef Peter Terium hatte mit Blick auf die Jahresbilanz vom größten Milliardenverlust seit Gründung der Bundesrepublik gesprochen.

Die Aktien von Beiersdorf, die ebenfalls am Morgen ihre Zahlen vorgelegt hatten, zogen mit einem Plus von 2,0 Prozent deutlich an. Zwar sprachen Händler angesichts einer Dividende von 0,70 Euro nach wie vor von einer Enttäuschung; im Markt war gut 80 Cent erwartet worden. Nach schwächerem Start habe sich der Handel aber wieder den Wachstumsperspektiven zugewandt, begründeten Beobachter die Kurswende ins Plus.

Die Aktien von ThyssenKrupp stiegen um 3,0 Prozent. Der schwedische Finanzinvestor Cevian Capital stockte seine Beteiligung auf 15 Prozent auf. Anleger werteten das als positives Signal für die weitere Entwicklung des größten deutschen Stahlkonzerns.

Am Vorabend der geplanten Bilanzvorlage ging es für Adidas deutlich nach oben: Die Aktien von Europas größtem Sportartikelhersteller stiegen um 2,9 Prozent. Der Dax-Konzern verfügt über ein vergleichsweise starkes Russland-Engagement. Am Mittwoch will das Unternehmen am Sitz in Herzogenaurach seine Ergebnisse vorstellen. Dass Vorstandschef Herbert Hainer seinen Abschied bis 2017 nehmen will, spielte Händlern zufolge keine Rolle.

Die Titel vom Stahlhändler KlöcCo setzten sich nach einer Übernahme in der Schweiz mit einem Plus von 4,4 Prozent an die MDax-Spitze.

Abhängig vom russischen Gas

Im TecDax zogen die Anbieter erneuerbarer Energien trotz der Entspannung in der Ukraine-Krise deutlich an. "Die Gründe für die Käufe sind nicht vom Tisch", sagte ein Marktteilnehmer. Die Krise habe gezeigt, dass es Sinn mache, langfristig unabhängiger von den russischen Gas-Lieferungen zu werden. Der Weg dahin führe derzeit vor allem über die erneuerbaren Energien, auch wenn die Kosten der Energiewende hoch seien. SMA Solar gewannen 4,3 Prozent, Nordex zogen 7,2 Prozent an.

Trotz der breiten Markterholung wollten die meisten Börsianer noch keine Entwarnung geben. "Unsere Blicke bleiben fest auf den News-Ticker gerichtet", sagte ein Händler. So gaben die Volatilitätsindizes VDax und VStoxx, die die Nervosität der Anleger messen, jeweils nur etwa 15 Prozent nach. Am Vortag waren sie um 30 Prozent gestiegen. Auch der Preisrückgang bei der Krisenwährung Gold hielt sich in Grenzen: Das Edelmetall verbilligte sich um ein Prozent auf 1338 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Am Rentenmarkt büßte der Bund-Future - er basiert auf der zehnjährigen Bundesanleihe - etwa die Hälfte des Vortagesgewinnes ein und fiel um 40 Ticks auf 144,74 Zähler.

Trügerische Erholung?

Der russische Aktienmarkt zeigte sich nach den Putin-Aussagen ebenfalls deutlich erholt. Am Vortag war der Leitindex an der Moskauer Börse noch um über 10 Prozent eingebrochen. Der Micex ging mit einem Plus von 5,3 Prozent auf 1357 Punkte aus dem Handel. Der RTS schloss 6,2 Prozent fester bei 1184 Punkten. Vor allem die Aussagen Putins wirkten beruhigend, hieß es. "Wir haben nicht vor, uns einzumischen", sagte Putin auf einer Pressekonferenz.

Putin bezeichnete die Volatilität an den russischen Märkten als "vorübergehend". Er unterstützte die Entscheidung von Gazprom, der Ukraine die bislang gewährten Nachlässe beim Gaspreis ab April zu streichen. Unter den Einzelwerten stiegen Sberbank um 5,2 Prozent, Gazprom kletterten um 7,9 Prozent, Lukoil verteuerten sich um 4,5 Prozent.

Börse mit "kurzen Beinen"

Bei genauerem Hinsehen erscheinen die vergleichsweise zahmen Töne aus Moskau allerdings fragwürdig: Wörtlich sagte Putin, es gebe "noch" keinen Anlass für ein militärisches Eingreifen in der Ukraine. Die russischen Truppen auf der Krim seien dort lediglich zum Schutz russischer Liegenschaften. "Putin fährt jetzt einen eher beschwichtigenden Kurs", kommentierte ein Händler. Trotzdem stehen noch immer russische Truppen auf ukrainischem Staatsgebiet.

"Politische Börsen haben kurze Beine - aber selten waren sie so kurz wie dieses Mal", fasste Händlerin Sarah Brylewski von Gekko Markets die Reaktionen an den Märkten zusammen. Investoren nutzten weiterhin jeden Rückschlag, um sofort wieder an den Markt zurückzukehren. Die Krim-Krise bleibt laut Börsianern dennoch weiter ein gewichtiger Unsicherheitsfaktor, auch wenn Putin mit seinen Aussagen Kriegsängste gedämpft und damit eine Erleichterungswelle ausgelöst habe.

Am deutschen Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere auf 1,29 (Montag: 1,28) Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,03 Prozent auf 134,76 Punkte. Der Kurs des Euro blieb im Vergleich zum Vortagesniveau stabil. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,3768 (1,3768) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,7263 (0,7263) Euro.

Quelle: ntv.de, mmo/ddi/DJ/dpa/rts

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