Marktberichte

Angstfaktor Italien-Referendum Dax hängt zwischen Crash und Rally

Rund 140 Punkte beträgt die Handelsspanne des Dax am Freitag. "Die Nervosität ist groß", sagt n-tv-Börsenexpertin Dofel. Charttechnikern bereitet vor allem das Tagestief Sorgen.

Langeweile ist zum Wochenschluss am deutschen Aktienmarkt nicht aufgekommen. Der Dax rauschte dreistellig abwärts auf ein Tagestief nahe der 10.400er Marke. Erst sehr spät - nach der Eröffnung der Wall Street und der Vorstellung des US-Arbeitsmarktberichts - fingen sich die Kurse etwas, und das Minus wurde zusehends kleiner. Den Grund für die am Markt herrschende Verunsicherung sahen die beiden n-tv-Börsenexpertinnen Katja Dofel und Sabrina Marggraf im Verfassungsreferendum in Italien, das am Sonntag ansteht. Vieles sei mittlerweile aber eingepreist, sagten sie: Crash oder Rally könnte es demnach am Montag dann heißen.

Der Dax ging 0,2 Prozent im Minus bei 10.513 Punkten aus dem Handel. Das Tagestief markierte der Leitindex bei 10.403, das Tageshoch bei 10.545. Am Donnerstag hatte er mehr als 100 Punkte oder rund 1 Prozent eingebüßt. Der MDax schloss 0,6 Prozent schwächer bei 20.529 Zählern. Der TecDax büßte 0,6 Prozent auf 1686 Stellen ein.

Renzi und die Charttechnik

In Italien will Regierungschef Matteo Renzi mit dem Verfassungsreferendum am 4. Dezember die Macht des Senats beschränken, um so schneller Reformen auf den Weg bringen zu können. Allerdings zeichnet sich Umfragen zufolge eine Niederlage ab. Dann, so frühere Aussagen Renzis, werde er zurücktreten. Diese politische Verunsicherung könnte wiederum neue Sorgen um die Stabilität des italienischen Bankensektors auslösen. Der sitzt auf mehr als 200 Milliarden Euro an faulen Krediten. Renzis Regierung soll einem Medienbericht zufolge deshalb bereits mit der EU-Kommission über Staatshilfen für die am schwersten angeschlagene Monte Paschi gesprochen haben.

"Eine Niederlage Renzis beim Referendum ist eingepreist", sagte aber auch Daniel Saurenz von Feingold Research. "Am Montag könnte es gut und gerne heißen: Buy on bad news. Oder auch: Buy on surprise. Denn so oder so - die Unsicherheit ist am Montag raus und ähnlich wie bei Brexit oder Trump könnten die Finanzmärkte dann endlich in ihre Weihnachtsrally einbiegen."

Für Verunsicherung sorgte zudem die ebenfalls am Sonntag anstehende Wahl des Bundespräsidenten in Österreich. Denn ein Sieg von Norbert Hofer dürfte die Sorge vor einer Stärkung der rechtspopulistischen Kräfte in Europa weiter antreiben.

Die charttechnische Situation des Dax hat sich indes eingetrübt. Der deutsche Börsenleitindex scheint nach Einschätzung der DZ-Bank den Kampf um die wichtige 10.600er Unterstützung aufgeben zu wollen. Bereits in den vergangenen Tagen sei diese immer brüchiger geworden. Aus charttechnischer Sicht ergebe sich nun die Gefahr, bis zum Startpunkt der "Trump-Rally" bei 10.175 Punkten durchgereicht zu werden, hieß es. Dort seien auch noch das Tief vom 30. September (10.190) sowie die 200 Tage-Linie (10.200) anzutreffen.

Dax: Autowerte und SAP im Blick

Bei den Einzelwerten im Dax belasteten schwache Geschäftszahlen des Software-Dienstleisters Workday die SAP-Titel. Sie verloren etwa 0,5 Prozent. Der Kurs von Workday war am Donnerstagabend um 12 Prozent eingebrochen und fiel zum Wochenschluss weiter.

Nur als "beschränkt gut" wurden die starken US-Branchenvorgaben für Europas Autowerte gesehen. "Das war aber eine rein amerikanische Erfolgsstory", sagte ein Händler. Zudem habe die US-Branche übergeordnet von den verstärkten "Reflation Trades" angesichts steigender Zinsen profitiert. Dabei stünden auch Autowerte als Zykliker auf der Kaufliste. Für deutsche Hersteller sah es indes nicht so gut aus: So ging das optisch hohe Plus von 24 Prozent bei VW nur auf den statistischen Basiseffekt nach dem Absatzeinbruch infolge des Dieselskandals im Vorjahresmonat zurück. "Zudem gab es horrende Rabatte, die die Profitabilität dieser Verkäufe infrage stellen", so ein Analyst. VW gaben 0,6 Prozent ab. Daimler gewannen 0,5 Prozent.

Die größten Verlierer kamen aus dem Finanzsektor. Hier belasteten die Sorgen rund um die Auswirkungen des Italien-Referendums am stärksten. Deutsche Bank sanken rund 1,5 Prozent, Commerzbank etwa 2,5 Prozent.

TecDax: Aixtron fallen

Aixtron schlossen 1,3 Prozent im Minus, nachdem im Tagesverlauf der Abschlag sogar über 7 Prozent betragen hatte. Wie Bloomberg berichtete, wird US-Präsident Barack Obama die Übernahme von Aixtron durch die chinesische Grand Chip Investment wohl blockieren. Der US-Rüstungskonzern Northrop Grumman ist Aixtron-Kunde. "Die Entscheidung kommt nicht wirklich überraschend, belastet die Aixtron-Aktie aber dennoch ", sagte ein Marktteilnehmer.

Rund 4 Prozent abwärts ging es auch für SLM Solutions. Das zwischenzeitlich gescheiterte Übernahmeangebot des US-Technologieriesen General Electric hat Spuren hinterlassen: Der 3D-Drucker-Hersteller senkte sowohl seine Umsatz- als auch seine Margenprognose für das laufende Jahr deutlich. "Das war zu befürchten", hieß es im Handel.

Dialog Semiconductor büßten knapp 4,5 Prozent ein. Händler führten dies auf den internationalen Druck auf den Technologiesektor zurück, weniger dagegen auf Einzelnachrichten. Auslöser seien Presseberichte gewesen, wonach Apple erwäge, die Bestellungen bei Zulieferern wegen einer schwächeren iPhone7-Nachfrage zu kürzen.

Europa: Kursrutsch bei Agfa

An der Brüsseler Börse brachen Aktien von Agfa-Gevaert fast 20 Prozent ein. Die deutsche Compugroup hatte die Übernahme des Herstellers von Medizin- und Drucktechnik abgeblasen, ohne Gründe zu nennen. Analysten hatten die Verbindung beider Unternehmen zwar als strategisch sinnvoll eingestuft, jedoch überwogen die Befürchtungen, dass sich Compugroup an der schieren Größe des Deals überheben könnte. Compugroup stiegen dagegen etwa 1 Prozent.

USA: Wall Street kaum verändert

An der New Yorker Wall Street reagierten die Anleger verhalten auf die jüngsten Arbeitsmarktdaten für November. Zwar fielen die Daten teils besser als erwartet aus. Doch machten einige Anleger vor allem bei den Finanzwerten Kasse, die besonders von der Aussicht auf weniger Regularien nach der Wahl von Donald Trump zum künftigen US-Präsidenten profitiert hatten.

Insgesamt kamen die großen Indizes somit kaum vom Fleck: Der Dow-Jones-Index notierte 0,1 Prozent tiefer und schloss bei 19.171 Punkten. Der S&P500 verharrte mit 2192 Zählern fast auf Vortagesniveau. Der Nasdaq Composite legte um 0,1 Prozent auf 5256 Punkte zu.

Im November waren in den USA außerhalb der Landwirtschaft mit 178.000 etwas mehr Stellen als mit 175.000 erwartet geschaffen worden. Zugleich fiel die Arbeitslosenquote überraschend mit 4,6 Prozent auf den tiefsten Stand seit mehr als neun Jahren. Damit dürfte der Weg für die erste Zinserhöhung seit einem Jahr frei sein. Die Belebung des Arbeitsmarktes setze sich fort, erklärte Helaba-Analyst Ralf Umlauf. "Eine Zinserhöhung seitens der Fed in diesem Monat gilt als ausgemacht und die Zahlen untermauern dies auch." Die Fed hält den Schlüsselsatz seit 2015 in einer Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent

Auf den Verkaufszetteln in New York standen vor allem Bankenwerte, allen voran die Aktien von Goldman Sachs, die 1,5 Prozent verloren. Börsianer sprachen von Gewinnmitnahmen, nachdem die Finanztitel zuletzt kräftig gewonnen hatten. So beläuft sich das Plus alleine bei Goldman Sachs auf Sicht von vier Wochen per Donnerstagabend auf rund 27 Prozent. Der Dow hat im gleichen Zeitraum 6,4 Prozent gewonnen.

Zudem missfiel den Anlegern der Chefwechsel an der Spitze von Starbucks: Die Aktien verloren 2,4 Prozent. Nachfolger von Howard Schultz wird nach Firmenangaben der bisher fürs Tagesgeschäft zuständige Manager Kevin Johnson, der zuvor vor allem in der High-Tech-Branche tätig war und daher laut Börsianern möglicherweise zu wenig Erfahrung im Einzelhandel mitbringt.

Ebenfalls auf Talfahrt gingen Smith & Wesson. Nordamerikas größter Hersteller von Handfeuerwaffen enttäuschte die Anleger mit seinem Quartalsausblick. Die Aktie fiel um 11,9 Prozent.

Devisen: Euro klar über 1,06 Dollar

Wie der deutsche Aktienmarkt vollführte auch der Euro eine Berg- und Talfahrt zum Wochenschluss - allerdings in abgeschwächter Form. Dabei belastete der US-Arbeitsmarktbericht den Kurs nur vorübergehend. Die europäische Gemeinschaftswährung wurde am späten mit 1,0665 Dollar gehandelt. Sie lag damit auf dem Niveau vom Donnerstagabend. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,0642 Dollar fest nach 1,0627 Dollar am Donnerstag.

Trotz der guten Daten vom US-Arbeitsmarkt werde die US-Notenbank Fed vorsichtig bleiben, so Analysten der VP Bank. "Der gedämpfte Lohnzuwachs bremst Erwartungen an aggressive Zinserhöhungen im kommenden Jahr", kommentierte Chefvolkswirt Thomas Gitzel. Der Arbeitsmarktbericht werde die Fed jedoch "nicht umwerfen" und sie dürfte den Leitzins im Dezember wie erwartet anheben.

Rohstoffe: Gewinnmitnahmen bei Öl

Der Ölpreis bewegten sich am Abend nach einer kurzen Schwächephase wieder aufwärts. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zu US-Handelsschluss 54,34 Dollar. Das waren rund 0,7 Prozent mehr als noch am Donnerstag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 1,0 Prozent auf 51,59 Dollar. Die von der Opec beschlossene Förderkürzung sei zwar ein starkes Signal, müsse aber noch umgesetzt werden, betonen Analysten. In der Vergangenheit hatten sich viele Opec-Mitglieder nicht an die Vorgaben gehalten.

Insgesamt legte der Ölpreis nach der Opec-Entscheidung zu einer Drosselung der Förderung in dieser Woche aber kräftig zu. Es blieb das stärkste Wochenplus seit Februar. Auf Sicht von drei Tagen war der Ölpreis um ungefähr 12 Prozent gestiegen.

Asien: Vorsichtige Anleger

Vor dem Wochenende nahmen Anleger an den ostasiatischen Aktienmärkten erst einmal Gewinne mit und hielten sich mit Käufen zurück. Sie zeigten sich zudem vorsichtig wegen des am Sonntag anstehenden Verfassungsreferendums in Italien, das als schwere Belastungsprobe für die dortige Regierung betrachtet wird.

Der MSCI-Index für asiatische Aktien außerhalb Japans gab 0,9 Prozent nach. In Tokio schloss der Nikkei-Index 0,5 Prozent schwächer mit 18.426 Punkten. Der Shanghai Composite verlor 0,9 Prozent auf 3244 Zähler. In Sydney verabschiedete sich der S&P/ASX200 0,8 Prozent tiefer.

In Japan legten Bankaktien gegen den Trend zu. Der entsprechende Index zog 3,4 Prozent an. Hintergrund sind die gestiegenen Renditen von japanischen Staatsanleihen. Kursverluste gab es dagegen bei Apple-Zulieferern. Einem Medienbericht zufolge schwindet die Nachfrage nach dem iPhone 7, so dass der Konzern weniger von diesen Smartphones nachbestellt. Daher sanken die Aktien von Alps Electric 3,7 Prozent, Taiyo Yuden 1,9 Prozent und Murata Manufacturing 3,3 Prozent.

Quelle: ntv.de, bad/DJ/rts/dpa

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