Marktberichte

Black Monday? Turnaround Tuesday! Börsen-Wahnsinn erfasst Dax-Anleger

Die derzeitigen Bewegungen am deutschen Aktienmarkt sind nur schwer fassbar: Einem Kursrutsch, der einem Mini-Crash gleicht, folgt eine Gegenbewegung, die noch einen drauf setzt. Zurück bleiben nervöse Anleger und die Frage: Ist das nur eine Bärenmarkt-Rally?

Der deutsche Aktienmarkt braucht nur einen Tag, um die enormen Verluste vom Wochenstart wieder wettzumachen. Am Dienstag koppelten sich Dax und Co. von den erneuten Kursstürzen an den chinesischen Börsen ab und starteten eine Gegenbewegung, die dem sogenannten Turnaround Tuesday alle Ehre macht: Nach sieben Tagen mit Verlusten von insgesamt mehr als zwölf Prozent, bleibt am Ende ein deutliches Kursplus in den Büchern.

Der Dax verabschiedete sich mit einem Aufschlag von 5,0 Prozent und 10.128 Punkten in den Feierabend. Die Handelsspanne betrug rund 400 Punkte, zum Montagsschluss sogar mehr als 500 Zähler. Am Montag war der Leitindex mehr als 400 Punkte eingebrochen. Händler sprachen deshalb von einem "Schwarzen Montag". Seit Mitte August hatte er so zeitweise knapp 20 Prozent abgegeben. Der MDax schloss 3,7 Prozent höher bei 19.300 Stellen; der TecDax 5,6 Prozent fester bei 1663 Punkten.

Am Nachmittag hatte der Dax sein Tageshoch bei 10.127 Zählern markiert. Damit konnte er die charttechnische Lücke, das Gap vom Montagmorgen, schließen und so ein erstes Erholungsziel erreichen. Als nächster Widerstand gilt nun der kurzfristige Abwärtstrend bei 10.400 Punkten. Weitere Gaps liegen zwischen 10.654 und 10.681 Punkten sowie im Bereich um 11.200 Punkte. Händler begründeten den Anstieg auf das Tageshoch unter anderem damit, dass der Dax in der jüngsten Korrektur übertrieben habe.

Chinas Zentralbank reagiert

Zuvor hatten bereits der Ifo-Index und die chinesische Zentralbank Kaufimpulse geliefert. Angesichts der Konjunkturängste und des Börsenabsturzes hatte die People's Bank of China (PBoC) ihre Geldpolitik gelockert: Sowohl der Ausleih- als auch der Einlagensatz sanken um jeweils 25 Basispunkte. Auch die Reserveanforderung an die Geschäftsbanken wurde um 0,5 Prozentpunkte zurückgenommen. Damit erhalten die Institute einen größeren Spielraum bei der Kreditvergabe.

Der Zinsschritt soll die Zinskosten für die Unternehmen senken und für genügend Liquidität und ein stabiles Kreditwachstum sorgen, wie die Zentralbank begründete. Zudem wurde die Einlagenobergrenze für die meisten Bankkonten aufgehoben. Seit November 2014 hat die Notenbank die Zinsen nun bereits zum fünften Mal gesenkt, die Reserveanforderung für die Geschäftsbanken wurde damit bereits zum dritten Mal in diesem Jahr zurückgeschraubt.

Ifo-Index überrascht

Positiv kamen auch die besser als erwartet ausgefallenen deutschen Wirtschaftsdaten an. Der Ifo-Geschäftsklima-Index verbesserte sich im August auf 108,3 Zähler, 0,3 Punkte mehr als noch im Juli. Ökonomen hatten dagegen einen Rückgang auf 107,5 Punkte erwartet. "Die deutsche Wirtschaft bleibt ein Fels in der weltwirtschaftlichen Brandung", sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.

Hauptgrund für den unerwarteten Anstieg dürfte allerdings der Erfassungszeitraum der Befragung gewesen sein. Über die Hälfte der rund 7000 Unternehmen hatten sich laut Umfrageleiter Klaus Wohlrabe schon in der ersten August-Hälfte zurückgemeldet, als die Sorgen um die chinesische Wirtschaft noch nicht so groß waren.

Die Bundesbank meldete sich ebenfalls zu Wort und warnte vor übertriebenen Ängsten um die Weltkonjunktur. In China normalisierten sich die Wachstumsraten derzeit, aber selbst Raten von womöglich 6 Prozent seien "immer noch ein starkes Wachstum", sagte Bundesbankvorstandsmitglied Joachim Nagel der "Börsen-Zeitung".

Nur eine Bärenmarkt-Rally?

Am Markt gab es aber auch mahnende Stimmen: "Erholung ist angesagt. Wie weit die reicht - wir wissen es nicht", sagte beispielsweise n-tv-Börsenexperte Frank Meyer. Michael Stegmüller, Vermögensverwalter bei Performance IMC, sah das im n-tv-Interview ähnlich: "Wir sind noch in einem turbulenten Modus. Im Markt liegt sehr viel Emotion, sehr viel Herdentrieb. Es gilt, kühlen Kopf zu bewahren."

Marktanalyst Michael Hewson vom Wertpapierhändler CMC Markets gab zudem zu bedenken, dass sich die negative Grundstimmung am Aktienmarkt in den kommenden Tagen ändern müsse. Sonst drohten weitere Verluste. Chartexperte Franz-Georg Wenner vom Börsenstatistik-Magazin Index-Radar geht vorerst nur eine sogenannte Bärenmarkt-Rally aus - das ist eine zwischenzeitliche Kurserholung in einem Abwärtstrend. Die aktuelle Marktphase sei extrem und nur mit wenigen aus der Vergangenheit vergleichbar, so Wenner. Eines hätten diese Phasen aber gemeinsam gehabt: Es sei anschließend weiter abwärts gegangen.

Dax: 30 Werte fester

Im Dax gab es am Dienstag keinen einzigen Verlierer. Die deutlichsten Gewinne konnten Infineon-Aktien verbuchen. Sie erholten sich um 10 Prozent am deutlichsten. Auch K+S zogen deutlich an: rund 6 Prozent. Einem Händler zufolge war ein Medienbericht über ein höheres Übernahmeangebot des US-Agrarkonzerns Monsanto für den schweizerischen Konkurrenten Syngenta der Grund für die gute Stimmung. Der Schritt wecke Fantasie, dass der Düngerkonzern Potash seine Offerte für K+S nachbessern könnte, hieß es.

Auch Banken und Autowerte wie BMW und Daimler verbesserten sich deutlich. Beim MDax das gleiche Bild: Alle Titel legten zu, am stärksten CTS mit einem Aufschlag von fast 9 Prozent und Kuka mit ebenfalls etwa 9 Prozent. Im TecDax übernahmen Xing mit einem Plus von mehr als 16 Prozent und SMA Solar mit rund 13,5 Prozent die Spitze der Gewinnerliste.

Asien: China-Börsen beben weiter

Chinas Börsen setzten dagegen ihre Talfahrt ungebremst fort. Der Composite Index in Shanghai sackte um 7,6 Prozent auf 2965 Punkte ab - und schloss damit unter der Marke von 3000 Punkten. Auch der Component Index in Shenzhen gab erneut deutlich nach und beendete den Handel mit einem Minus von 7 Prozent bei 10.198 Punkten. Analysten begründeten die erneut heftigen Kurseinbrüche vor allem damit, dass die Regierung ihre Stützungskäufe auf Eis gelegt habe. Seit dem Beginn des Börsenkrachs Mitte Juni haben die Behörden zunächst versucht, die Märkte mit milliardenschweren Interventionen zu stabilisieren. Sowohl am Dienstag als auch am Vortrag seien neue  Hilfen jedoch ausgeblieben. "Die Regierung wird jetzt wohl abwarten, bis der Boden erreicht ist", sagte der unabhängige Analyst Ye Tan.

In Tokio brach der Nikkei-Index um 4 Prozent auf 17.807 Punkte ein. Das ist der tiefste Stand seit einem halben Jahr. Im Vormittagshandel konnte der Nikkei noch Verluste von zwischenzeitlich fast 800 Punkten wieder wettmachen, stürzte später jedoch erneut tief in den Keller. Bereits am Vortag hatte der Index den höchsten Verlust seit zwei Jahren verbucht. Der breiter gefasste Topix verabschiedete sich mit einem Minus von 3,3 Prozent und 1433 Punkten aus dem Handel.

In Sydney erholten sich die Kurse - um mehr als 2 Prozent. In Seoul ging es mehr als 1 Prozent nach oben, auch gestützt dadurch, dass die Gefahr einer militärischen Konfrontation zwischen Nord- und Südkorea nach tagelangen Krisenverhandlungen offenbar beigelegt wurde.

Rohstoffe: Ölpreis stabilisiert sich

Die Ölpreise stoppten ihre Talfahrt vorerst. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Oktober kostete am Abend 43,68 Dollar. Das waren 2,7 Prozent mehr als am Montag. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Sorte WTI zur Lieferung im Oktober stieg um 3,8 Prozent auf 39,53 Dollar. Zu Beginn der Woche waren beide Ölpreise jeweils auf den tiefsten Stand seit sechseinhalb Jahren gefallen, hatten zeitweise mehr als 4 Prozent verloren.

Für den starken Preisverfall der vergangenen Wochen sprechen zwei Gründe: Zum einen ist das weltweite Angebot überdurchschnittlich hoch. Zum anderen geht die Nachfrage zurück, auch getrieben von der Angst, dass sich die Konjunktur der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft China deutlicher abkühlen könnte als bisher erwartet.

Devisen: Euro kann Niveau nicht halten

Der Euro gab nach der Entscheidung der chinesischen Zentralbank deutlich nach. Die Gemeinschaftswährung wurde am Abend bei 1,1410 Dollar gehandelt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am frühen Nachmittag noch auf 1,1506 Dollar festgesetzt nach 1,1497 Dollar am Montag und 1,1281 Dollar am Freitag.

Zu Wochenbeginn haben Spekulationen über eine spätere Zinserhöhung in den USA wegen der Konjunkturflaute in China den Euro zeitweise über 1,17 Dollar steigen lassen.

Quelle: ntv.de, bad/dpa/DJ

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