Marktberichte

Geiz ist geil Draghi bringt Dax auf Kurs Jahresend-Rally

Schiere Erleichterung, die in pure Kauflaune umschlägt: Das ist das Bild, das der deutsche Aktienmarkt zeichnet. Ein Mann ist dafür verantwortlich - und er braucht nur wenige Sätze. Aber die sitzen.

Mario Draghi hat geliefert. Das ist die wichtigste Anlegererkenntnis aus dem Donnerstagshandel am deutschen Aktienmarkt. "Seine Aussagen werden dahingehend interpretiert, dass das Anleihekaufprogramm von Staatsanleihen im Dezember ausgeweitet wird", kommentierte ein Händler vielsagend die zuvor geäußerten Sätze des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Genau damit hatten nur die wenigsten Marktteilnehmer gerechnet. Entsprechend euphorisch mit der Aussicht auf weiteres billiges Geld reagierten die Anleger, das Kursplus beim deutschen Leitindex fiel deutlich aus. Charttechnisch hat er einiges gerade gerückt.

Der Dax verabschiedet sich mit einem Aufschlag von satten 2,5 Prozent und einem Schlussstand von 10.492 Punkten aus dem Handel. Die Handelsspanne betrug 310 Punkte, das Tageshoch lag mit 10.506 Zählern sogar über der charttechnisch und psychologisch wichtigen 10.500er Marke. Der Dax konnte damit seinen Aufwärtstrend fortsetzen, bereits am Mittwoch hatte er 0,9 Prozent zugelegt, das war der deutlichste Aufschlag in dieser Woche bisher. Der MDax schloss bei 20.409 Zählern 2,1 Prozent fester. Der TecDax, lange im Minus gelegen, wies am Ende ebenfalls einen Aufschlag auf: 0,8 Prozent auf 1785 Stellen.

Jahresendrally läuft

An der Zinsschraube drehte die EZB nicht - wie erwartet. Sie will nun aber im Dezember eine mögliche Ausweitung ihres milliardenschweren Anleihekaufprogramms prüfen. Das Programm werde wie geplant bis September 2016 laufen und wenn nötig noch länger, sagte EZB-Präsident Draghi.

"Die Investoren honorieren die weiterhin ultra-lockere Geldpolitik und zünden die zweite Stufe der Jahresendrally", kommentierte Daniel Saurenz von Feingold Research. "Spätestens jetzt muss man dabei sein, will man nicht den größten Teil der Jahresend-Rally verpassen, die am 1.Oktober fast auf Kommando und unterstützt von vielen antizyklischen Indikatoren gestartet ist."

Charttechnisch ist Analysten zufolge im Dax nun Luft bis an den "Widerstand um 10.650 Punkte". Optimisten sehen bereits die 11.000er Marke greifbar.

Devisen: Euro bricht weg

Die Aussicht auf eine weitere Öffnung der Geldschleusen durch die EZB ließ den Euro zum Dollar einbrechen. Die Gemeinschaftswährung rutsche auf 1,1155 Dollar ab. Das ist der tiefste Stand seit Anfang Oktober. Die EZB hatte den Referenzkurs gegen Mittag noch auf 1,1313 Dollar festgesetzt nach 1,1354 am Mittwoch.

Die EZB hat nach Einschätzung der DZ Bank "massive" Erwartungen an eine weitere geldpolitische Lockerung geschürt. "Am wahrscheinlichsten ist für uns, dass das Anleihekaufprogramm verlängert wird, ohne dass die EZB ein Enddatum kommunizieren wird", schreibt Jan Holthusen, Anleihenexperte bei der DZ Bank. Zudem sei auch eine Erweiterung des Katalogs der kaufbaren Anleihen zu erwarten.

Dax: Autowerte erneut gefragt

Bei den Einzelwerten blieb der Automobilsektor im Blick. Der Fokus lag nach den erfreulichen Geschäftszahlen des US-Schwergewichts General Motors (GM) und der überaus gelungene Börsengang des Luxus-Sportwagenbauers Ferrari in New York vor allem auf Daimler und Volkswagen. Bei Daimlers Geschäftsbericht blieb die große Überraschung aus. Aber: Laut Finanzvorstand "spürt man keine Auswirkungen des VW-Dieselskandals und wird auch 2016 in China wachsen", sagte n-tv-Börsenexpertin Sabrina Marggraf. Nach anfänglichen Gewinnmitnahmen drehten die Titel 3,3 Prozent ins Plus. "Das i-Tüpfelchen fehlte", resümierte Marggraf dennoch.

Volkswagen schockte mit einer möglichen Ausweitung des Dieselskandals. Die Anleger scheinen dagegen aber abgehärtet. Die Titel des Autobauers gehörten mit einem Aufschlag von 2,7 Prozent zu den größten Gewinnern im Leitindex.

Für Infineon galt das mit einem Plus von etwa 2,7 Prozent ebenso. Die am Markt positiv aufgenommenen Geschäftszahlen des Chip-Spezialisten Texas Instruments hoben auch die Stimmung mit Blick auf andere Branchenunternehmen, wie es am Markt hieß.

Ebenfalls deutliche Aufschläge verbuchten Titel der Deutschen Telekom. Ihr Kursplus belief sich auf rund 4 Prozent. Eine positive Einschätzung der Mußler-Briefe könnte der Grund dafür sein, ebenso wie die Orange-Zahlen. Mußler sprach von "einem ersten prozyklischen Kaufsignal". Das nächste Kursziel liege nun im Bereich zwischen 16,87 und 17,10 Euro.

Milliardendeal abgesagt

Für den Dax-Neuling Vonovia ging es mehr als 6 Prozent aufwärts. Einen möglichen Grund sahen Marktexperten die abgesagte Übernahme der LEG durch die Deutsche Wohnen. Bei Vonivia überwiegt laut einem Händler am Markt nun die Einschätzung, dass das Unternehmen bei einer - wenn auch möglicherweise kostspieligeren - Übernahme der Deutsche Wohnen als Gewinner aus der Konsolidierung hervorgeht. "Mit der Deutsche Wohnen stößt Vonovia größenmäßig in neue Dimensionen vor und hat auf dem deutschen Markt das Ruder in der Hand", so ein Händler vielsagend. Aus einer Position der Stärke könne Vonovia in der Folge noch weitere kleinere Übernahmen tätigen. LEG gewannen fast 4 Prozent, Deutsche Wohnen sogar mehr als 5 Prozent.

Schlusslicht im Dax waren die Papiere der Lufthansa mit einem Minus von 1 Prozent. Die erneute Streikgefahr setze den Aktien zu, sagte Händler Andreas Lipkow vom Vermögensverwalter Kliegel & Hafner.

USA: Wieder Zahlen satt

Überraschend starke Zahlen vom US-Arbeitsmarkt und Bilanzen von Unternehmen sorgten neben den Aussagen von EZB-Präsident Draghi für Optimismus an der Wall Street. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe stieg in der vergangenen Woche auf um 3000 auf 259.000. Analysten hatten mit einem Anstieg auf 265.000 gerechnet. Im Vier-Wochen-Schnitt fiel die Zahl sogar auf den niedrigsten Stand seit Dezember 1973.

Der Dow-Jones-Index mit den 30 Standardwerten kletterte bis zu Börsenschluss um 1,9 Prozent auf 17.489 Punkte. Der S&P-500 stieg ebenfalls 1,7 Prozent auf 2052 Stellen, der Technologiewerte-Index Nasdaq100 gewann 2 Prozent auf 4503 Punkte.

Bei den Firmenbilanzen stand der Dow-Jones-Konzern McDonald's im Mittelpunkt. Er konnte seine Schwäche in China überwinden und legte um 10,8 Prozent zu. Um 8,2 Prozent ging es bei Ebay aufwärts. Das Online-Handelshaus hat die Abspaltung seines Bezahldienstes PayPal besser verkraftet als von Experten befürchtet und schrieb einen überraschend hohen Gewinn. Nach Börsenschluss werden die Zahlen von Schwergewichten wie Microsoft, Amazon und der Google-Mutter Alphabet erwartet.

Asien: Gegensätze ziehen sich an

Gegenläufig präsentierte sich das Börsengeschehen in Ostasien. In Schanghai ging es um 1,5 Prozent nach oben, in Tokio dagegen um 0,6 Prozent abwärts. In Hongkong, wo am Mittwoch feiertagsbedingt nicht gehandelt wurde, fiel der HSI um 0,9 Prozent. Nach den kräftigen Schwankungen am Vortag bewegten sich die Märkte zwar nun in einem ruhigeren Fahrwasser. Doch noch immer zeigten sich die Indizes sehr schwankungsanfällig.

In Schanghai fassten die Anleger nach dem drastischen Abverkauf zur Wochenmitte wieder Mut. Die Erholung wurde angeführt von den kleineren Werten, wobei eine Reihe von Startups in Shenzen die Stimmung aufhellten. Zudem hatte die People's Bank of China am Mittwoch nach Börsenschluss dem Markt weitere Geldspritzen in einem Volumen von insgesamt 16,6 Milliarden Dollar angekündigt. Damit soll vor allem das Bankensystem gepäppelt und die Vergabe von Krediten an kleine Unternehmen und im landwirtschaftlichen Sektor gefördert werden. Am Mittwoch hatte der Leitindex im späten Geschäft von leichten Gewinnen abgedreht und mit Verlusten von gut 3 Prozent geschlossen.

In Japan wurden in kleinem Ausmaß Gewinne mitgenommen, nachdem es zuvor deutlich aufwärts gegangen war. Die Börsianer seien hin- und hergerissen zwischen den Wachstumssorgen um China und einigen erfreulichen Quartalsberichten heimischer Unternehmen, hieß es. Allerdings zeigte sich auch bei Einzelwerten eine große Nervosität. So stiegen etwa die Aktien des Motorenproduzenten Nidec im Verlauf zunächst um 4,5 Prozent. Das Unternehmen hatte ein Umsatzwachstum von 20 Prozent und einen Nettogewinnanstieg von 30 Prozent berichtet. Zu Handelsende gab das Papier dann aber 1,3 Prozent ab.

Rohstoffe: Leichte Gegenreaktion beim Öl

Der Goldpreis konnte sich von den Abgaben zur Wochenmitte etwas erholen, als er vom Tageshoch bei knapp 1180 Dollar je Feinunze auf 1168 Dollar gefallen war. Nun geht es um 2 Dollar aufwärts auf 1169 Dollar. Die Investoren agierten weiter vorsichtig, weil in der kommenden Woche die US-Notenbank über den weiteren Kurs der Geldpolitik berät.

Die Ölpreise kletterten dagegen etwas deutlicher. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Dezember kostete 48,09 Dollar. Das waren 0,3 Prozent mehr als zur Wochenmitte. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur Lieferung stieg um 0,4 Prozent auf 45,40 Dollar.

Händler sprachen von einer leichten Gegenbewegung nach den deutlichen Kursverlusten am Vortag. Am Mittwoch hatten überraschend deutlich gestiegene US-Rohöllagerbestände die Ölpreise unter Druck gebracht.  Die US-amerikanischen Ölreserven waren laut Zahlen des Energieministeriums in der vergangenen Woche um 8,0 Millionen auf 476,6 Millionen Barrel gestiegen. Volkswirte hatten nur mit einem Anstieg um 3,75 Millionen Barrel gerechnet. Das Überangebot an Rohöl dürfte laut Händlern weiter auf den Preisen lasten.

Quelle: ntv.de, bad/AFP/rts/DJ

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen