Marktberichte

Draghi öffnet die Geldschleusen Dax macht Freudensprung

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(Foto: imago/Xinhua)

EZB-Chef Mario Draghi überrascht die Aktienhändler: Die Währungshüter senken die Zinsen noch weiter - auf hauchdünn über Null. Die Börsen machen vor Freude einen Riesensatz. Zuvor war noch Talfahrt angesagt.

Die Aktienmärkte haben am Donnerstag zugelegt. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte überraschend den Leitzins im Euroraum auf nur noch 0,05 Prozent. Das gab dem Handel Schwung. Der Dax startete durch und schraubte sich über 1,0 Prozent auf 9724,26 Zähler in die Höhe, nachdem er zuvor deutlich im Minus notiert hatte. Der MDax stieg 0,6 Prozent auf etwa 16.338,71 Punkte. Der TecDax gewann 0,5 Prozent auf 1.267,02 Stellen.

Die große Mehrheit der Experten hatte den Paukenschlag von EZB-Chef Mario Draghi nicht erwartet. "Das war schon eine heftige Überraschung, mit einer Zinssenkung hat kaum einer gerechnet. Bei der Senkung der Zinsen handelt es sich zwar nur noch um Nuancen, aber das ist ein wichtiges Signal an die Kapitalmärkte, dass die EZB bereit ist, alles zu tun, was nötig ist." Auch Carsten Brzeski, Ökonom bei der Großbank ING, zeigte sich völlig überrascht: "Beginnt jetzt auch EZB-Chef Mario Draghi damit, Geld aus dem Hubschrauber abzuwerfen?"

Der Euro gab von über 1,3130 auf 1,3027 US-Dollar nach, die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sank auf 0,959 von zuvor 0,963 Prozent. Die EZB hatte seit Juni gesagt, dass die Zinsen für längere Zeit auf ihrem aktuellen Niveau bleiben würden. Die Möglichkeit noch niedrigerer Zinsen wurde seit der Zinssenkung im Juni nicht mehr erwähnt. Trotzdem hatten einige Experten eine weitere Zinssenkung für September nicht ausschließen wollen.

Die EZB setzt mit der überraschenden Senkung der Leitzinsen ihren Kampf gegen die niedrige Inflation fort. Die Währungshüter beobachten mit großer Sorge, dass die Teuerungsraten in Europa weit unter dem von der EZB angepeilten Ziel von 2,0 Prozent liegen. Draghi hatte in einer viel beachteten Rede beim geldpolitischen Symposium in Jackson Hole auf den breiten Rückgang der Inflationserwartungen aufmerksam gemacht und dabei besonders die Entwicklung der langfristigen Erwartungen hervorgehoben. Er hatte damit die Erwartung genährt, dass die EZB vor weiteren Lockerungsmaßnahmen steht.

Bilfinger stürzt ab, Coba explodiert

Gleichzeitig dämpfte der kräftigste Anstieg der Industrieaufträge seit gut einem Jahr die Sorge vor einer Rezession in Deutschland. Die Bestellungen im Juli zogen trotz neuer Russland-Sanktionen um 4,6 Prozent zum Vormonat an, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Das ist mehr als drei Mal so stark wie erwartet. "Nach der Verunsicherung der Wirtschaft durch die geopolitischen Entwicklungen ist das ein ermutigendes Signal für die Industriekonjunktur", erklärte das Ministerium. Im Frühjahr war das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland überraschend um 0,2 Prozent und damit erstmals seit gut einem Jahr geschrumpft.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte aber vor übertriebenem Optimismus. "Wir sollten den Tag nicht vor dem Abend loben", sagte DIHK-Chefvolkswirt Alexander Schumann. "Die Auswirkungen der Russland-Sanktionen werden erst aus den Zahlen der Folgemonate ersichtlich." Diese Strafmaßnahmen waren erst im Juli verschärft worden. Banken-Ökonomen gaben sich allerdings optimistischer: "Die Russland-Krise überschattet zwar vieles im Moment, aber das tatsächliche Geschäft der Unternehmen leidet gar nicht so stark darunter", sagte Christian Schulz von der Berenberg Bank.

Die Aktien der Commerzbank legten 5,6 Prozent zu. Die Aussicht auf eine Einigung mit den US-Behörden im Streit über Sanktionsverstöße gab den Titeln Schub. Offenbar muss das Geldhaus voraussichtlich eine Buße von rund 650 Millionen Dollar (494 Millionen Euro) zahlen, damit die Ermittlungen beendet werden. Die USA verdächtigen die Commerzbank - neben vielen anderen Instituten - vor allem gegen die von ihnen gegen den Iran verhängten Sanktionen verstoßen zu haben. Eine Buße von 650 Millionen Dollar sei sicherlich keine gute Nachricht, sagte ein Händler. "Aber positiv ist, dass die Angelegenheit damit endlich vom Tisch ist."

Im MDax gingen Bilfinger auf Talfahrt, die Aktien schmierten nach einer erneuten Gewinnwarnung um 9,5 Prozent ab. Wie das Management mitteilte, rechnet es nun nur noch mit einem bereinigten Ergebnis (Ebita) aus fortzuführenden Aktivitäten von mindestens 270 Millionen Euro. Erst Anfang August hatte Bilfinger die Prognose um 40 Millionen Euro auf 340 bis 360 Millionen Euro gesenkt.

Quelle: ntv.de, hvg/kst/rts

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