Marktberichte

Mini-Flash-Crash Dax-Kursrutsch verunsichert Anleger

Mein Name ist Hase, ich weiß von Nichts? Hochfrequenzhändler sollen auch an dem Flash-Crash in den USA vom 6. Mai 2010 schuld gewesen sein

Mein Name ist Hase, ich weiß von Nichts? Hochfrequenzhändler sollen auch an dem Flash-Crash in den USA vom 6. Mai 2010 schuld gewesen sein

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein überraschender Ausverkauf drückt das deutsche Börsenbarometer binnen Minuten auf den tiefsten Stand des Jahres. Für den Kursrutsch werden vor allem computergesteuerte Schnellprogramme verantwortlich gemacht. Zudem kursieren Marktgerüchte, wonach Deutschland unmittelbar eine Herabstufung der Bonität droht.

Die deutschen Standardwerte haben ihren jüngsten Abwärtstrend deutlich beschleunigt und so tief wie noch nie in diesem Jahr geschlossen. Das alles bestimmende Gesprächsthema in den Handelsräumen war der Kursrutsch bereits in der ersten Handelsstunde. Der Dax büßte völlig überraschend und binnen nur zehn Minuten 180 Punkte ein. Händler begründeten den Absturz mit milliardenschweren über Computer gesteuerten Schnellverkäufen. "Ein Gruß an die Algotrader", sagte ein Händler.  

Bei Handelsschluss notierte der Dax 2,3 Prozent leichter bei 7503 Zählern. DAS war der vierte Verlusttag in Folge. Der MDax notierte 0,9 Prozent leichter auf 12.988 Punkten. Der TecDax verlor 1,4 Prozent auf 898 Punkte.

Verkäufe nach "Genickbruch"

Als "Algotrader" werden Investoren bezeichnet, deren Computer mit Hilfe algorithmischer Rechnungen in Sekundenbruchteilen Kauf- und Verkaufsorders durchführen. Auf diese Weise können sie massenhaft Aktien handeln und minimale Kursentwicklungen dazu nutzen, um trotzdem große Gewinne zu machen. An der Deutschen Börse machen Computer fast die Hälfte des Handelsvolumens unter sich aus, blitzschnell, vollautomatisiert, ohne dass ein Mensch seine Finger im Spiel hat.

Das Risiko von Kettenreaktionen ist bei diesem Handel besonders groß. Kein Mensch kann eingreifen, wenn etwas falsch läuft. In den USA machen solche Hochfrequenzhändler sogar schon 70 bis 80 Prozent des Aktienhandels aus. Sie sollen auch an dem Flash-Crash in den USA vom 6. Mai 2010 schuld sein. Damals verlor die US-Börse binnen Minuten über neun Prozent, erholte sich dann aber wieder.

WIe Beobachter erzählten, setzten nach dem ersten Einbruch am Morgen die "typischen Anschlussverkäufe" ein. "Wir haben heute den Lemminge-Effekt gesehen: Einer fängt an und alle ziehen mit", meinte ein Händler. Der zunächst automatisierte Stop-Loss-Verkauf über die Dax-Futures sei abgelöst worden von Verkäufen in der Kasse, hieß es. Technisch habe der Dax durch den Trendbruch einen "Genickbruch" erlitten. Fundamental sei das Aufwärtsmomentum der Wirtschaftserholung auch nicht mehr steigerungsfähig, daher seien Verkäufe rational.

Die Deutsche Börse sah den Kurssturz des Dax gelassen. "Von der Handelsüberwachung haben wir nichts gehört, dass es irgendwelche Unregelmäßigkeiten gegeben hätte", sagte ein Sprecher des Börsenbetreibers. Zum Kursrutsch selber könne er keinen Kommentar abgeben, da die Börse den Markt nicht analysiere. "Wichtig ist für uns der ordnungsgemäße Handel und dass die Systeme ordentlich funktionieren."

"Fat Finger", Herabstufung Deutschlands, Israel

In ersten Reaktionen waren noch Spekulationen ins Kraut geschossen. Auch der in solchen Fällen gern zitierte "Fat Finger", also eine Fehleingabe eines Händlers, musste wieder einmal zur Begründung herhalten. Andere Beobachter verwiesen wiederum auf Marktgerüchte um eine Senkung der Kreditwürdigkeit Deutschlands, hielten diese aber letztlich auch für sehr unwahrscheinlich. Mit Moody's habe lediglich eine der drei großen Ratingagenturen einen negativen Ausblick für Deutschland, der eine Abstufung rechtfertigen könnte. Gegen diese Gerüchte spricht auch, dass der Euro zu US-Dollar und Yen zunächst kaum nachgab. Bei einer Abstufung des größten Wachstumsmotors der Eurozone würde er stark abwerten.

Wieder andere führten den Einschlag einer Rakete nahe dem südiraelischen Badeort Eilat zur Begründung für den Ausverkauf an den Aktienbörsen ins Feld. Die Nachricht hierüber lief jedoch schon vor Handelsbeginn über die Nachrichtenticker. "Außerdem hätte das Investoren sicher in den Dollar als Fluchtwährung in Krisenphasen getrieben", hielt ein Händler dagegen. Der Euro geriet aber zum US-Dollar nicht nur nicht unter Druck, er stieg sogar auf das Tageshoch von 1,32.

EADS ohne Daimler

Gegen den schwachen Trend an den Börsen stiegen EADS um 4,8 Prozent. Das Aktienrückkaufprogramm des Konzerns sorgt für Nachfrage. EADS hat von seinen Aktionären Frankreich und Daimler für insgesamt rund 1,1 Mrd. Euro Aktien zurückgekauft und krempelt damit seine Aktionärsstruktur weiter um. Daimler ist hiernach nun kein Aktionär von EADS mehr.

Papiere von Kabel Deutschland verteuerten sich um 3,3 Prozent. Der weltweit größte Kabelkonzern Liberty Global bereitet laut Manager Magazin eine Übernahme von Kabel Deutschland vor. Seit Wochen schon kursiert das Gerücht um einen solchen Deal.

Enttäuschende Intel-Zahlen belasteten die Chipwerte. Nach einem erneuten Gewinn- und Umsatzrückgang zu Jahresbeginn rechnet der US-Konzern nun auch im zweiten Quartal mit schwächeren Geschäften. Dialog Semiconductor verloren im TecDax 8,1 Prozent, Infineon rutschten 4,8 Prozent in Minus. Die schlechte Stimmung in der Chipbranche hat die Titel des Halbleiterkonzerns seit Anfang März um mehr als 18 Prozent gedrückt.

DZ-Bank-Analyst Harald Schnitzer hält den Kursrutsch allerdings für übertrieben: "Er ignoriert die relativ soliden Fundamentaldaten." Der Experte geht davon aus, dass Infineon an seinem Ausblick für 2012/2013 festhalten wird. Er unterstelle eine deutliche Erholung in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres, hieß es in dem Kommentar. Infineon legt am 2. Mai seine Zahlen zum zweiten Geschäftsquartal vor.

Quelle: ntv.de, ddi/rts/DJ/dpa

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