Marktberichte

Wall Street schließt mit Verlusten Brexit? No. Dax-Rally? Yes!

Zum Wochenstart 330 Punkte, am Dienstag 50 und nun weitere 55 Zähler: Die Anleger am deutschen Aktienmarkt können sich über den bisherigen Verlauf dieser "Schicksalswoche" nicht beschweren. Wäre da nicht das EU-Referendum der Briten.

In der viel beschriebenen "Schicksalswoche" - die Briten entscheiden, ob sie in der EU bleiben ("Bremain") oder austreten (Brexit) - lässt der Dax aufhorchen: Auch zur Wochenmitte legt der Leitindex zu, schraubt seine Wochengewinne auf rund 430 Punkte. "Die Anleger wetten darauf, dass die Briten in der EU bleiben", kommentierte n-tv-Börsenexpertin Corinna Wohlfeil. In New York sind am Abend die Pfeile allerdings rot.

Der Dax verabschiedete sich mit einem Aufschlag von 0,6 Prozent und 10.071 Punkten. Das Tageshoch markierte er bei 10.150 Zählern. Am Montag war er 330 Zähler fester aus dem Handel gegangen, am Dienstag immerhin rund50. Dabei hatte er die 10.000er Marke überwunden. Der MDax gewann 0,3 Prozent auf 20.494 Stellen. Der TecDax, am Dienstag in der Verlustzone, bewegte sich 0,8 Prozent auf 1627 Punkte aufwärts.

Charttechnisch interessant

Der Dax überwand im Handelsverlauf wieder die 200-Tagelinie. Sie liegt bei 10.080 Punkten. Charttechniker erwarten, dass nach dem Bruch des Widerstands durch eventuelle Anschlusskäufe der Leitindex bis in Richtung 10.370 Zähler laufen könnte.

Aber: Im Fall eines wieder aufkommenden Pessimismus und erneut steigender Nachfrage nach sicheren Häfen könne der Dax auch wieder unter 10.000 Zähler in Richtung 9850 Punkte und anschließend 9700 Punkte abtauchen, sagte Niall Delventhal von DailyFX. "Die Volksabstimmung auf der Insel bleibt ein Unsicherheitsfaktor, der zügig schärfere Abschläge begünstigen kann", unterstrich er. WGZ-Analyst Stephen Schneider meinte, erst ein Anstieg über 10.500 löse ein Signal für weitere Käufe aus. Dann sei eine weitere 1000-Punktebewegung drin.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Die Stimmungslage in Großbritannien bleibt daher dominant. "Ein anderes Thema gibt es im Moment nicht", sagte auch ein Aktienhändler "Die spekulativen Positionierungen sind getätigt, es dürfte bestenfalls noch einige kleine Anpassungen je nach den diversen Meinungsumfragen vorgenommen werden. Seriöse Investoren stehen sowieso weiter an der Seitenlinie", kommentierte ein anderer Marktexperte.

Jüngste Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gegnern und Befürwortern eines Austritts Großbritanniens aus der EU. Brisant bleibt das Thema auch nach dem eigentlichen Referendum. So sehen die Analysten von Morgan Stanley bei einem Wahlergebnis mit einem Stimmenunterschied von bis zu 200.000 Stimmen das Risiko, dass die unterlegene Seite das Wahlergebnis anfechten könnte. Dies könnte den Markt für einige Wochen in der Schwebe lassen. Zusätzlich verkompliziert werde die Situation dadurch, dass das Referendum nicht rechtlich bindend für die Regierung sei. Sie könnte sich dann dafür entscheiden, es komplett zu ignorieren.

Devisen: Euro über 1,13

Der Euro legte im Verlauf deutlich zu. Die Gemeinschaftswährung handelte am Abend mit 1,1305 Dollar wieder oberhalb der 1,13er Marke - und noch einmal 0,5 Prozent fester als am Dienstagabend. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs am Mittag auf 1,1283 Dollar fest nach 1,1314 Dollar am Dienstag und 1,1332 Dollar am Montag.

Das Pfund Sterling rückte ebenfalls weiter vor. Es verteuerte sich 0,4 Prozent auf 1,4712 Dollar und kostete damit rund sechs US-Cent mehr als vor Wochenfrist. Eine weitere größere Aufwertung sei aber nicht zu erwarten, da niemand vom Ausgang der Abstimmung auf dem falschen Fuß erwischt werden wolle, sagte Kaneo Ogino, Analyst beim Research-Haus Global-Info.

Rohstoffe: Ölpreis über 50 Dollar

Trotz eines Abbaus der Rohöllagerbestände in den USA (-0,9 Millionen Barrel) fiel der Ölpreis leicht. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete 50,32 Dollar. Das waren 0,5 Prozent weniger als am Dienstag. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) gab 0,2 Prozent auf 49,74 Dollar nach.

Dax: Aktionäre richten über VW-Führung

Bei den Dax-Einzelwerten lag das Augenmerk der Anleger auf den Autowerten, allen voran Volkswagen. Die Hauptversammlung des vom Abgas-Skandal gebeutelten Konzerns stand an. Wegen dieser Affäre musste sich die Führung des Autobauers massive Kritik der Aktionäre anhören. Mehrere Aktionärsvertreter beantragten, dem Vorstand unter Konzernchef Matthias Müller und dem Aufsichtsrat unter Vorsitz von Hans Dieter Pötsch die Entlastung zu verweigern. Zudem forderte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz eine unabhängige Sonderprüfung zum Abgasskandal. Vorstand und Aufsichtsrat entschuldigten sich bei den Anlegern. VW-Titel schlossen rund 0,5 Prozent fester - blieben damit aber hinter dem Gesamtmarkt zurück.

Dagegen zogen Daimler 1,5 Prozent an. "Die Aussagen zu den Sonderschichten klingen bullisch", kommentierte ein Händler mit Blick. Das "Handelsblatt" schrieb zudem von Extraschichten "allerorten", gefordert von den Werksleitern wegen der hohen Nachfrage. Daneben bereite auch Daimler den Sprung in die Elektromobilität vor und zwar mit einer eigenen Marke für E-Autos und mit einem Modell, das eine Reichweite von 500 Kilometern haben soll.

BMW-Titel verbesserten sich rund 1 Prozent. Das Unternehmen plant erstmals in Deutschland eine Nachtschicht und zwar in Regensburg. Grund ist die hohe Nachfrage nach dem X1.

Fedex lässt Post kalt

Die Bewertung zur Übernahme von Italcementi stützte Heidelbergcement. Der Konzern erwirbt den Anteil von Italmobiliare, dafür erhält der italienische Konzern 5,3 Prozent an Heidelbergcement. Der Deal wird als Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage durchgezogen. Bewertet wird Heidelbergcement dabei mit 75,06 Euro je Aktie - ein Aufschlag von knapp 2 Prozent. Heidelbergcement legten diese in etwa zu.

Deutsche-Post-Titel gewannen etwa 0,4 Prozent. Als neutral bezeichneten Marktteilnehmer dabei das Zahlenwerk von Fedex, obwohl sowohl Geschäftszahlen als auch Ausblick die Erwartungen erfüllt hatten.

MDax: Kion arbeiten sich zurück

Kion holten etwa die Hälfte des Kurseinbruchs vom Dienstag wieder auf. Die angekündigte Übernahme des US-Logistikers Dematic hatte den Kurs belastet. "Es gibt nur sehr wenige Informationen sowohl zu Dematic als auch zu den Plänen, die Kion für das Gemeinschaftsunternehmen hat", merkte Jefferies an. Hierin liege das größte Risiko. Industriell sei der Deal "logisch" angesichts sich stark ergänzender Aktivitäten und daraus resultierender Synergien beim Umsatz. Kion-Papiere schlossen rund 1,4 Prozent fester.

USA: Keine Ruhe vor dem großen Sturm

Bei den Einzelaktien litten Tesla Motors unter den angekündigten milliardenschweren Übernahme des Solarenergiekonzerns Solarcity im Zuge eines Aktiendeals. Tesla verloren 10,5 Prozent und Solarcity gewannen 3,2 Prozent. Mit Solarcity werde die Komplexität von Tesla wachsen, zudem komme ein weiterer Verlustbringer zu dem ohnehin finanziell angespannten Konzern hinzu, hieß es im Handel. Die Analysten von Pacific Crest sehen die Übernahme auch deswegen kritisch, weil dadurch ein Aktienüberhang entstehe, der die Tesla-Aktie bremsen dürfte.

Adobe verloren 5,7 Prozent. Hier war den Anlegern gut nicht gut genug, denn Adobe übertraf beim Gewinn die Markterwartung im zweiten Quartal und bestätigte, die ausgegebenen Ziele im Gesamtjahr voraussichtlich zu erreichen. Adobe habe die Umsatzerwartung nicht übertroffen und außerdem den Ausblick nicht angehoben, darunter leide die Aktie, merkte Bob Breza von Wunderlich an. Der Ausblick von Fedex lag ebenfalls unter den Erwartungen. Die Aktie verlor 4,5 Prozent.

Asien: Softbank in Tokio im Blick

Die ostasiatischen Aktienmärkte befanden sich zur Wochenmitte in Wartestellung vor dem mit Spannung erwarteten Referendum über den EU-Verbleib Großbritanniens. "Große Investoren halten sich vor dem 'Brexit'-Referendum mit Engagements am Markt zurück", sagt Analyst Andrew Sullivan von Haitong International. Während es in Schanghai, Hongkong und Sydney leicht nach oben ging, fiel der Tokioter Nikkei-Index mit einem weiter starken Yen. Der Index schloss 0,6 Prozent tiefer bei 16.078 Punkten.

Softbank-Aktien verzeichneten nach dem überraschenden Rücktritt von Vorstandschef Nikesh Arora ein Plus von 3,2 Prozent. Damit wirft der Chef des Telekomkonzerns nach lediglich zwei Jahren an der Unternehmensspitze das Handtuch. Zuletzt war von Investoren immer wieder Kritik an Arora formuliert worden.

Der Shanghai Composite legte 1,0 Prozent auf 2906 Zähler zu. Hier stützte zusätzlich die Hoffnung auf die baldige Bekanntgabe einer Kooperationsausweitung der beiden Handelsplätze in Schanghai und Hongkong. Die Hongkong Stock Exchange hatte zuvor mitgeteilt, das Handelssystem Shenzhen-Hong Kong Stock Connect ab dem 27. Juni testen zu wollen. Der Hang Seng verbesserte sich ebenfalls: 0,7 Prozent auf 20.808 Stellen.

Quelle: ntv.de, bad/DJ/rts/dpa

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