Kolumnen

Per Saldo Heikle Luftnummer

Abheben, bitte!

Abheben, bitte!

(Foto: Reuters)

Selten war ich so froh, nicht zur Riege der Vielflieger zu gehören wie dieser Tage. Erst legen Schnee und Eis die Flughäfen der Republik Woche für Wochen in Fesseln, nun zeigen auch noch die Piloten ihren Passagieren die kalte Schulter und feiern den größten Ausstand seit acht Jahren. Ohne sichere Jobs und Mitsprache bei unternehmerischen Entscheidungen oder ein dickes Plus auf dem Gehaltszettel wollen die Piloten bleiben, wo sie sind. Nein, nicht auf dem Teppich, sondern am Boden. Wer wird denn da in die Luft gehen!

Ganz ohne Neid: Das Armutsrisiko unter Berufspiloten darf als unterdurchschnittlich angesehen werden. Wer erst einmal als Kapitän bei der Lufthansa im Cockpit sitzt, verdient auf jeden Fall sechsstellig. Ohne größere Pannen wird sich das Einstiegsgehalt von 110.000 Euro im Laufe eines Berufslebens mehr als verdoppeln. Nun, nur wenige Wochen nachdem das Statistische Bundesamt für das vergangene Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um ganze fünf Prozent dokumentiert,  fordern die Berufsabheber ein Plus auf dem Gehaltszettel von sage und schreibe 6,4 Prozent.

Das muss man erst einmal auf sich wirken lassen. Tief durchatmen bitte! Ein-und-zwan-zig, zwei-und-zwan-zig, drei-und-zwan-zig…

Die Gesichtsröte will nicht weichen, der Schaum vor dem Mund ist auch noch da? Verständlich, denn mehr als offensichtlich nutzt eine ohnehin reichlich privilegierte Berufsgruppe das Recht auf den Arbeitskampf, um ihre Forderungen mit öffentlichem Druck aufzuladen. Warum ausgerechnet die Piloten? Ganz einfach: Weil sie es sich erlauben können!

Szenenapplaus

Gemeinsam mit den Ärzten gehören Piloten zum erlesenen Kreis derer, die an einer der zentralen Schaltstellen unseres Zusammenlebens sitzen und darüber hinaus noch hohes Ansehen und Respekt der Bevölkerung genießen. Wer stellt sich schon gegen die Meinung eines Arztes, dem man bei jedem Besuch die eigene Gesundheit anvertraut? Und wer will schon einen unzufriedenen und schlecht bezahlten Piloten im Cockpit wähnen, wenn der Flieger schon kurz nach dem Start in den Urlaub in Turbulenzen gerät? Gefühlt rettet er ja in jeder Minute an Bord das Leben der Passagiere! Eine Berufsgruppe, die nach sechs Stunden Arbeit über den Wolken bei der Landung Szenenapplaus bekommt, kann auch bei sechsstelligen Gehältern streiken.

Wenn Geschäftskunden plötzlich reihenweise Economy Class fliegen und Meldungen von Pleiten und Fusionen von Airlines sich abwechseln, hat auch die Lufthansa keine Reichtümer zu verschenken. Das wissen auch die Piloten, doch um ihre forsche Lohnforderung geht es ihnen gar nicht: Sie wollen die Gunst der Stunde nutzen, um durchzusetzen, bei unternehmerischen Entscheidungen mit am Tisch zu sitzen. Sie wollen mitreden, wenn auf alten Routen neue Flugzeugtypen eingesetzt werden sollen, denn für sie hängen geldwerte Privilegien an dieser Frage. Die Forderung nach mehr Lohn dient dabei nur als Eintrittskarte.

Die Piloten überspannen damit den Bogen. Sie missbrauchen das elementare Recht, für einen fairen Lohn streiken zu dürfen. So ärgerlich das allein für die Lufthansa und ihre Kunden ist, tragen jedoch auch andere die Konsequenzen dieser Farce: Die Piloten bringen mit ihrem Streik ein wichtiges Element der Tarifautonomie in Misskredit, was all jene ausbaden müssen, die sich nicht auf einem soliden finanziellen Polster betten können. Es wäre der richtige Zeitpunkt, auf den Teppich zu kommen und wieder abzuheben!

Quelle: ntv.de

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