Kolumnen

Per Saldo Desaster mit Ansage

(Foto: REUTERS)

Die USA wenden die drohende Staatspleite ab. Damit wird die unmittelbare hausgemachte Katastrophe zwar verhindert. Ein Grund zur ungetrübten Freude ist das jedoch wahrlich nicht. Denn langfristig sind die ökonomischen Folgen der Vereinbarung desaströs.

Als ob die US-Konjunktur nicht schon genug Probleme hätte. Da mehren sich die Anzeichen, dass die größte Volkswirtschaft der Welt in die Rezession zurückfällt, am Arbeitsmarkt ist keine Besserung in Sicht, und was macht ein Teil des politischen Systems? Es arbeitet fleißig daran, die Konjunktur vollends über den Jordan gehen zu lassen. Das ist den Republikanern zwar nicht gelungen. Aber die USA befinden sich nach dem so genannten Kompromiss im Streit um das Schuldenlimit auf dem besten Wege, die Wirtschaft abzuwürgen.

Die Konjunktur leidet noch immer unter den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Im zweiten Quartal wuchs die US-Wirtschaft gerade einmal um mickrige 1,3 Prozent, die heimische Industrie legte im Juli so wenig zu wie seit Mitte 2009 nicht mehr. Die hohe Arbeitslosigkeit – sie liegt über neun Prozent – wird das Land noch auf Jahre begleiten. 14 Millionen Amerikaner haben keinen Job, viele Millionen haben nur eine Teilzeitstelle.

Falsche Prioritäten

Grund genug, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die siechende Konjunktur anzukurbeln, könnte man meinen. Das ist aber nicht der Fall. Stattdessen streitet Washington darüber, wie der Haushalt am schnellsten konsolidiert und die Schulden am radikalsten abgebaut werden können – und das alles, während die nächste Rezession droht. Massive Ausgabenkürzungen sind - zum jetzigen Zeitpunkt - deshalb keine gute Idee.

Um es klar zu sagen: Selbstverständlich haben die USA ein Schuldenproblem. Doch dieses Problem lässt sich nicht über Nacht lösen. Einen ausgeglichenen Haushalt und gesunde Finanzen erreicht ein Staat nur über einen langen Zeitraum. Beispielsweise, indem er in guten Zeiten Polster anlegt und in schlechten Zeiten Geld ausgibt und damit die Konjunktur stützt. Aber nicht, indem er das Land in die Rezession treibt.

Für die USA ist es derzeit kein Problem, das Defizit zu finanzieren. Anleger suchen regelrecht Zuflucht in US-Staatsanleihen. Die zehnjährige Rendite liegt deshalb lediglich bei 2,7 Prozent und damit nur etwas höher als bei Bundesanleihen. Bei italienischen und spanischen Bonds beträgt sie mehr als 6 Prozent.

Doch während die ganze Welt den USA munter Geld aufdrängt, drohte der größten Volkswirtschaft der Welt wegen politischer Auseinandersetzungen die Pleite. Diese absurde und völlig unnötige Gefahr ist zwar vorerst gebannt, doch die Aussichten bleiben düster.

Ideologie statt Ökonomie

Haushalte und Finanzen lassen sich nur auf eine Weise sanieren: Durch eine ausgewogene Kombination von Einsparungen und Steuererhöhungen – zumindest wenn soziale Gerechtigkeit gewahrt werden soll.

Doch dieser Weg ist den USA wohl auf absehbare Zeit verschlossen. Das hat der jüngste Streit um das Schuldenlimit nachhaltig demonstriert. Selbst moderate Steuererhöhungen für Wohlhabende und für große Unternehmen stoßen bei Republikanern auf fundamentalen Widerstand.

Und das obwohl die Abgabenquote in den USA nach OECD-Angaben bei 24 Prozent liegt – und damit niedriger als in den 60er Jahren. Tendenz fallend. Zum Vergleich: Die Quote liegt in Deutschland bei 37 Prozent, in Frankreich bei 39,1 Prozent und in Großbritannien bei 34 Prozent. In der OECD liegen nur Mexiko und Chile hinter den USA.

Je reicher ein Mensch ist, umso mehr Steuern kann er verkraften. Dieses Prinzip gilt auch für Staaten. Sollten die USA ihre Ausgaben tatsächlich auf das Niveau ihrer Steuereinnahmen senken, hätte das verheerende ökonomische und soziale Folgen.

Fatalerweise könnten die USA diese Erfahrung bald machen. Die Republikaner wollen erreichen, dass die jährlichen Ausgaben die Einnahmen niemals übersteigen dürfen - und zwar unabhängig von der Konjunktur. Jegliche Steuererhöhungen sind ausgeschlossen, außerdem sollen die Ausgaben bei 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedeckelt werden. Eine so niedrige Quote würde den Staat nahezu handlungsunfähig machen. Eine fortgeschrittene Demokratie mit Sozial- und Gesundheitsfürsorge kostet Geld. Sie kann ohne angemessene Abgaben nicht funktionieren.

Um höhere Steuern durchzusetzen, müssten den Plänen der Republikaner zufolge sowohl im Senat als auch im Abgeordnetenhaus mindestens zwei Drittel aller Mitglieder zustimmen. Damit wäre es leichter, einen Krieg zu erklären oder die Verfassung zu ändern.

Für Ideologen mag das erstrebenswert erscheinen. Ökonomisch ist das allerdings keine gute Idee. Und die sozialen Folgen sind verheerend.

Quelle: ntv.de

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