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Raimund Brichta Wir führen uns in die Irre

Raimund Brichta

Raimund Brichta

Warum machen wir an der Börse eigentlich so viel falsch? Warum lassen wir zum Beispiel gerne unsere Verluste laufen, während wir Gewinne begrenzen, obwohl eine alte Börsenregel doch genau zum Gegenteil rät? Ganz einfach: Weil unser Gehirn uns oft daran hindert, Chance und Risiko klar zu erfassen.

Machen Sie doch einmal einen Selbsttest: Nehmen wir an, Sie hätten die Wahl zwischen einem sicheren Gewinn von 1.000 Euro und einem Gewinn von 2.500 Euro, der aber nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% eintritt. Für welche Alternative würden Sie sich entscheiden? In Experimenten handeln viele Leute nach dem Motto "lieber den Spatz in der Hand…." und ziehen den sicheren Gewinn der unsicheren Variante vor. Bei rein vernünftiger Überlegung müsste man sich in diesem Fall aber eigentlich für die unsichere Taube entscheiden. Denn sie verspricht – rein statistisch - einen Erwartungswert von 1.250 Euro (0,5 mal 2.500) und damit ein Viertel mehr als der Spatz, der nur auf 1 mal 1.000 Euro kommt. Zugegeben, die 1.250 wird man nie bekommen, denn entweder man kriegt null oder 2.500, aber die Höhe des Erwartungswertes hilft einem kühlen Rechner trotzdem, die statistisch attraktivere Variante herauszufinden.

Wer allerdings grundsätzlich keine Risiken mag, wird sich trotz aller Rechnerei für den sicheren Spatz entscheiden. Daraus könnte man schließen, dass viele Leute einfach risikoscheu sind, sonst nichts. Aber das stimmt nicht. Denn erstaunlicherweise verhalten sich dieselben Leute in einer anderen Situation ganz anders. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie hätten die Wahl zwischen einem sicheren Verlust von 1.000 Euro und einem Verlust von 2.500 Euro, der aber nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% eintritt. Wie würden Sie sich nun entscheiden? Hätten Sie etwa soviel Bammel davor, überhaupt Verlust zu machen, dass Sie alles daransetzen würden, ihn zu vermeiden? Genauso geht es jedenfalls vielen Mitmenschen. Dieselben Leute, die sich vorher für den sicheren Spatz entschieden haben, wählen im Test jetzt die Risiko-Variante - obwohl hier ein Verlust-Erwartungswert von 1.250 Euro (0,5 mal 2.500) droht, der um ein Viertel höher liegt als der Verlust von 1.000 Euro bei der sicheren Version.

Das heißt: Dieselben Leute, die bei der Aussicht auf Gewinn noch risikoscheu waren, werden plötzlich überaus risikofreudig, wenn es darum geht, einen Verlust zu vermeiden. Aus lauter Angst, Geld zu verlieren, lassen sie Verluste laufen und setzen damit noch mehr Geld aufs Spiel, statt einfach einen Schlussstrich zu ziehen. Dabei kann gerade dieser Schlussstrich wohltuende Erleichterung bringen.

Oft hindert uns unser Unterbewusstsein also daran, an der Börse vernünftig zu handeln. Und selbst wenn wir es uns bewusst machen, sind wir noch lange nicht davor gefeit, beim nächsten Mal wieder das Falsche zu tun. Also sollte man sich dieser Gefahr doch lieber gar nicht erst aussetzen, sondern einfach konsequent nach festen Regeln anlegen, ohne von Fall zu Fall entscheiden zu müssen. Denn nur wer dem Unterbewusstsein keine Chance gibt, kann von ihm auch nicht in die Irre geführt werden, meint Ihr

Raimund Brichta

Quelle: ntv.de

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