Kolumnen

Inside Wall Street Politiker als Insider

Auch US-Politiker investieren an der Börse - und sind dabei in der Regel erfolgreicher als andere Anleger. Das könnte an der engen Verknüpfung von Politik und Wirtschaft liegen. Doch schärfere Regeln sind unerwünscht.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Nach der Finanzkrise der letzten Jahre ist die Wall Street in Washington nicht wohl gelitten – zumindest nicht offiziell. Doch während Politiker die Zockerei lautstark verurteilen, Demokraten für eine stärkere Regulierung eintreten, Republikaner den Bailout für Banken und Autoriesen verurteilen, spielen nahezu alle Abgeordneten des Kongress auf dem Parkett selbst mit. Und zwar ausgesprochen erfolgreich.

Eine Studie von vier US-amerikanischen Wirtschaftsprofessoren kommt zu dem Schluss, dass Abgeordnete aus beiden Kammern in ihren Portfolios deutlich besser performen als der Rest der Anleger. Das belegen 16.000 Transaktionen, die rund 300 Spitzenpolitiker zwischen 1985 und 2001 durchgeführt haben und die nun analysiert wurden. Das Ergebnis: "deutlich positive Abnormalitäten" in den Anlagen, die den breiten Markt im Durchschnitt um 6 Prozent geschlagen haben.

Noch besser erging es einer Gruppe von Senatoren, die man bereits vor fünf Jahren untersuchte, die den Markt um satte 10 Prozent schlugen. Die Akademiker finden das "sowohl statistisch bedeutend als auch wirtschaftlich umfangreich" und werfen die Frage nach Gründen auf.

Beste Beziehungen

Zunächst gibt es nur Spekulationen: Abgeordneten im US-amerikanischen Kongress liegen häufig Informationen zu Branchen und Unternehmen vor, die der Öffentlichkeit noch nicht bekannt sind. Häufig können Politiker sogar über das Schicksal von Unternehmen bestimmen, deren Aktien sie besitzen. Beides wäre Insider-Handel, eigentlich strafbar – und doch an der Tagesordnung.

Dass Abgeordnete über beste Beziehungen zu Corporate America verfügen, ist kein Geheimnis. Im Gegenteil: Die engmaschige Verknüpfung von Politik und Wirtschaft hat ihren Teil zur Krise beigetragen und es ist durchaus bekannt, mit welchen Summen US-amerikanische Firmen Politiker im Wahlkampf unterstützen. Dass über die persönlichen Beziehungen zwischen Management und Politiker hin und wieder geheime Informationen ausgetauscht werden, dürfte kritische Beobachter nicht überraschen.

Dazu kommt jedoch, dass zahlreiche Kongress-Abgeordnete an Unternehmen und Branchen beteiligt sind, die sie zum Teil selbst regulieren. Zahlreiche Abgeordnete aus Texas, Louisianna und anderen Öl-Staaten halten etwa Papiere der Öl-Riesen – und stimmen regelmäßig über Gesetzesvorlagen ab, die jene direkt betreffen. Wenn sich Veränderungen für eine Branche abzeichnen, etwa neue Bohrgenehmigungen, geringere Steuervergünstigungen oder auch neue Patentbestimmungen, etwa für die Pharmazeuten, lassen sich Aktien schnell zukaufen oder abstoßen. Der durchschnittliche Anleger weiß zu diesem Zeitpunkt nichts von anstehenden Nachrichten und kann erst viel später handeln.

Neue Regeln unerwünscht

Dass dieser mutmaßliche Insider-Handel in so großen Stil seit Jahren stattfindet, liegt an den löchrigen Anlage-Regulierungen für Abgeordnete. Die müssen ihre Portfolios beim Amtsantritt weder auflösen noch ruhen lassen, sich an keinerlei Handelseinschränkungen halten und sich auch nicht befangen erklären, wenn Entscheidungen anstehen, die direkten Einfluss auf ihr Portfolio haben. Zwar ist es Abgeordneten offiziell verboten "ihre offizielle Position zum persönlichen Nutzen zu missbrauchen", doch genauere Regeln liegen nicht vor. Das dürfte sich auch nicht ändern. Das Repräsentantenhaus erklärte wiederholt, dass man es etwa für nicht praktikabel und rechtlich umstritten halte, wenn sich Abgeordnete in bestimmten Fragen für befangen erklären müssten. Dann, so die Lesart im Kapitol, würden die Wähler im jeweils betroffenen Bezirk nicht korrekt vertreten werden.

Vorstöße gegen die umstrittene Praxis des politischen Insiderhandels gab es in der Vergangenheit immer wieder. Zuletzt im März, als die demokratischen Abgeordneten Louise Slaughter und Tim Walz den Gesetzentwurf "Stop Trading on Congressional Knowledge" – STOCK – eingebracht haben. Seit der ersten Vorlage hat man von der Initiative nichts mehr gehört. Kein Wunder, denn die gängige Praxis hat Politikern in beiden Parteien in den letzten Jahrzehnten gute Dienste geleistet. Neue Regeln sind bei den Insidern nicht erwünscht.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen