Kolumnen

Inside Wall Street Die Schlacht um Zuccotti Park

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(Foto: Reuters)

Mit fadenscheinigen Argumenten lässt New Yorks Bürgermeister Bloomberg das Zentrum der Occupy-Bewegung im Zuccotti-Park räumen. Damit tut sich der Saubermann jedoch keinen Gefallen, berichtet Börsenkorrespondent Lars Halter.

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(Foto: REUTERS)

Die Trader auf dem Parkett der New Yorker Börse hassen die Aktivisten von "Occupy Wall Street". Das ist auf den ersten Blick nicht erstaunlich, ergibt aber auf den zweiten Blick wenig Sinn. Denn die meisten Leute, die hier im Finanzviertel der USA arbeiten, gehören nicht zu dem "1 Prozent", gegen die sich die Proteste richten. Die meisten sind einfache Angestellte, die höhere Steuern zahlen als ihre Bosse – und dagegen kämpft die Bewegung im nahen Zuccotti Park.

Vieles ergibt an der Wall Street keinen Sinn, und manches ärgert den Betrachter. Etwa die Häme, mit der sich die Händler am Dienstag über die "Occupy"-Bewegung hermachten, deren Hauptquartier über Nacht von einer radikalisierten New Yorker Polizei geräumt worden war. Das Lachen sollte den Kritikern aber bald vergehen, denn die Demonstranten haben mit Hilfe einer ganzen Liga von Anwälten Protest gegen die Razzia und das Lokalverbot im Zuccotti Park eingelegt und werden darum kämpfen, ihr Camp wieder aufschlagen zu dürfen.

Am Tag nach der Räumung gelang das zunächst nicht. Zwar hatte eine Richterin zunächst erklärt, dass die Stadt kein Recht habe, die Demonstranten zu vertreiben. Doch Bürgermeister Michael Bloomberg legte Widerspruch ein und erreichte ein Urteil, das seiner Regierung – zunächst! – recht gab. Zelte und Schlafsäcke sind in dem öffentlichen Park weiterhin nicht erlaubt, damit steht die Bewegung vor einem Problem. Denn trotz relativer milder Temperaturen lässt sich in New York nicht einfach unter freiem Himmel schlafen. Selbst für dick eingepackte Demonstranten dürfte es in den nächsten Wochen zu kalt werden.

Glaubwürdigkeitsproblem für Bloomberg

Wie der Kampf um Zuccotti Park endet, ist völlig offen. Klar hingegen ist, dass die Aktion der Stadt gegen die "Occupy"-Bewegung Schaden angerichtet hat – nicht bei den Demonstranten, wohlgemerkt. Deren Causa ist durch das militante Eingreifen eher gestärkt. Vielmehr muss sich die Stadt rechtfertigen. Dass Bloomberg die Aktion als einfache Handlung gegen sanitäre und hygienische Mängel verkaufen wollte, hat dem umstrittenen Bürgermeister den letzten Rest seiner Glaubwürdigkeit geraubt. Wer "aufräumen" will, kommt nicht nachts um 1 Uhr mit Hubschraubern und Hundertschaften in voller Kampfmontur. Wer aufräumen will, braucht keine Knüppel und Helme. Und wer aufräumen will, muss noch lange nicht das gesamte Hab und Gut von hunderten friedlichen Aktivisten zerstören und konfiszieren. Fernsehbilder zeigen, dass die Polizei nicht zimperlich vorging. Planen wurden zerschnitten, Zeltstangen zerbrochen, rund 200 Demonstranten festgenommen.

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(Foto: Reuters)

"Das Ganze war eine unzivilisierte Aktion", schimpft Rick DeVoe, ein 54-jähriger Aktivist aus Long Island, der seit der ersten Woche zum Camp gehört. Er war am Dienstagmorgen unter den Ersten, die sich wieder im Zuccotti Park einfanden. Er machte sich umgehend daran, vor den Kameras ungezählter Fernsehsender die fadenscheinigen Ausreden der Stadt zu enttarnen: den frei erfunden Verweis Bloombergs auf Feuergefahr und die Gerüchte, dass Demonstranten den ganzen Park und seine Bäume als Toilette benutzt hätten. Das alles bestätigte sich bei der Räumung nicht – im Gegenteil: das Lager von "Occupy Wall Street" war sauberer und besser eingerichtet, als es bei so großen Protesten normalerweise der Fall ist.

Bloomberg hat nun ein Image-Problem. Ausgerechnet der milliardenschwere Bürgermeister, das Musterbeispiel für das bevorteilte "1 Prozent", hat die mittellosen Demonstranten vertrieben – das Kapital hat – zunächst! – gesiegt. Die Bewegung hat er damit nicht zerstört. Im Gegenteil: "Occupy Wall Street" dürfte als direkte Reaktion auf die Razzia eher an Schwung gewinnen.

Quelle: ntv.de

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