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Inside Wall Street Die Kassen klingeln

Für den amerikanischen Einzelhandel ist bereits Weihnachten: Millionen Kunden gehen auf Schnäppchenjagd und sorgen für jede Menge Umsatz. Doch es gibt auch eine Kehrseite des Shopping-Wahnsinns.

Shopping!

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(Foto: REUTERS)

Advent, Advent, alles rennt… in die Mall zum Shoppen. Mit Thanksgiving am vergangenen Wochenende hat in den USA offiziell das Weihnachtsgeschäft begonnen, und auf den ersten Blick sieht es so aus, als schwimme der Verbraucher geradezu in Geld. Ein Rekordansturm sorgte für Rekordumsätze, doch im Kampf um jeden Penny gibt es auch Verlierer.

Doch zunächst zu den Gewinnern: Der amerikanische Einzelhandel jubelt. Ganze 247 Millionen Kunden stürmten am langen Wochenende die Läden – ein Plus von fast 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Durchschnitt ließen die Hochleistungskonsumenten 423 Dollar an der Kasse – ein Plus von mehr als 6 Prozent. Der "Black Friday" war wieder einmal ein Straßenfeger, dicht gefolgt vom "Cyber Monday", dem Montag nach Thanksgiving, den die Amis traditionell dem Online-Shopping widmen.

Einzelhändler in Feierlaune

"Millionen von Amerikanern nutzten an diesem Thanksgiving-Wochenende die zahlreichen Sonderangebote des Einzelhandels und feierten so ein ganz besonderes Familienfest", freute sich Matthew Shay, Präsident des amerikanischen Einzelhandelsverbandes NRF. Dass ausgelassenes Einkaufen nun offiziell als Höhepunkt eines "Familienfestes" gilt, ist traurig, aber nicht überraschend. "Um die Kunden während des ganzen Weihnachtsgeschäfts bei Laune zu halten, wird es weiterhin attraktive Angebote aus der Retail-Branche geben", so Shay weiter.

Der Kampf um die Kunden fordert natürlich Opfer. Nicht nur Vidal Calloway, einen mehrfach vorbestraften Ladendieb, der nach dem Raub eines bereits deutlich heruntergesetzten DVD-Spielers in einem Walmart in Georgia in einem Gefecht mit Wachleuten zu Tode kam. Nein, die wahren Opfer spielen eine ganz legitime Rolle im Weihnachtsgeschäft: Sie sind Lagerarbeiter, Verkäufer, Kassierer – einfache Arbeiter, die zu Hungerlöhnen Überstunden machen.

Bereits zum zweiten Mal in Folge feierte etwa Ayanna Roach nicht im Familienkreis Thanksgiving, aß keinen Truthahn, keinen Kürbiskuchen. Die 23-Jährige stand an der Kasse in einem Old-Navy-Laden in Brooklyn, einem von mehr als tausend Modeläden der Gap-Tochter, die an Thanksgiving tagsüber und abends geöffnet waren. Im vergangenen Jahr war ein Versuch, die Läden zur besten Truthahn- und Football-Zeit zu öffnen, erfolgreich verlaufen, und im Kampf um Umsätze war dem Management klar: die Türen bleiben auch am Feiertag offen. Für die Arbeiter gab´s einen minimalen Aufschlag auf den Stundenlohn von 9 Dollar.

Niedrige Löhne

Im amerikanischen Einzelhandel sind die Löhne schlechter als in den meisten anderen Branchen. Im US-Durchschnitt kommt ein Vollzeit-Angestellter auf ein Jahressalär von 21.000 Dollar, Krankenversicherung gibt es ebenso wenig wie Entlohnung im Falle von Krankheit. Wer fehlt, wird nicht bezahlt.

Das liberale Demos-Institut hat jüngst eine Studie veröffentlicht, nach der die äußerst profitable Unternehmen im Sektor durchaus mehr zahlen könnten. Sämtliche großen Ketten könnten das Durchschnittsgehalt ihrer Verkäufer auf 25.000 Dollar heben und wären immer noch profitabel – zumal sich ein von Volkswirten immer wieder beschworener Faktor einstellen würde: Da das zusätzliche Geld an einkommensschwache Leute ginge, würde es umgehend in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen – allein das könnte 100.000 neue Stellen schaffen.

In den letzten Monaten hatten zahlreiche Aktivisten-Gruppen immer wieder versucht, an die Einzelhändler zu appellieren – ohne Erfolg. Selbst eine Sammlung von 350.000 Unterschriften an den Branchenriesen Target konnte nichts ausrichten. "Ich glaube nicht, dass man auf uns hört", klagte ein Verkäufer in einem Modeladen in Manhattan am langen Verkaufswochenende. "Statt dem Black Friday wird es wohl bald eine Black Week geben, und wir können dann die ganze Woche lang durcharbeiten."

Quelle: ntv.de

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