Kolumnen

Inside Wall Street Der Markt braucht eine Korrektur

Wie lange noch geht es mit den Kursen aufwärts?

Wie lange noch geht es mit den Kursen aufwärts?

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die derzeitigen Gewinne an der New Yorker Wall Street wachsen nicht auf der Überzeugung der Anleger. Sie entstammen vielmehr der Investitionsfreude der Banken. Grund ist das billiges Geld, das sie sich bei der US-Notenbank holen. So ist wohl ein Sturz um 20 Prozent nötig, um die Indizes an eine angemessene Bewertung zu bringen.

Als ich neulich meinen Schreibtisch aufräumte, fand ich in meinen Schubladen vier Armbanduhren. Zwei Uhren waren billige Werbegeschenke, zwei waren teure Uhren, die man sich früher einmal stolz ans Handgelenk gelegt hätte - heute sind die Dinger Zeugen einer anderen Zeit, in der Leute nicht auf ihr iPhone blickten, um pünktlich zu sein.

Mit den Handys kam vor mehr als einem Jahrzehnt das schleichende Aus für die Armbanduhr - seit das iPhone allgegenwärtig ist, scheinen die einst eleganten Zeitmesser komplett ausgestorben zu sein. Da ist es schon spannend, dass jetzt ausgerechnet Apple das Handgelenk neu entdeckt. In Japan meldete der Konzern jüngst das Markenzeichen "iWatch" an. Ein iPhone für das Handgelenk? Mit Bluetooth-Verbindung zu Smartphone, iPad, ja, möglicherweise sogar zum Computer? Unter den Geeks machen die spannendsten Ideen die Runde - und plötzlich geht es auch für die Apple-Aktie wieder nach oben.

Das einst heißeste Papier der Börse hat in letzter Zeit schwer gelitten. Nach dem Tod von Steve Jobs fragten Verbraucher und Anleger schnell, ob der Konzern weiter so innovativ sein könnte wie bisher. Immerhin: Unter Jobs hatte Apple nicht nur Elektronik entwickelt, sondern Revolutionen ausgerufen - regelmäßig. Der iPod krempelte den ganzen Musikmarkt um. Das iPhone schaffte eine Internetmobilität, von der zuvor nur Geeks träumen konnten. Und mit dem iPad schaffte Apple Magie zwischen Telefon und Laptop - daran waren zuvor viele Hightech-Entwickler gescheitert. Nach dem Abgang von Jobs kam dann lange nichts mehr. Das iPhone 5 enttäuschte, das iPad mini war keine Sensation - der einstige Überflieger stürzte ab, an der Nasdaq von 700 auf 400 Dollar. Einen solchen Sturzflug sieht man selten.

Jetzt müht sich Apple langsam wieder nach oben. Und hat gute Chancen, von Anlegern wieder als solides Investment betrachtet zu werden. Das mag mit der "iWatch" zusammenhängen, mit der frischer Wind in die angestaubte Produktpalette kommt. Es hilft aber auch, dass Apple nach einer astronomischen Rallye lange für Käufer nicht mehr interessant war. Eine Korrektur um 40 Prozent macht die Aktie wieder attraktiv für Anleger, denn langfristig lässt sich darauf aufbauen.

Breiter Markt erst nach Korrektur wieder interessant

Da geht es Apple ein wenig wie dem breiten Markt. Denn auch der ist für Anleger seit geraumer Zeit nicht mehr interessant. Der Dow Jones notiert trotz einer kleinen Korrektur im Juni bei 15.000 Punkten - das ist nicht zu rechtfertigen. Die US-Wirtschaft mag wachsen, die Arbeitslosigkeit langsam zurückgehen, selbst am Immobilienmarkt zeichnet sich eine Erholung ab. Doch die Gewinne an der Wall Street sind nicht auf der Überzeugung der Anleger gewachsen. Sie entstammen vielmehr der Investitionsfreude der Banken, die sich kostenloses Geld bei der Fed holen und es schließlich irgendwo hinpacken müssen - zum Beispiel in Aktien. Der breite Markt wird für Anleger erst dann wieder interessant, wenn er eine Korrektur hinter sich hat, die durchaus Apple-Ausmaße haben könnte. Zumindest ein Sturz um 20 Prozent wäre wohl nötig, um die Indizes auch nur in die Nähe einer angemessenen Bewertung zu bringen - die Blue Chips lägen dann etwa bei 12.000 Punkten.

Sicher, auf dem New Yorker Börsenparkett sieht man das ganz anders. Die Trader hier üben sich in Zweckoptimismus und glauben, dass die Rallye der letzten Jahre immer weitergeht. "Die Fed wird den Geldhahn nicht zudrehen", sagte mir erst vor wenigen Tagen einer, der schon seit Jahrzehnten die Hände im Spiel hat. Damit widersprach er voll und ganz den jüngsten Aussagen von Fed-Chef Ben Bernanke. Dem widersprachen wohlgemerkt auch eine ganze Reihe hochrangiger Notenbanker und anderer Experten. Und doch ist klar, dass die marktfreundliche Politik der US-Notenbank - Nullzinsen und massive Anleihekäufe - irgendwann zu Ende gehen muss. Auch ist klar, dass es dann zu dramatischen Einbrüchen an der Wall Street kommen wird. Die Frage ist nur, wann das geschehen wird, und wie tief die Kursstürze werden, bevor Anleger mit langfristigem Horizont wieder guten Gewissens in die Märkte gehen.

Quelle: ntv.de

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