Kolumnen

Auf in den "Cyclone" Börsianer suchen Nervenkitzel

Der "Cyclone" in Coney Island.

Der "Cyclone" in Coney Island.

(Foto: REUTERS)

Die Wall Street wird gerne mit einer Achterbahn verglichen, doch so richtig rockt die Börse derzeit nicht. Wer rasante Richtungswechsel will, findet sie auf dem Rummel.

Stolze 26 Meter hoch ragt das hölzerne Skelett über das Meer, es rattert gefährlich und alle paar Sekunden klingt Geschrei herüber: Seit fast einem Jahrhundert ist der "Cyclone" in Coney Island eine der berühmtesten Achterbahnen der Welt. Im Sommer wählen Tausende jeden Tag den freien Fall, rasen mit 97 Kilometern pro Stunde um die engen Kurven. Der Roller Coaster ist Legende.

Gerne sagt man auch von der Wall Street, dass sie Achterbahn fahre. Es geht rauf, es geht runter ... kaum dreht der Handel mehr als zwei Tage hintereinander, bemühen ideenlose Kommentatoren das alte Klischee. Es ist ja auch zu einfach. Bei all den Quartalszahlen, Konjunkturdaten und der regelmäßigen Fed-Debatte legen Aktien nun einmal zu oder geben Punkte ab - fertig ist das Bild von der Berg- und Talfahrt.

Vor allem die Notenbank kann Kursbewegungen auslösen, dass einem schwindlig wird. Zwischen Zinsentscheid und Staatsanleihen droht Investoren ein Schleudertrauma. Anschnallen, bitte!

Auch zur Zeit liest man solche Worte wieder. Wenig überraschend, bewegt sich doch der Dow Jones gerne für mehrere Tage am Stück dreistellig. Doch wer genau hinsieht erkennt: Seit nunmehr neun Monaten bewegen sich die US-amerikanischen Börsen in einer extrem engen Handelsspanne von rund fünf Prozent über oder unter der Linie. So wenig Bewegung hat die Wall Street lange nicht gesehen.

Das hängt auch mit der Fed zusammen. Die obersten Währungshüter scheuen sich, den Leitzins anzuheben und damit den Dollar zu stützen. Der einfache Grund: Seit acht Jahren ist Amerika an Null-Zinsen gewöhnt, an der Wall Street hat in der Zeit eine Rallye historischen Ausmaßes stattgefunden, unter anderem,weil die Banken ihr billiges Geld nirgends hinpumpen konnten als eben in Aktien. Die mühsam gewonnenen Kursgewinne will die Notenbank nicht gefährden.

Yellen könnte für Kursverluste sorgen

Dabei ist natürlich klar, dass die Börse kein Konjunkturbarometer ist, das die Fed zur Festlegung ihrer Politik heranziehen sollte. Sie tut es aber. Notenbankchefin Janet Yellen hat Angst, den letztlich unvermeidlichen Schritt zu gehen und eine Aktienkorrektur auszulösen, die nicht zuletzt den anstehenden Wahlkampf unnötig erschweren könnte.

So bleiben dem Markt in Bezug auf die Fed nur kleine und mehr oder weniger zuverlässige Indikatoren, etwa Wortschnipsel von Mitgliedern des Offenmarktausschusses. Einmal sagt Dennis Lockhart von der Atlanta Fed, dass nur eine gewaltige wirtschaftliche Katastrophe eine Zinsanhebung im September verhindern könnte. Einen Tag später sagt Jeff Lackner von der Richmond Fed, dass ein solcher Schritt im September wegen der schwachen Inflation geradezu unmöglich wäre.

Der Wall Street fällt dazu nur eines ein: Statt auf und ab geht man quasi rechts und links - seitwärts. Die Achterbahn an der Wall Street ist wie die "Wilde Maus" auf dem Rummel. Es geht hin und her, der Kopf tut weh, aber man kommt nicht vom Fleck. Man steckt fest auf der langweiligsten Achterbahn der Welt.

Wenn die Trader den alten Nervenkitzel suchen, gehen sie mit ihren Familien nach Coney Island. Zum "Cyclone". Das ist sowieso schöner als an der Wall Street. Im brütend heißen Sommer ist mir der Atlantik auch lieber als die Hochhaus-Schluchten in Downtown Manhattan.

Quelle: ntv.de

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