Kolumnen

Inside Wall Street Börse ignoriert den Shutdown

An der Wall Street stiegen die Kurse.

An der Wall Street stiegen die Kurse.

(Foto: dpa)

Die Wall Street startet freundlich ins Schlussquartal des Jahres. Die Börse geht offensichtlich davon aus, dass der US-Haushaltsnotstand bald beendet sein wird. Dabei gibt für Optimismus nur wenig Anlass.

Happy Anniversary… der Yosemite Nationalpark wurde am Dienstag 123 Jahre alt, und Google feierte das Jubiläum mit einem eigens gestalteten Logo. Auf der Homepage war der Schriftzug umrahmt von den typischen Aufnähern, die auf Rucksäcken von Pfadfindern und Wanderern prangen. Das Problem: Wer ausgerechnet am Dienstag in den historischen Park wollte, der wurde enttäuscht: Wegen des "Government Shutdown" musste der Park dicht machen.

Yosemite dürfte flächenmäßig das größte Opfer der politischen Streiterei im Kongress ein. Doch gibt es zahlreiche weitere: Die Freiheitsstatue empfängt keine Besucher mehr, die Smithsonian Museen in Washington sind dicht, die Telekombehörde arbeitet nur mit Notstandsbesetzung, bei der Börsenaufsicht bleiben IPO-Papiere liegen... kurz: überall wo staatliche Beamte arbeiten, ruht der Betrieb, weil sich Republikaner und Demokraten im Kapitol nicht auf einen Haushalt einigen können – so jedenfalls die offizielle Version.

Mutwillige Blockade

Wer nicht dem Druck vermeintlicher politischer Fairness erliegt und stattdessen das Geschehen in der amerikanischen Hauptstadt sachlich analysiert, der kommt zu dem Schluss: Die Republikaner haben mutwillig den Haushalt blockiert. Die Republikaner treiben ein kindisches politisches Spielchen auf Kosten einer Nation, in der zumindest in den nächsten Tagen der Staatsapparat auf kleinster Flamme fährt und nur noch Notdienste, Rentenzahlungen und das Militär abdecken wird.

Die Republikaner selbst mögen das anders sehen. Sie beschuldigen Präsident Obama und die Demokraten im Kongress, die sich stur gegen jede Verhandlungsversuche gewehrt hätten. Das ist Unsinn. Die Republikaner haben ihre Zustimmung für einen funktionierenden Haushalt an die Bedingung geknüpft, dass Obama seine lange und hart erarbeitete Gesundheitsreform aufgeben soll. Die Partei, vor allem der rechtspopulistische Flügel der Tea Party, hält die Reform für sozialistisches Teufelszeug direkt aus der Feder von Karl Marx – für gebildete Leute ist die Reform lediglich der Versuch Amerikas, sein Gesundheitssystem einigermaßen dem Niveau anderer westlicher Industrienationen anzupassen.

Erste Umfragen im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten zeigen, dass die Bevölkerung – trotz einer gewissen Skepsis gegenüber Obamacare – die Taktik der Republikaner kritisiert. Bei den nächsten Wahlen dürfte sich das niederschlagen. Eine langwierige Blockade in DC dürfte die Rechte Stimmen und Sitze kosten.

Wall Street reagiert gelassen

Wie auch immer, der Sturheit der Republikaner ist zu verdanken, dass bis auf weiteres nicht nur die Nationalparks geschlossen sind. 800,000 Beamte sind im Zwangsurlaub, der Zoo in Washington ist zu, die NASA stellt ihre Tweets ein, in der Hauptstadt wird der Müll nicht abgeholt – im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten braucht der Haushalt der Hauptstadt die Zustimmung des Kongress. Die Folgen für die Wirtschaft sind enorm: Goldman Sachs schätzt, dass ein andauernder Shutdown das Wirtschaftswachstum für 2013 um bis zu 0,9 Prozentpunkte schmälern kann. Zahlreiche Analysten warnen gar vor einer Rezession – vor allem, wenn der Haushaltsstreit nur Vorspiel ist für den Kampf um die Anhebung der Schuldendecke. Die werden die USA am 17. Oktober erreichen, dann droht die komplette Zahlungsunfähigkeit der einstigen Weltmacht, der Bankrott, eine globale Panik.

Was hat das alles an der Wall Street für Auswirkungen? – Keine. Nachdem die Börsen in den letzten Tagen ein wenig abwärts tendierten, standen etwa die Blue Chips am Dienstag leicht im Plus! Offizielle Lesart: Die Wall Street hofft auf einen nur kurzzeitigen Shutdown. Wow. Im Ernst? Zur Zeit deutet nichts darauf hin, dass John Boehners Kindergartenbande irgendwann einlenken wird. Obama wird ganz bestimmt nicht nachgeben, und er soll es auch nicht. Woher plötzlich eine Einigung kommen soll, ist bei ehrlicher Betrachtung der Sachlage absolut unklar.

Dass sich der Dow Jones dennoch nur drei Prozent unter seinem Allzeithoch halten kann, ist ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Wall Street schon lange von der politischen und wirtschaftlichen Realität abgenabelt hat.

Quelle: ntv.de

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