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Die Busch-Trommel Die verlorene Glaubwürdigkeit

Mit der Moral ist es bei den Finanzakteuren und den Politikern nicht weit her, meint Börsen-Kommentator Friedhelm Busch. Um die Turbulenzen an den Börsen zu verstehen, sollte man beide Seiten kritisch beleuchten.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Zu Recht häufen sich, und das nicht erst seit der Lehman-Pleite, die Klagen über den Verfall der Moral an den Finanzmärkten. Es ist in der Tat nicht zu begreifen, wie unverfroren vor allem angelsächsische  Finanzinstitute Milliardengewinne generieren und realisieren, aber im Falle eines Scheiterns unter die schützenden Fittiche des Staates flüchten. Das Verhältnis zwischen geleisteter Arbeit und kassiertem Ertrag übersteigt in diesem Bereich allzu häufig jedes nachvollziehbare Maß. (Aber nicht nur hier, erinnert sei beispielsweise an die unfassbar hohen Zuwendungen im internationalen Fußballsport.)

Dennoch wäre es zu kurz gedacht, allein in moralischen Defiziten marktbeherrschender Finanzinvestoren den Grund zu sehen für die wachsenden Sorgen der Kleinanleger. Es reicht auch nicht, angesichts der gegenwärtigen Börsenturbulenzen den Kreis möglicher Verursacher auszudehnen auf anonyme Hochleistungsrechner, die schneller als jeder menschliche Gedanke Wertpapiere hin- und her handeln. Oder an die ausufernden Staatsschulden zu erinnern, an unterschwellige Inflationsängste oder an einen möglichen Einbruch der Weltkonjunktur. All das zusammen mag zwar die aktuelle Hektik der Kursbewegungen erklären und wird auch wohl bis auf  Weiteres seine Kreise ziehen, doch das allgemeine Unbehagen vieler privater Anleger wurzelt tiefer, reicht weiter als nur bis zur Sorge um die eigene Geldanlage.

Nahezu täglich spiegeln sich die wahren Gründe unserer Verunsicherung in den Schlagzeilen der Massenmedien; wir müssen erst gar nicht wie Goethes Faust bis zu den Müttern in die tiefsten Tiefen unserer Seele hinabsteigen, um die Wahrheit über den Ursprung unserer Ängste  zu erfahren. Sie liegt offen auf der Hand.

Verstoß gegen geltendes Recht

Ob es nun beispielsweise um die jähe Wende in der Energiepolitik der Bundesrepublik geht oder um Maßnahmen zum Schutze des Euro, mit schmallippigen Erklärungen hat die Bundesregierung ihre jeweiligen Maßnahmen für alternativlos erklärt und exekutiert. Wer gegen das Atommoratorium als dauerhaften Regierungsbeschluss protestierte, wurde unter dem Beifall der Opposition von Merkel  & Co abgebürstet. Eine gesetzliche Grundlage für diese Maßnahme aber gab es zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht. So wie auch bis jetzt die de facto vollzogene Transferunion in Europa eindeutig gegen geltendes Recht verstößt. Doch jedem schwarz-gelben Parlamentarier, der sich gegen diese Alleingänge der Exekutive stemmt,  droht das politische Abseits, weil er ja den Frieden in Europa, wenn nicht gar den Weltfrieden gefährde. Zumindest aber die politische Macht der Bundesregierung. Vielleicht ein Grund, warum viele Abgeordnete in den Parlamenten, nach unserem Grundgesetz zuvorderst zuständig für die Gesetzgebung, bisher nur verhalten gegen ihre Missachtung durch die Exekutive, die zweite Gewalt im Staate, protestiert haben. Bleibt zu hoffen, dass sie demnächst, wenn es um die Frage der Eurobonds geht, ihr eigenes Gewissen wieder entdecken.. 

Nun könnte man als Bundesbürger, wenn schon die erste Gewalt vor der Regierung kuscht, alle Hoffnungen auf die dritte Gewalt in unserer Demokratie setzen, auf die Judikative. Eindeutige Gesetzesverstöße der Regierenden müssten doch spätestens von der höchsten Rechtsprechung untersagt werden. Denn auch die Richter sind an die geltenden Gesetze gebunden. Eine Binsenweisheit zwar, aber leider nicht alltägliche Praxis. Auch unsere obersten Richter sind offenbar zunehmend der Meinung, beispielsweise im Arbeitsrecht, einem übergeordneten europäischen Rechtsempfinden den Vorrang vor deutschem Recht geben zu können. Ähnliches könnte durchaus auch bald im Euro-Konflikt passieren. D.h., die deutsche Regierung bekäme trotz eines eindeutigen Verstoßes gegen geltendes Recht grünes Licht für eine Politik, die bisher nur wenig bewirkt, den deutschen Steuerzahlern womöglich erdrückende Lasten aufgebürdet hat.

Es ist daher nur allzu verständlich, dass angesichts dieser Entwicklung die Bundesbürger mehr und mehr das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat verlieren, nicht nur in diese Regierung. Wenn der Staat aber seine Glaubwürdigkeit verliert, weil er Gesetze bricht, aus welchen Motiven auch immer, mit welchem Recht kann er dann noch von seinen Bürgern die Befolgung seiner Gesetze einfordern? 

Quelle: ntv.de

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