Wirtschaft

Die Busch-Trommel " …. des Treibens müde"

Bundeskanzlerin Merkel treibt die Idee einer Fiskalunion voran. Doch der Weg dahin sei voller Fallstricke, betont Friedhelm Busch. Vielleicht sei das von Vorteil. Denn dann bekämen die Politiker mehr Zeit, über Risiken und Nebenwirkungen nachzudenken.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Folgt man den Worten der Bundeskanzlerin, dann wird in Europa über eine Fiskalunion nicht mehr bloß geredet, dann hat man jetzt wirklich damit begonnen, sie zu schaffen. Aus dem Munde von Frau Merkel klingt das selbstbewusst und entschieden, doch wenn man die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels genauer liest, bleibt im Grunde vieles offen. EU-Mitglieder, die uneinsichtig auch weiterhin mehr Schulden machen als Maastricht erlaubt, sollen zwar künftig bestraft werden, aber nur, wenn im Ministerrat eine qualifizierte Mehrheit der übrigen EU-Länder dafür ist. Vermutlich also nie.

Denn wer wird schon mit Steinen auf einen Stabilitätssünder werfen, wenn er selbst im Glashaus sitzt? Und dort sitzen die meisten der 27 EU-Staaten. Gerade deswegen hatte ja die Bundesrepublik - aber offenbar vergeblich - auf eine automatische Bestrafung gedrungen. Zwar sind seit dem jüngsten Gipfeltreffen in Brüssel die meisten EU-Mitglieder auf die Linie der Bundesregierung eingeschwenkt, doch leider spielen die Briten bisher nicht mit, so dass diese neue Klausel im Streitfall unter Umständen wirkungslos bleiben wird.

Viel Gesprächsstoff

Auch andere Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels klingen toll, könnten sich aber am Ende in Luft auflösen. So stimmen die meisten der EU-Staaten nach deutschem Vorbild für eine nationale Schuldenbremse in ihrer Verfassungen und denken darüber nach, sich zudem einer regelmäßigen Haushaltskontrolle durch die EU-Kommission und den europäischen Gerichtshof zu unterwerfen. Doch über den exakten Inhalt einer derartigen Selbstverpflichtung weiß man noch nichts Genaues, natürlich auch nichts über die Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Schuldenbremse. Viel Diskussionsbedarf also für weitere Gipfelgespräche in den kommenden Tagen und Monaten. Es ist durchaus möglich, dass Europa auf seinem Gewaltmarsch in die Fiskalunion schon bald ins Stolpern geraten könnte.

Vielleicht wäre das auch gar nicht so schlecht. Dann hätte die Bundeskanzlerin halt noch ein wenig Zeit, über die verborgenen Fallstricke einer europäischen Fiskalunion nachzudenken, die sie jetzt so lauthals fordert. Es geht nämlich in Europa nicht nur darum, die überschuldeten Staatshaushalte der schlimmsten Stabilitätssünder durch Sparmaßnahmen und Reformen wieder ins Lot zu bringen, natürlich bei finanziellem Beistand europäischer Partner; es geht auch darum, die Wirtschaft dieser Länder wieder – oder auch endlich - fit zu machen für den internationalen Wettbewerb. Andernfalls wären all die Finanzhilfen sinnlos … und endlos.

Dass das wirtschaftlich potente Deutschland bei den finanziellen Hilfsleistungen besonders gefordert ist, das haben die meisten Bundesbürger mittlerweile begriffen, aber das ist längst noch nicht alles, was man von Deutschland erwartet. Es entspricht einer Binsenweisheit, dass in unserer vernetzten Weltwirtschaft den Handelsüberschüssen der einen die Defizite der anderen Länder entsprechen. Diese Ungleichgewichte müssen in der Tat abgebaut werden, will man die gegenwärtige Schieflage in der europäischen Gemeinschaft langfristig bekämpfen. Auf beiden Seiten, also bei den Defizit- und bei den Überschussländern.

Von Deutschland wird viel gefordert

Ja, es stimmt, dass unsere Exporterfolge der Qualität und der Innovationskraft der deutschen Wirtschaft geschuldet sind, ihren hochwertigen Produkten, dem Einsatz ihrer ausgebildeten Mitarbeiter, ihrem stringenten Kostenmanagement und ihrem zuverlässigen Service, es ist auch richtig, dass die Handelsdefizite der schlimmsten Stabilitätssünder zu einem großen Teil auf eigenem Verschulden beruhen. Und erst der florierende Außenhandel versetzt Deutschland in die Lage, anderen Ländern mit Milliardenhilfen beizustehen. Deswegen mag es geradezu absurd klingen, jetzt der deutschen Exportwirtschaft in den Arm zu fallen, um anderen Ländern zumindest die Chance einzuräumen, im internationalen Wettbewerb gegen die übermächtige deutsche Konkurrenz Tritt zu fassen.

Aber genau diese Solidarität könnte in einer europäischen Fiskalunion von Deutschland im Interesse eines europäischen Gleichgewichts verlangt werden. Und genau hierüber ist auf den bisherigen Gipfeltreffen offenbar noch gar nicht geredet worden. Aber vielleicht steht das dann auf der Tagesordnung des nächsten Gipfeltreffens? Oder des übernächsten? Oder das Thema erledigt sich von selbst, weil die deutschen Exporterfolge im kommenden Jahr einer Konjunkturdelle zum Opfer fallen? Und worüber reden Europas Gipfeltouristen dann? Natürlich immer noch über die wirkliche, endgültige, alternativlose Bewältigung der europäischen Krise. Wen wundert es noch, dass die Börsen allmählich wie Goethes Wanderer seufzen:

"Ach, ich bin des Treibens müde,

Was soll all die Qual und Lust?           

Süßer Friede,

Komm, ach komm in meine Brust".

Aber vielleicht ist genau das das Kalkül der Politiker: So lange diskutieren, beschließen, korrigieren und erneut beschließen, bis keiner mehr zuhört. Die Wähler nicht und die Finanzmärkte erst recht nicht.

Quelle: ntv.de

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