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Italien wartet auf seine Erlösung Regierungschef zum Vergessen

Silvio Berlusconis Parole: "Erst ich, dann das Land."

Silvio Berlusconis Parole: "Erst ich, dann das Land."

(Foto: REUTERS)

Italien leidet - unter seinen Schulden und unter Silvio Berlusconi. Der Ministerpräsident lässt seine Maske fallen und macht deutlich, was er von seinem Land hält. Der 74-Jährige ist das größte Problem des drittgrößten Euro-Landes.

Italien ist ein schönes Land. In ihm wohnen größtenteils liebenswerte Menschen. Setzt man teutonische Maßstäbe an, sind sie mitunter zu laut und anstrengend, aber dennoch setzt sich Jahr für Jahr eine Blechkarawane mit Hunderttausenden in Bewegung, die die italienische Gastfreundschaft genießen wollen. Das milde Klima ist dabei ein zusätzlicher Anreiz für die in den Augen der lebenslustigen Italiener zu mürrischen und zu pflichtbewussten Deutschen, denen die südländische Leichtigkeit fehlt.

Italien hat leider auch einen großen Nachteil, nämlich seine Regierung mit dem peinlichen an der Spitze, die den größten Teil des Volkes zwischen Alpen und Sizilien schier zur Verzweiflung bringt. Kurzum: Dieses schöne Land wird miserabel regiert. Aber der Gipfel ist die Tatsache, dass der Regierungschef sein Italien in einem Telefonat mit dem Herausgeber einer Online-Zeitung, Valter Lavitola, als "Scheißland" bezeichnet hat. Zudem soll Berlusconi von Lavitola und dem Unternehmer Giampaolo Tarantini erpresst worden sein. Drei Mal darf man fragen, warum? Es geht natürlich wieder um Partys, leichte Mädchen und Sex - also . Der stille Beobachter ist irritiert und fragt sich: Wer regiert dieses Land eigentlich? Es kann doch nur ein Ministerpräsident sein, der - vorsichtig ausgedrückt - seinen Aufgaben nicht annähernd gewachsen ist. Berlusconi würde sagen: ein Sch…-Regierungschef, bei dem man k... könnte.

Der Vorsteher des Mitte-Rechts-Kabinetts ist mittlerweile zum größten Problemfall Italiens mutiert. Der Italiener an sich wundert sich bei diesem Mann über gar nichts mehr. Ihm ist es mittlerweile auch egal, wo, wann und wie oft der 74-Jährige koitiert hat oder die wievielte Haarverpflanzung er an sich vornehmen ließ. Er nimmt die Berlusconischen Skandale und Ausfälle beziehungsweise die Berichte der bunten Blätter über den "Cavaliere" nur noch resignierend zur Kenntnis. Mit seinem eigentlichen Posten - er sitzt immerhin auf einem der wichtigsten Regierungsstühle Europas -  wird Berlusconi kaum noch in Verbindung gebracht.  

Aufschnüren des Sparpakets

Das ist eine Katastrophe, denn die Apenninenrepublik hat wirklich große Aufgaben zu bewältigen. Eine tiefe Krise beutelt das Land; Italien hat mit Verbindlichkeiten in Höhe von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eine riesige Schuldenlast zu tragen - die zweitgrößte in der Euro-Zone nach Griechenland. Mit viel Tamtam wurde in Rom ein weiteres mit einem Volumen von 45,5 Milliarden Euro aufgesetzt. Es folgte einem mittlerweile mit großer Mühe durch beide Parlamentskammern gebrachten ersten von 40 Milliarden Euro. Allerdings sind bei dem zweiten Paket die Schnüre mittlerweile stark gelockert worden. So ist es wenig verwunderlich, dass die ersten Bestandteile bereits aus ihm herausgefallen sind.

Kein harmonisches Duo: Berlusconi und Umberto Bossi.

Kein harmonisches Duo: Berlusconi und Umberto Bossi.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

So kippte die Regierung die geplante Reichensteuer. Berlusconi schob dabei vor, dass der schwierige Koalitionspartner Lega Nord mit seinem noch schwierigeren Chef Umberto Bossi diese Steuer torpedierte. Auch geplante Teile der Rentenreform bekommt Berlusconi nicht zustande.  

Unter anderem können sich die italienischen Fußballfans (Tifosi) freuen, denn der kann in Bälde stattfinden, weil sich die millionenschweren Profis nach Berlusconis Entgegenkommen wieder in Bewegung setzen. Aber wer profitiert auch davon? Natürlich, Silvio Berlusconi, denn er besitzt neben Unternehmen und Firmenbeteiligungen auch den AC Mailand.

Allerdings holt die Tifosi und ihre Landsleute - darunter viele mit niedrigem oder gar keinem Einkommen - die Wahrheit schnell wieder ein. Denn der Umfang des Sparpakets muss erhalten bleiben, weil sonst die EU-Kommission und den Italienern aufs Dach steigen. In Brüssel und Frankfurt ist man bereits hochgradig nervös und fordert von der Regierung Berlusconi die Durchsetzung der Sparbemühungen. Deshalb erwägt Rom nun, die Mehrwertsteuer um einen Punkt auf 21 Prozent zu erhöhen. Der einfache Fan, der zwar nun wieder Fußball schauen kann, ist der Gelackmeierte. Somit hat seine anfängliche Freude einen faden Beigeschmack.

Alarmiert: Jean-Claude-Trichet.

Alarmiert: Jean-Claude-Trichet.

(Foto: REUTERS)

Mit seriöser Finanzpolitik jedenfalls hat das Ganze nichts zu tun. Aber was ist bei Berlusconi eigentlich seriös? Italien und Europa müssen - wenn es ganz schlecht läuft - mit ihm noch bis 2013 irgendwie auskommen. Aber vielleicht wirft er von selbst hin. Für Italien käme dies einer Erlösung gleich. Denn eigentlich ist Berlusconi sein Land doch völlig egal.

Quelle: ntv.de

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