Kolumnen

Raimund Brichta Inflation - find ich blöd!

Warum eigentlich sollen die Preise steigen? Freuen wir uns als Verbraucher nicht, wenn die Dinge günstiger werden? EZB-Chef Draghi verfolgt einen komplizierten Plan: Staatsschulden sollen sinken - und das Ganze ohne Tilgung.

Früher war ein Notenbankchef in Deutschland dazu da, die Inflation zu bekämpfen. Preisstabilität gehörte zu den Lieblingswörtern jedes Bundesbankpräsidenten. Und wenn die Teuerung mal so niedrig war wie zurzeit, zeigten sich die Währungshüter zufrieden - schließlich hatten sie ihr Ziel erreicht.

Raimund Brichta, n-tv Telebörse

Raimund Brichta, n-tv Telebörse

(Foto: n-tv)

EZB-Chef Mario Draghi freut sich dagegen überhaupt nicht über die erreichte Preisstabilität. Er tut sogar alles, um die Inflation anzuheizen - nicht nur mit Taten wie den jetzt verkündeten, sondern auch mit Worten. Was aber treibt ihn an? Ist es tatsächlich die Furcht vor Deflation, also dem Gegenteil von Inflation? Vermutlich nicht, denn Draghi beteuert, dass er eine Deflation nicht erwarte. Trotzdem stört es ihn, dass die Preise nur leicht steigen. Er will mehr Inflation. Doch weshalb?

Uns Verbraucher kann er dabei nicht im Sinn haben, denn wir freuen uns über den jetzigen Zustand. Und wir hätten vermutlich auch nichts dagegen, wenn die Preise fielen, oder? Schließlich könnten wir uns dann fürs gleiche Geld mehr leisten.

Für wen aber schlägt Draghis Herz, wenn nicht für uns Bürger? Einen Hinweis darauf gab er neulich selbst, als er in einem Interview sagte: "Der Schuldenabbau, der in großen Teilen des Euroraums von großer Bedeutung ist, wird durch niedrige Inflation erschwert." Aha, die Staatsschulden scheinen ihm also am Herzen zu liegen.

Nur was meint er damit? Wie kann eine niedrige Inflation den Schuldenabbau erschweren? Um das zu verstehen, muss man wiederum wissen, dass Draghi gar nicht Schuldenabbau meint, wenn er Schuldenabbau sagt. Wir Bürger würden darunter vermutlich verstehen, dass man einen Teil seiner Schulden ordentlich zurückzahlt, um danach weniger in der Kreide zu stehen als vorher. Richtig? Doch genau dies geschieht bei Staatsschulden so gut wie nie. Ihre absolute Höhe geht nur in äußerst selten Fällen zurück.

Deshalb kann Draghi nur einen fiktiven Abbau gemeint haben, der mit folgendem Kniff funktioniert: Es ist nämlich zur Gewohnheit geworden, dass man die Höhe eines staatlichen Schuldenbergs ins Verhältnis setzt zum nominalen Wert der gesamten Wirtschaftsleistung, die auf dem Gebiet des Staates erbracht wird. Daraus errechnet sich eine Größe, die wir als "Schuldenquote in Prozent des Brutto-Inlandsprodukts" kennen.

Wie aussagekräftig sie ist, darüber lässt sich zwar streiten, doch ihr Vorteil liegt auf der Hand: Wenn die Wirtschaft zum Beispiel real stagniert, brauchen die Staatsschulden nur geringer zu steigen als die Preise, und schon wird die Schuldenquote kleiner. Klingt ein bisschen kompliziert, ist aber so. Der Trick dabei ist, dass man die Wirtschaftsleistung hier mit dem aktuellen Preisniveau misst. Steigen die Preise, steigt damit automatisch auch das nominale BIP, selbst wenn es real unverändert bleibt. Und damit kann man sich selbst dann für einen Schuldenabbau feiern lassen, wenn man in Wahrheit mehr Schulden macht. Wichtig ist nur, dass die Preise noch stärker steigen als die Schulden.

Aus diesem Grund finden Schuldenpolitiker niedrige Inflation blöd. Mario Draghi findet das auch. Dies wiederum finde ich blöd. Und was finden Sie?

fragt Ihr

Raimund Brichta

Übrigens - wenn Sie mit mir darüber diskutieren möchten, können Sie das hier tun: https://www.diewahrheituebergeld.de/

Quelle: ntv.de

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