Wirtschaft

Deutsche Hersteller aufgepasst Retten Roboter-Autos die Autoindustrie?

Eine Milliarde Autos werden derzeit weltweit bewegt. Sie werden irgendwann durch neue ersetzt. Die Branche frohlockt - aber auch andere Konzerne machen mobil und den Platzhirschen Konkurrenz. Stichwort: Autonomes Fahren.

"Die Branche braucht das Robot-Auto" - so lautete vor Kurzem eine Schlagzeile in der "Welt am Sonntag". Und sie braucht es offensichtlich schnell. Alle Hersteller - mit Ausnahme von Jaguar - haben sich inzwischen wie die Fliegen beim Pferdeapfel auf die Entwicklung selbst fahrender Autos gestürzt. Denn ungeachtet von Experten-Warnungen vor strukturell oder temporär gesättigten Märkten hat die Autoindustrie bis zuletzt Fabriken hochgezogen, deren Auslastung –zumindest bei einigen Herstellern - von Tag zu Tag fraglicher wird. Zwar wird die Nachfrage nach Automobilen mittelfristig global weiter steigen, aber erheblich schwächer als in den vergangenen acht Jahren der Erholung von der Weltfinanzkrise. Europa ist gesättigt, die USA sind kurz davor und in Japan schrumpft der Markt bereits aus demografischen Gründen.

Helmut Becker schreibt als anerkannter Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.

Helmut Becker schreibt als anerkannter Autoexperte und Volkswirt für teleboerse.de und n-tv.de eine monatliche Kolumne rund um den Automarkt.

Entscheiden ist aber, dass in China als dem Autodorado schlechthin die Wachstumsampeln plötzlich auf Rot gesprungen sind. Das hat bei westlichen Herstellern und den meisten Zulieferern für erhebliche Verunsicherung gesorgt. Denn auch die einstigen Hoffnungsmärkte Russland, Indien und Südamerika fallen inzwischen als Wachstumsträger weitgehend aus.

Neben den trüben Wachstumsperspektiven stellen neue Geschäftsmodelle gerade aus der IT-Branche die altehrwürdige Autoindustrie vor ebenso unerwartete wie unbekannte Herausforderungen. Tristesse, wohin man blickt. Da kommt das Roboter-Auto sprichwörtlich als "deus ex machina", sprich neuer Wachstumstreiber, gerade recht. Das Roboter-Auto muss es richten! Muss es das wirklich?

Das Roboter-Auto wird kommen

Es ist nicht zu leugnen, dass ausgehend von den USA Ideen und Unternehmen aus der digitalen Wirtschaft sich des Systems Automobil bemächtigen. Also industriefremde Firmen mit unkonventionellen Ansätzen wie Google, Apple, Tesla.

Für Beratungsunternehmen wie Oliver Wyman wird der Roboter auf vier Rädern mit Sicherheit kommen und die ganze Branche umkrempeln. Aber auch die Branche selber rechnet mit einem schnellen Markt-Durchbruch bei Roboter-Autos. Dazu Volkswagenchef Martin Winterkorn: "Heute liegt der Wertschöpfungsanteil der Elektronik am Auto bei rund 30 Prozent. Im Jahre 2020 werden es 50 Prozent sein."

Elektronik-Spezialist und Weltmarktführer Bosch geht davon aus, dass in circa fünf Jahren Autos automatisch auf der Autobahn fahren werden. Ähnliches prognostiziert auch Konkurrent Continental: "Autobahnen sind im Gegensatz zu Innenstädten überschaubares Gelände. Dort erwarten wir hoch automatisiertes Fahren um das Jahr 2020 herum", so Conti-Chef Elmar Degenhart. Dann müsse der Fahrer das System zwar immer noch überwachen, aber das entlaste ihn bereits. Autobahnfahrten ohne menschliche Kontrolle seien in zehn Jahren durchaus denkbar.

Milliardenumsätze warten

Die Autoindustrie erhofft sich vom automatisierten Fahren und dem Roboter-Auto neues Wachstum und Milliardenumsätze, die Experten aus einschlägigen Beratungsgesellschaften und Instituten verheißen eine goldene Zukunft. Bereits 2035 könnten nach Meinung von Oliver Wyman teil- oder vollautomatisierte Autos zwischen 20 und 30 Prozent der Autoproduktion ausmachen. Wyman hat in Modellrechnungen ein gesamthaftes Marktpotenzial von 200 Milliarden Dollar errechnet.

Der Autoexperte vom Center of Automotive Research (CAR) der Uni Duisburg-Essen, Ferdinand Dudenhöfer, geht sogar noch weiter und schätzt, dass der Umsatz mit Fahr-Assistenten und teil-automatisierten Systemen bis 2030 auf mehr als 300 Milliarden Euro wachsen wird. Dazu Dudenhöfer: "Automatisiertes Fahren ist für die Branche die Wachstumsmaschine der nächsten 15 Jahre."

Komfort und Fahrspaß wichtiger

Wenn sich die Experten da nicht täuschen! Braucht die deutsche Automobilindustrie das Roboter-Auto also zum Überleben? "In den kommenden zehn Jahren wird entschieden, ob die deutsche Erfolgsgeschichte des Autos weitere 125 Jahre fortgeschrieben wird", sagt Kanzlerin Angela Merkel dazu. Sie hat recht. Erfolgreiche Autohersteller waren, sind und werden auch künftig diejenigen sein, die ihren Kunden Autos mit größtmöglichem Komfort, dem effizientesten Einsatz der kostengünstigsten Antriebsenergie, hohen Imagewerten und einem ansprechenden Styling zu angemessenen Kosten bieten. Spaß am Vehikel Auto eben!

Das bietet auf absehbare Zeit allerdings kein Roboter-Auto! Spaß am Auto wohl aber, oh Wunder, die deutsche Automobilindustrie dank einer höchst innovativen und pfiffigen Zulieferindustrie. Technologisch und qualitativ sind die deutschen Autohersteller 2015 Weltmarktführer. 15 Millionen Autos mit deutschem Markenzeichen werden jährlich global verkauft, der deutsche Weltmarktanteil beträgt 20 Prozent, bei Premiumautos der Marken Audi, BMW und Daimler sogar 70 Prozent. Und nichts spricht dagegen, dass das morgen nicht auch so sein wird.

Zwar treiben alle Hersteller, mit Daimler an der Spitze, auf der einen Seite in einem Anfall von Schizophrenie die Entwicklung des teil- und vollautomatisierten Fahrens mit aller Macht voran. Sie versäumen es aber dabei aber nicht, gleichzeitig in immer schnelleren Tempo immer verbrauchsgünstigere, leistungsstärkere und kundenspezifischere Modellvarianten und Derivate zu entwickeln, die alle traditionell auf Fahrspaß und Selbstfahrer ausgelegt sind. Weil damit das Geld verdient wird, was beim Roboter-Auto verbrannt wird!

Kurz: Auch in Zukunft liegen die Chancen für Wachstum und Erfolg für die deutschen Hersteller bei hochwertigen und zuverlässigen Automobilen, die von den Kunden selbst bewegt werden, nicht bei Roboter-Autos! Nichts gegen elektronische Assistenzsysteme,wenn der Kunde sie denn will und bereits ist, dafür 2000 bis 4000 Euro Mehrpreis zu zahlen. Bei nützlichen elektronischen Helferlein, die dem Autofahrer die Verantwortung für das Fahren erleichtern und noch mehr Fahrspaß bereiten, liegen die Wachstums- und Erfolgschancen für die deutschen Hersteller. Nicht bei Roboter-Autos, die dem Fahrer wie bei der Eisenbahn oder im Flugzeug die Verantwortung aus der Hand nehmen und ihn zwangsweise dem System unterordnen.

Eine Milliarde Automobile wird gegenwärtig weltweit bewegt, die alle eines Tages durch neue und verbrauchsgünstigere Autos ersetzt werden müssen. Aber nicht durch Roboter-Autos bei einer potenziellen Kundschaft, die bis zum Jahr 2050 zu 60 Prozent in Ballungsgebieten lebt. Das selbst fahrende Roboter-Auto als Zukunftsvision mag in den endlosen Weiten von Prärie und Tundra oder Wüste ein nützliches Verkehrsmittel sein, in Ballungsräumen mit hochkomplexen Verkehrssituationen oder auf dichten Autobahnen wie in Deutschland und anderswo taugt es wenig.

Das Roboter-Auto kann die Branche nicht retten, wohl aber, dass sie bei ihrer bisherigen Erfolgslinie bleibt! Und vor allem den Schalter nicht vergisst, mit der überflüssige elektronische Systeme abgeschaltet werden, die der Industrie zwar Wertschöpfung bringen, dem Kunden aber die Freude am Fahren verderben. Dann kann Frau Merkel ganz beruhigt sein, dass in ihrer Amtszeit - wann immer die auch enden wird -  die Autoindustrie Wachstums- und Wohlstandsgarant in Deutschland bleibt.

Die nächste Kolumne zu diesem Thema erscheint am 31. August. Ihr Titel: Selbst lenken oder autonom "gefahren" werden: Was will der Auto-Kunde wirklich?

Quelle: ntv.de

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