Wirtschaft

Von Emporkömmlingen, Träumern und Bayern-Jägern Bleibt BMW "spitze"?

Dreikampf um die Weltspitze in der Oberklasse: Audi, BMW und Mercedes-Benz. Derzeit hat BMW die Nase vorn.

Dreikampf um die Weltspitze in der Oberklasse: Audi, BMW und Mercedes-Benz. Derzeit hat BMW die Nase vorn.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit Jahren bestimmen drei deutsche Hersteller den automobilen Premiummarkt. Audi, BMW und Daimler sind das Maß der Dinge, Nuancen entscheiden dabei über die Position. Momentan fährt BMW der Konkurrenz vorweg - aber wie lange noch?

Die jüngsten Schlagzeilen in der Automobilpresse sprechen Bände: "Audi will BMW überholen - Mit riesigen Investitionen an die Premiumspitze"; "Daimler fährt groß auf"; "Mit neuen Modellen will Daimler die Erzrivalen BMW und Audi bis 2020 überholen". Und weshalb die ganze Aufregung? "Deutsches Premiumrennen um die Krone - BMW fährt Konkurrenz davon".

Im Klartext heißt das zweierlei: Zum einen scheinen die Tage der Münchner Nobelmarke an der Weltspitze gezählt zu sein - wenn es nach dem Wettbewerb geht. Zum anderen hat sich auch 2013 an der Spitze der automobilen Oberklasse im Weltmarkt nichts geändert. Die deutschen Hersteller beherrschen das globale Premiumsegment unangefochten zu fast 80 Prozent. Und: BMW fährt weiter vorneweg, die anderen beiden süddeutschen Wettbewerber hinterher. BMW ist 2013 mit 1,66 Millionen Fahrzeugen der Kernmarke (also ohne Mini) weiterhin die Nummer eins, gefolgt von Audi mit 1,57 Millionen und Daimler (nur die Kernmarke Mercedes-Benz) mit 1,48 Millionen Fahrzeugen. Allerdings, auch das sei registriert: Die Verfolger kommen dem weiß-blauen Spitzenreiter immer näher, der Abstand in den Verkaufszahlen wird kleiner.

Vom Emporkömmling zum Gejagten

Dieses Ranking war nicht immer so. Noch 1980 lag BMW mit 341.000 Automobilen an dritter Stelle und Daimler mit 429.000 Autos noch um 25 Prozent vor den Münchnern, war damit scheinbar uneinholbar - und unangefochtener Platzhirsch im Weltmarkt. Selbst Audi verkauft zu diesem Zeitpunkt noch ganze 5000 Automobile mehr als BMW. Bereits 10 Jahre später hat BMW Audi, 30 Jahre später dann auch Daimler überholt und mit wachsendem Abstand hinter sich gelassen.

Inzwischen bläst BMW der scharfe Wind des Wettbewerbs voll ins Gesicht. Die Verfolger holen auf und werden nicht müde, durch lautes Trommeln und Kriegsgeschrei den angestrebten Sturz des Marktführers in Aussicht zu stellen - Daimler bis 2020, Audi etwas bescheidener bis 2024.

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Unterfüttert werden die Umsturzpläne durch die Verkündung horrender Investitionsprogramme in Produkt, Technik und neue Fabriken vor allem in China und Nordamerika und mit einer Ausweitung der Modellpalette in einem Ausmaß, das mindestens Mittlere Reife zur Unterscheidung der ganzen Modellbezeichnungen und ihrer Derivate voraussetzt. Nach der jüngsten Modellvorschau der "Automobilwoche" bringt es dabei Daimler von 2014 bis 2018 auf insgesamt 21 neue Modelle und Derivate, Audi auf bescheidene 5. BMW antwortet seinerseits mit 18 neuen Modellanläufen.

Der Geist der Mirabelle

So weit, so gut. Kriegsentscheidend für einen Strategen ist das nicht: Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens ist etwas ganz anderes, die "Corporate Excellence", die Unternehmenskultur - oder, frei nach Siegfried Lenz, der Geist der Mirabelle, nach der ein Unternehmen tickt. Ganz gleich, ob es sich dabei um Großkonzerne wie Daimler oder BMW handelt oder um ein mittelständisches Familienunternehmen wie die Automobilzulieferer Dräxlmaier oder WOCO.

Es bleibt in der Familie

Um beim Beispiel Automobilindustrie zu bleiben: BMW ist seit der fehlgeschlagenen Übernahme durch Daimler Benz 1960 bis heute im Besitz der Familie Herbert Quandt/Klatten, so wie Volkswagen/Porsche inzwischen ebenfalls dank Wendelin Wiedeking im Eigentum der Familien Piech und Porsche gelandet sind. Damit sind die Voraussetzungen für eine straffe, wertorientierte und konservative Führung und eine langfristige Orientierung an dauerhafter Existenz und Wertsteigerung erheblich besser als bei jeder Publikumsgesellschaft.

Daimler bietet das Gegenbeispiel. Der schleichende Niedergang begann nach dem Ausstieg der Familie Flick als Großaktionär Mitte der 1970er Jahre, als Visionäre und Egozentriker in Führungspositionen kamen und ohne wirksame Kontrolle durch die Aufsichtsräte ihre Großmannsträume ausleben durften, mit riesigen Wertverlusten des Konzerns. Das Ergebnis ist bekannt.

Familienbesitz bedeutet allerdings nicht zwangsläufig unternehmerische Fachkompetenz. Automobilkonzerne im Familienbesitz, in denen diese weise Erkenntnis praktiziert wird, besitzen die besten Voraussetzungen, die Führung mit den fähigsten Köpfen von außen zu betrauen. Andererseits können personelle Fehlentscheidungen rasch und unbürokratisch korrigiert werden. Fiat mit dem Niedergang unter der Familie Agnelli und der Rettung und Wiederauferstehung unter dem externen Italo-Kanadier Sergio Marchionne an der Spitze ist das jüngste Beispiel dafür.

Die Familie Quandt hat dieses Prinzip der Führung von außen seit 1960 praktiziert. Bei BMW überwogen seit 1970 eindeutig die positiven Personalentscheidungen. Unter Persönlichkeiten wie von Kuenheim wurde aus der automobilen Dorfschmiede in München-Milbertshofen ein Weltkonzern, unter Milberg und Reithofer aus dem Weltkonzern ein Global Player.

Wer schlägt die Bayern?

All das beantwortet aber noch nicht die Frage, ob BMW die Premiumspitze halten kann und wie gefährlich die angekündigte Verdrängung durch die Wettbewerber für BMW ist. So wie im Fußball der FC Bayern auf absehbare Zeit nur vom FC Bayern selber geschlagen werden kann, so liegt beim Automobil die Antwort auf die Frage bei BMW selbst.

"Es mag auf der Welt zu viele Autos geben, so gibt es dennoch zuwenig BMW!", sagte Eberhard von Kuenheim Anfang der 1980er während der zweiten Ölkrise zu seinen Anteilseignern und Führungskräften. Damals trennten BMW noch Lichtjahre vom Nobelstern aus Stuttgart. Diese Einstellung und dieses Siegergen, das der Ostpreuße von Kuenheim dem Unternehmen eingeimpft hat, treibt es bis heute und hat es vom fast unbekannten Marken-Winzling innerhalb von vierzig Jahren zum weltgrößten Anbieter von Nobelkarossen im sogenannten Premium-Segment gemacht.

Von Fischen und Hasen

Bankanalysten, Unternehmensstrategen aus dem Consulting und Wirtschaftsprüferbereich sowie Journalisten der Fachpresse stützen ihr Ranking-Urteil über die Zukunft eines Autoherstellers in Unkenntnis alternativer objektiver Bewertungskriterien meist auf empirische Befunde: Absatzzahlen, Marktanteile, Bilanzdaten, künftige Spannweite der Modellpalette, Höhe der angekündigten Investitionen und so weiter.

Alles richtig, aber auch alles falsch! Die eigentlichen Erfolgsgene vor allem eines Automobilunternehmens stecken nicht in der Bilanz oder sonstigen Kennzahlen, sie stecken in den Köpfen und der Motivation der Mitarbeiter, dem Gespür des Betriebsrates für "sein" Unternehmen und vor allem in dem Können und der Ethik der Führungsspitze. Wie heißt es so schön an der Küste: "Der Fisch stinkt vom Kopf her". Das gilt noch mehr für die Erfolgschancen eines Automobilunternehmens im gnadenlosen weltweiten Verdrängungswettbewerb.  

Richtig ist auch, dass viele Hunde des Hasen Tod sind. Audi, Daimler, neuerdings auch wieder Jaguar - sie alle jagen den Spitzenreiter BMW. Deswegen muss das Unternehmen aber nicht zum Angsthasen werden.

Vergeht die "Freude am Fahren"?

Was aber kann die Münchener wirklich von der Spitze vertreiben? Die wahre Gefährdung von BMW geht nicht davon aus, dass die Wettbewerber aus Ingolstadt und Stuttgart auf- und überholen, sondern nur von zwei Faktoren: zum einen von BMW selbst in Form falscher Besetzung beim Führungspersonal und bei gravierendem Missmanagement wie bei der Übernahme von Rover. Zum anderen davon, dass den Menschen die "Freude am Fahren" abhanden kommt. Wer als Unternehmensmotto "Vorsprung durch Technik" hat wie Audi, muss Innovationen liefern, sonst wird er unglaubwürdig.

Wer wie Daimler die Markenslogans wechselt wie andere die Anzüge - aktuell heißt der Slogan: "Das Beste oder nichts" -, steht für Beliebigkeit. Solange Autokäufer "Freude am Fahren" haben wollen und solange es BMW gelingt, dieses Lebensgefühl über seine Produkte zu vermitteln, auch wenn diese nur in der Garage oder im Stau stehen, solange dürfte BMW "spitze" bleiben, wenn auch nicht notwendigerweise in den Verkaufszahlen.

Quelle: ntv.de

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