Kolumnen

Die Busch-Trommel Doch keine gemahd'n Wiesn?

Peer Steinbrück will Kanzler werden - und das mit klaren Worten: Schuld an der Finanzkrise sind die Banken und da muss etwas gemacht werden, der Staat mit harten Bandagen agieren. Dumm nur, dass einige Fehlentwicklungen auch auf Steinbrücks Konto gehen.

Friedhelm Busch, Börsenkommentator bei n-tv

Friedhelm Busch, Börsenkommentator bei n-tv

Steinbrücks Überlegungen zur Regulierung der Finanzmärkte sind durchaus populär, denn im internationalen Finanzwesen läuft seit Jahren etliches schief, was längst hätte begradigt werden müssen: Die jüngsten Enthüllungen über geheime Absprachen bei der Fixierung der bankinternen Verrechnungszinsen, über Verstöße gegen Geldwäschegesetze, Beihilfen zur Steuerhinterziehung, riskante Spekulationen mit Nahrungsmitteln, Kursmanipulationen mit Hilfe ultraschneller Computer oder obszön hohe Bonuszahlungen; die nach oben offene Liste tatsächlicher oder auch nur vermuteter Verfehlungen gieriger, betrügerischer, arroganter oder schlicht dummer Bankmitarbeiter zu Lasten der Anleger, Sparer, Verbraucher und Steuerzahler füllt die täglichen Schlagzeilen der Massenmedien, ruft Politiker seit langem aus allen Lagern auf den Plan. Nun also auch Steinbrück.

Diese weltweite Kakophonie aus Vorwurf und Verteidigung, Gegenwehr und Abwehr, aus Sinnvollem und Unsinnigem, das alles lässt die Bürger ratlos zurück. Und für einen Politik Strategen ist genau das eine "gemahd´n Wiesn", eine gemähte Wiese. In Bayern steht dieser Begriff für ein Vorhaben mit sicherem Ausgang, also für ein leichtes Spiel. Egal, was nun auch immer auf kriminelle Verfehlungen Einzelner oder auf eine grundsätzliche Fehlentwicklung des Systems zurückzuführen ist, bei diesem politischen Spiel liegt die Rollenverteilung auf der Hand: Die Sündenböcke, das sind die Bankmanager oder ganz allgemein die bösen Spekulanten auf den Finanzmärkten, der Part der Guten bleibt den Politikern vorbehalten. Doch sollte man eines dabei nicht vergessen: Seit jeher besteht die Aufgabe eines Sündenbocks darin, vom Versagen anderer abzulenken.

Und die jüngste Initiative des Kanzlerkandidaten Steinbrück zur Bändigung der Banken ist dafür ein geradezu exemplarisches Beispiel. Wenn man seiner Argumentationsschiene folgte, dann wären diese übermächtigen Finanzmärkte und deren Handlanger die Täter und damit Verursacher der aktuellen Schuldenkrisen. Während die armen  Politiker die Opfer dieser Schurken sind. Und um das künftig zu vermeiden, müsse der Staat notfalls mit harten Bandagen zuschlagen und denen das Handwerk legen!

Einer muss es ja machen

Das klingt entschlossen und stößt daher auch mühelos auf laute Zustimmung in den Medien, folglich auch in der verunsicherten Bevölkerung. Endlich ein Politiker, der Klartext redet und  aufräumen will! Das kommt an! Also eine gemahd'n Wiesn für den Politiker Steinbrück? Im SPD-Parteivorstand hat das schon einmal geklappt. Der hat einstimmig Steinbrück zum Kanzlerkandidaten nominiert. Und die Partei wird mit Sicherheit im Dezember auf einem Sonderparteitag folgen. Selbst der linke Parteiflügel wird zustimmen. Was soll er auch sonst machen? Von drei Kandidaten haben bereits zwei das Handtuch geworfen. Bleibt nur einer übrig, und der muss es dann halt werden.  

Aber werden auch die übrigen Bundesbürger Steinbrücks Inszenierung vom Staat als von den Banken missbrauchte Unschuld applaudieren? 

Fraglich, denn das Drehbuch hat eine entscheidende Schwachstelle. Bei nahezu jeder Wirtschaftskrise der jüngsten Zeit stand nämlich die Politik Pate, waren politische Entscheidungen und Anregungen mitverantwortlich, wenn nicht gar ausschlaggebend für Fehlentwicklungen. So ist die Euro-Krise - auch!; nicht allein! - auf die fatale Entscheidung des früheren deutschen Finanzministers Eichel zurückzuführen, die Maastricht-Kriterien ganz einfach zu missachten, weil sie der rot-grünen Koalition nicht in den Kram passten. Dadurch wurden die bewusst vereinbarten Leitplanken zum Schutze eines stabilen Euro vom wichtigsten Europartner ohne jede Hemmung öffentlich demontiert. Dass die anderen Euroländer diesem Beispiel nur allzu gerne folgten, konnte keinen überraschen.

Oder: Die US-Immobilienkrise hätte vermutlich ohne die von Washington gewünschte Eigenheimförderung auch für weniger finanzkräftige US-Bürger nicht ihre unheilvolle Dynamik entwickelt. Selbst wenn hinter der politischen Entscheidung honorige Absichten gestanden haben mögen, die Folgen waren und sind immer noch furchtbar genug. Damit soll nun keineswegs das skrupellose Verhalten einzelner US-amerikanischer Finanzinstitute und deren Mitarbeiter heruntergespielt werden, die daraus bedenkenlos und missbräuchlich ihren eigenen Vorteil zogen, aber es war die offizielle US-Politik, die dieser kriminellen Entwicklung die Vorlagen geliefert hat. Dass ein gehöriges Maß an Mitverantwortung auch die Opfer, also die Bürger selber tragen und die gedankenlos lärmenden Medien, das sollte dabei allerdings auch nicht unter den Tisch fallen.

Ablenkungsmanöver

Und in diesem Stück über Krisen-Verursachung und Krisen-Verantwortung spielt auch Peer Steinbrück selbst eine herausragende Rolle. Nein, nicht als Opfer gieriger Finanzmärkte, das sieht vielleicht er so, sondern als Mittäter. Zunächst  als nordrhein-westfälischer Wirtschaftsminister, dann als Ministerpräsident des Landes und schließlich als Bundesfinanzminister. Die Fehler der öffentlich-rechtlichen WestLB sind auch unter seiner Aufsicht gemacht und nicht verhindert worden, und aus Steinbrücks Bundesfinanzministerium ergingen noch unmittelbar vor Ausbruch der amerikanischen Immobilienkrise Signale und eindeutige Anregungen an die Adressen deutscher Kreditinstitute, sich doch bitte verstärkt in verbrieften Hypothekenanleihen zu engagieren;törichte Banken, die diesem Rat folgten, wie beispielsweise die IKB unter der staatlichen Aufsicht von Ministerialdirektor Jörg Asmussen aus dem Bundesfinanzministerium, mussten dann später wegen dieser Anlagen mit staatlichen Milliarden gerettet werden.

Aus Steinbrücks Finanzministerium kamen zudem auch Anregungen, es doch bitte mit den Regulierungsvorschriften im Bankenwesen nicht allzu streng zu nehmen. Das Ergebnis ist bekannt. Sicher, die Beteiligten, zumindest Steinbrücks späterer Staatssekretär, Jörg Asmussen, würden heute anders handeln. Das ist auch gut so, denn Jörg Asmussen sitzt zurzeit auf Anregung der jetzigen Bundesregierung als hochgeschätzter Finanzmarktexperte in EZB. Natürlich kann sich jeder mal irren, trotzdem bleibt die Verantwortung der Politiker für ihr Tun und Lassen.

Der gegenwärtige Kanzlerkandidat der SPD hätte also Grund genug, sich einsichtig und demütig  einzureihen in die Schar der Verantwortlichen für die aktuellen Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten, doch offenbar setzt Herr Steinbrück lieber darauf, mit aggressivem Sarkasmus andere an den Pranger zu stellen und  die eigenen Fehler höchstens zur ironischen Fußnote verkommen zu lassen. Selbst oder gerade bei der linken SPD scheint diese Taktik anzukommen. Hauptsache, es geht gegen die Banken! Ob aber auch die Mehrheit der Bundesbürger ihm bei seinem Ablenkungsmanöver folgen wird, das ist ungewiss. Glaubwürdigkeit gewinnt man anders. Auch eine gemahd`n Wiesen kann plötzlich verwildern oder versumpfen.

Quelle: ntv.de

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