Wirtschaft

Die Busch-Trommel Die Krise schwelt weiter

Die deutschen Medien sind derzeit auf Bundespräsident Wulff fixiert. Dadurch gerate die nach wie vor grassierende europäische Schuldenkrise in den Hintergrund, meint Friedhelm Busch. Trotz aller Rettungsbemühungen der Politik habe bislang noch kein Lösungsversuch funktioniert.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Wer auch immer dieses unsägliche Dramolett um Hausfinanzierung und Übernachtungen des Bundespräsidenten angestoßen hat und mit welchem Ziel, das wird sich, wenn überhaupt, wohl erst im Laufe der nächsten Monate erweisen. Vielleicht erscheint ja im Verlauf dieser Groteske schon bald ein neuer Bundespräsident auf der Medien-Bühne, einvernehmlich auf den Schild gehoben von den Unionsparteien und Sozialdemokraten, gefolgt von einer entsprechenden neuen Bundesregierung.

Vorstellbar wäre auch die umgekehrte Reihenfolge: Erst eine große Koalition und danach ein neuer Bundespräsident, der in diese politische Konstellation passt. In beiden Fällen aber bliebe die Frage offen, wer dann in der großen Koalition das Sagen haben würde. In dieser Unsicherheit liegt derzeit- noch- die Überlebenschance des gegenwärtigen Bundespräsidenten. Doch was auch immer am Ende herauskommen wird, eines haben die Strippenzieher hinter den Kulissen schon jetzt erreicht: Die deutschen Massenmedien sind in ihren Schlagzeilen und Aufmachern derzeit vollauf damit beschäftigt, Christian Wulff aus dem Amt zu schreiben und zu reden, während die europäische Staatsschuldenkrise und die milliardenschweren, dennoch vergeblichen Versuche, den Euro zu retten in der täglichen Informationsflut untergehen. Wer mag sich noch groß über eine europäische Transferunion empören oder über Milliardenbürgschaften zu Lasten deutscher Steuerzahler, wenn keine Zeitung mehr damit aufmacht, keine Talkshow mehr darüber palavert? Offenbar ist doch alles auf dem richtigen Weg.

Falsch! Ganz falsch! Bisher hat noch kein einziger Lösungsversuch funktioniert. Nichts ist besser geworden. Im Gegenteil. Zwar haben die schlimmsten europäischen Schuldenstaaten ihre Regierungen ausgewechselt, drastische Sparprogramme verabschiedet und zu Lasten ihrer Wirtschaftskraft in Teilen durchgesetzt. Aber das ist es dann auch schon gewesen. Von den grundlegenden und entscheidenden Reformversprechen wurde bisher kaum etwas verwirklicht, sieht man einmal von Irland ab.

Griechische Hausaufgaben nicht gemacht

Nach wie vor sind beispielsweise nicht in der Lage- oder auch nicht bereit-, ihren Staatsapparat wirksam zu verschlanken. Nach wie vor werden Steuerschulden nicht eingetrieben, weil die Finanzbeamten überlastet, unfähig oder korrupt sind. Von vollmundig versprochenen Privatisierungsmaßnahmen ist ebenfalls wenig bis gar nichts zu hören. Trotzdem soll in den kommenden Tagen die nächste Tranche aus dem ersten Rettungspaket ausgezahlt werden. 37 Milliarden Euro stehen noch aus. Aber auch die werden nur für eine kurze Zeit reichen. Ein zweites Hilfsprogramm ist folglich unbedingt erforderlich, sagt die griechische Regierung. Sollten die Euro-Partner sich diesem Ansinnen verweigern, drohe im März der Staatsbankrott. Natürlich wird es auch diesmal wieder nicht dazu kommen, weil der IWF, die EZB und die europäischen Partner, wie gewohnt, einknicken und zahlen werden. Selbst wenn die Auflagen der Troika nicht erfüllt werden.

Die Angst der Retter vor einer Pleite Griechenlands und vor den Folgen für die weltweiten Finanzmärkte ist immens. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Landes könnten die internationalen Finanzmärkte vollends aus dem Takt geraten. Und das wissen die Griechen genau. Sie sitzen am längeren Hebel und denken gar nicht daran, ihr Staatsdefizit wie angeordnet und versprochen abzubauen. All die von der EU angedrohten Sanktionen bei anhaltender Staatsverschuldung sind im Grunde nur hilflose Phrasen, an die Brüssel selber nicht glaubt. Ebenso substanzlos war die Forderung der Politiker, dass sich Banken und andere Privatgläubiger durch einen Forderungsverzicht künftig am griechischen Rettungspaket beteiligen sollten. Das kam zwar gut an bei den Wählern, musste aber dennoch klammheimlich wieder einkassiert werden, weil die potenziellen Käufer italienischer oder spanischer Anleihen im Falle einer "angeordneten” griechischen Umschuldung ähnliche Maßnahmen befürchteten und deshalb auch diesen angeschlagenen Staaten kein Geld mehr leihen wollten.

Gemeinsame Finanz- und Stabilitätsunion nötig

Sagen wir es doch ganz offen: Die Politiker sind mit ihrem Latein am Ende: Mit Krediten den Stabilitätssündern zu helfen, bringt nur noch mehr Schulden und macht erpressbar. Das beweist Griechenland in diesen Tagen. Ebenso sinnlos ist es, unbelehrbaren Stabilitätssündern mit Sanktionen zu drohen, wenn im Grunde der Wille fehlt, dieses Instrument konsequent einzusetzen, zumal drastische Sparmaßnahmen auf kurze Sicht die Defizitprobleme nicht beseitigen sondern nur verschärfen. Helfen kann nur eine gemeinsame europäische Finanz- und Stabilitätsunion. Das weiß im Grunde jeder, aber dazu ist offensichtlich kein Staat in Europa bereit. Vielleicht ändert sich das, wenn bald nicht nur die Stabilitätssünder sondern auch die Retterstaaten auf den Finanzmärkten nur noch zu steigenden Zinsen Schulden machen können.

Mit anderen Worten: Gegenwärtig ist die EU unfähig, die Staatsschuldenkrise wirksam zu bekämpfen. Ein Armutszeugnis, das man tunlichst hinter dicken Nebelschwaden verbergen sollte. Zum Beispiel hinter der wahrhaft erregenden Diskussion über die enttäuschte Liebe eines tumben Bundespräsidenten zu seiner einstigen Jubel-Presse.

Quelle: ntv.de

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