Wirtschaft

Die Busch-Trommel Börse ohne Sinn und Verstand

Die Nachricht vom Tod des lang gesuchten Top-Terroristen Osama bin Laden löst an den Märkten kurzzeitig heftige Effekte aus. Börsenkommentator Friedhelm Busch erkennt darin ein grundlegendes Problem: Am Aktienmarkt wird immer schneller reagiert - und immer weniger nachgedacht.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Kaum waren in den frühen Morgenstunden des 2. Mai die ersten Beiträge über die Liquidation Osama Bin Ladens ins Internet gestellt worden, schossen mit dem Beginn des Börsenhandels in Asien die Aktienkurse in die Höhe. Dem Lauf der Sonne folgend, stieg dann auch in Europa die Stimmung der Anleger, versprachen die US-Märkte deutliche Kursgewinne bei den Aktien und beim US-Dollar. Gleichzeitig sanken die Preise für Gold und Rohöl. Für Produkte also, die sich zuvor einer wachsenden Zuneigung aller ängstlichen Finanzinvestoren erfreut hatten - was Wunder, angesichts der kollabierenden US-Staatsfinanzen und drohenden Umschuldungen in europäischen Landen.

Doch mit dem Tod Osama Bin Ladens waren von einer Minute auf die andere all diese Ängste obsolet, verschwand die täglich zitierte Risikoscheu vom Radarschirm der Finanzmarktbeobachter. Schnelle Begründung der Anlageexperten in aller Welt: Mit Bin Laden sind nun auch die Risiken neuer Terroranschläge geschwunden, muss man als Anleger nicht mehr so stringent wie zuvor auf Sicherheit setzen. Zudem hätten die US-Amerikaner mit ihrem erfolgreichen Einsatz in Pakistan der ganzen Welt bewiesen, dass sich die Weltmacht Nr. 1 am Ende doch immer wieder gegen alle Widrigkeiten behauptet. Warum nicht auch gegenüber der anhaltenden Wirtschaftskrise im eigenen Land?

Vom Jubel zur Warnung

Nun mag es ja sein, dass die erfolgreiche nächtliche Aktion des US-Militärs gegen den mörderischen Osama Bin Laden dem angeschlagenen Selbstbewusstsein der US-Bürger kurzfristig einen kräftigen Schub verleihen wird und damit auch der darniederliegenden Wirtschaft. Aber daraus nun einen Vorteil für die internationalen Finanzmärkte ableiten zu wollen, das war im Grunde völlig unverständlich und unsinnig. Denn wer in aller Ruhe darüber nachdachte, was nun in den Köpfen der Al-Kaida-Terroristen ablaufen würde, der konnte sich im Gegenteil sehr gut vorstellen, dass sie - auch ohne ihren schon mystisch verehrten Führer - jetzt erst recht das Morden fortsetzen würden, aus Rache, aus Hass auf die USA oder auch nur, um ihren Geldgebern ihre immer noch vorhandene Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.

Das alles bedeutet folglich eher eine steigende Gefahr für die Börsen weltweit als eine Entwarnung. Der Preis für das Rohöl aus den arabischen Ländern, mehr als je zuvor ein politischer Preis, wird sehr wahrscheinlich - gerade wegen der zu erwartenden Racheakte der Terroristen - weiter ansteigen. Und auch das Gold könnte, wenn die Scheu vor dem Risiko schneller als gedacht zurückkehrt, in der Gunst der Anleger wieder zulegen.

Hauptsache reagiert

Wer also die Meldungen über den Tod Bin Ladens als Kaufargument für risikoreiche Anlagen interpretierte, der muss von allen guten Geistern verlassen gewesen sein, der hat wahrscheinlich überhaupt nicht nachgedacht, sondern nur in Windeseile auf eine Nachricht reagiert. Dass die internationalen Finanzmärkte schon kurz nach dem Ausbruch dieser unsinnigen Euphorie sehr schnell wieder zurückfanden zur Vernunft, das sollte man nicht leichter Hand mit der Börsenweisheit von den poltischen Börsen und den kurzen Beinen zu erklären versuchen; in diesem abrupten Wechsel von der Berg- zur Talfahrt wird meines Erachtens ein Verhaltensmuster sichtbar, das der Börse als Instrument eines langfristigen Vermögensaufbaus langsam aber sicher den Boden entzieht: Die Anleger mit dem smarten Geld denken nicht mehr, sie reagieren nur noch.

Nicht der Verstand bestimmt das Handeln, sondern der schnelle Finger. Die Aktion muss nicht logisch sein, sie muss als Reaktion auf das Ereignis nur möglichst schnell erfolgen, noch vor den anderen Anlegern. Wenn sie sich nach einem Wimpernschlag als falsch herausstellen sollte, wird sie eben umgehend korrigiert. War sie erfolgreich, werden die Gewinne sofort realisiert.

Kleinanleger im Hintertreffen

Bei diesem Wettspiel des großen Geldes um den schnellen Gewinn werden wir privaten Anleger in der Regel das Nachsehen haben; denn gegen den computergestützten Hochfrequenzhandel, der in Sekundenbruchteilen mit Millionen- oder gar Milliardenbeträgen auf Nachrichten - egal, ob auf richtige oder falsche - mit Kauf- oder Verkaufsaufträgen reagiert, hat der menschliche Verstand keine Chancen.

Wir als private Anleger wären also gut beraten, über ein Engagement an der Börse - wie früher auch - in aller Ruhe nachzudenken. Auch wenn wir dann - vielleicht sogar in den meisten Fällen - die günstigsten Preise beim Aus- oder Einstieg verpassen. Doch damit sollte man als normaler Anleger leben können.

Eine Börse, bei der nur die Geschwindigkeit der Entscheidung zählt, ist eine Börse ohne Sinn und Verstand. Und die braucht im Grunde kein langfristig denkender Mensch.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen