Wirtschaft

Ritt auf der Liquiditätswelle Chinas Börsen sind nicht zu bremsen

Der Einbruch erschreckte Schanghai nur kurz.

Der Einbruch erschreckte Schanghai nur kurz.

(Foto: dpa)

Der dramatische Einbruch der Börse in Schanghai ist schon wieder vergessen: In China treiben in- und ausländische Kapitalströme die Rally weiter an. Doch das aktuelle Niveau ist zu hoch, um den Rückschlag als Ausnahme zu werten.

Da können Analysten warnen, wie sie wollen: Die Rally an den chinesischen Aktienmärkten geht weiter. Die Börse in Schanghai hat den dramatischen 6,5-Prozent-Fall der Vorwoche schon wieder gut gemacht, die Pfeile zeigen nach oben.

Shanghai Composite
Shanghai Composite 3.010,66

Seit Juli vergangenen Jahres hat sich der Shanghai Composite Index mehr als verdoppelt. Allein seit Anfang des Jahres machte der Index 39 Prozent gut. Dabei spielen drei wesentliche Faktoren eine Rolle: Die Liberalisierung der Finanzmärkte, die inländischen Anlagerestriktionen und der Zinssenkungszyklus der Notenbank.

Liberalisierung als Initialzündung

Im November letzten Jahres wurde durch Eröffnung des "Shanghai-Hong Kong Stock Connect" ausländischen Investoren in Hong Kong ermöglicht, direkt festlandchinesische Aktien zu kaufen. Davor war es nur ausgewählten Adressen vorbehalten, überhaupt in diesem Markt zu investieren. Seitdem strömt weitaus mehr Kapital in den chinesischen Aktienmarkt als ihn verlässt. Konsequenz: die Nachfrage steigt und beflügelt die Aktienkurse.

Gleichzeitig haben die chinesischen Anleger ihren Aktienmarkt wieder entdeckt. Nachdem die Preisblase im Vorfeld der Finanzkrise im Jahr 2007 geplatzt ist, haben sie sich verstärkt Immobilien zugewendet. Während die Aktienkurse um über 70 Prozent implodierten, entstand durch Kredit- und Konjunkturhilfen ein Run auf chinesische Immobilien. Damit scheint es nun erst einmal vorbei zu sein. Seit 10 Monaten sinken die Immobilienpreise. Die Chinesen kehren diesem Sektor verstärkt den Rücken zu, der Abwärtssog könnte sich noch intensivieren.

Hier tritt ein Grundproblem des chinesischen Systems zu Tage. Privatanleger können nur in drei Anlageklassen investieren: Aktien, Immobilien und Edelmetalle. Investments im Ausland sind mit Ausnahme von gelisteten Aktien in Hong Kong nicht gestattet. Das hat drastische Auf- und Abwärtsbewegungen in den Anlageklassen zur Folge. Mit dem Eintritt ausländischer Investoren in den Aktienmarkt sind Preissignale gesetzt worden, die heimische Käufer wieder in den Markt gezogen haben. Dies ist von besonderer Bedeutung, da chinesische Privatanleger rund 80 Prozent der Umsätze an der Börse in Shanghai ausmachen. Dadurch entsteht die Dynamik in der aktuellen Aufwärtsbewegung.

Expansive Geldpolitik = höhere Aktienkurse

Unterstützt werden die beiden Treiber von einem Zinssenkungszyklus der chinesischen Notenbank. Das schwächste Wirtschaftswachstum seit 24 Jahren und das Platzen der Immobilienpreisblase erfordert eine expansive Geldpolitik. Seit November letzten Jahres wurde der Leitzins drei Mal von 6,0 Prozent auf 5,10 Prozent gesenkt. Der Mindestreservesatz, eine Einlage die Banken bei der Zentralbank vorhalten müssen, ist im Februar und April um insgesamt 1,5 Prozent gesenkt worden. Ziel ist es, die Kreditvergabe zu erhöhen. Wie bereits aber andere Beispiele gezeigt haben, dürfte ein Teil des frei werdenden Kapitals den Weg in den Aktienmarkt finden. Dies wiederum beeinflusst das Engagement in- und ausländischer Investoren. Eines haben alle gelernt: Expansive Geldpolitik bedeutet höhere Aktienkurse.

Spekulieren für sozialen Frieden

Es stellt sich die Frage, warum die chinesische Regierung, die die Immobilienpreisblase in den letzten Jahren so vehement bekämpft hat, nun den Aktienboom unkontrolliert gewähren lässt? Die Antwort erscheint grotesk. Es geht um den sozialen Frieden. Viele Chinesen haben in den letzen Jahren in Immobilien investiert und erleiden mit dem Preisrückgang kräftige Verluste. Um den sozialen Frieden zu bewahren und keine Massenkapitalflucht auszulösen, hält man die Füße still. Das wird auch eine Weile so bleiben, da das Land das vierte Quartal in Folge Kapitalabflüsse von kumuliert 300 Milliarden US-Dollar verzeichnete. Das aktuelle Wirtschaftssystem benötigt aber konstante Zuflüsse, um das Wachstum aufrechtzuerhalten. Deshalb wird auch durch strukturelle Änderungen eine Aktienmarkthausse kreiert, die einerseits ausländisches Kapital wieder ins Land bringt und andererseits für chinesische Anleger Vermögenszuwächse sichert. Die Strategie ähnelt der Entwicklung in den USA während der 2000er-Jahre.

Vertrauen muss erhalten bleiben

Eine rein liquiditätsgetriebene Hausse bedarf auch der fundamentalen Bestätigung. Der Markt hat bereits angekündigte Reformprojekte eingepreist. Diese müssen jetzt auch umgesetzt werden. Solange dies noch in der Schwebe ist, können heftige Rückschläge den Markt immer wieder treffen, wie vergangene Woche in Schanghai. Die Ankündigung einiger Broker, die Kapitalanforderungen (Margin) zu erhöhen, hat für diese Fluktuation gesorgt und unterstreicht das kreditbasierte Fundament der Rally. Die Treiber der chinesischen Aktienmarktrally sind nach wie vor intakt, aber sollten substanzielle Reformen ausbleiben und ausländische Investoren das Vertrauen in die Regierung verlieren, könnte eine massive Korrektur die Folge sein.

Fondsinvestments

Die Investmentalternativen in China werden mit der zunehmenden Öffnung immer größer. Ein Einzelinvestment ist allerdings sehr riskant, auf dem aktuellen hohen Niveau sowieso. Besser ist derzeit der klassische Weg über Fonds oder ETFs zum Beispiel. Als Basiswerte dienen bei manchen Fonds aber nicht nur Aktien aus Hong Kong oder Shanghai, sondern auch das "Greater" China, das auch Titel aus Taiwan umfasst.

Besonders stark sind auf 1-Jahressicht die Aktienfonds auf Hong Kong und China gelaufen, wie etwa der Fidelity China Focus Fund A oder der Baring Hong Kong China Fund A. Auf die längere Sicht von fünf Jahren konnten allerdings die "Greater" China-Fonds häufig besser abschneiden, weil die chinesischen Festlandsaktien erst seit etwa neun Monaten besonders kräftig gestiegen sind. Am stärksten konnten allerdings die ETFs auf China zulegen, da sie immer 1:1 an der Wertentwicklung des Index partizipieren. Sollte es allerdings wieder abwärts gehen, vollziehen sie die Abwärtsbewegung auch komplett nach.

Quelle: ntv.de

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