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Alexander Seibold Raum für Überraschungen

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Die Pessimisten hatten es sich gerade gemütlich gemacht. Die führenden Kommentatoren der Schwarzseher-Fraktion erwarteten beständig sinkende Gewinnmargen in den Unternehmen, deprimierte Konsumenten und eine Ökonomie an der Schwelle zur Rezession und Deflation. Doch dann kam es in den vergangenen Wochen doch anders: Die deutsche Volkswirtschaft überraschte mit starkem Export-Wachstum und einem sehr positiven ifo-Geschäftsklima-Index. Aus den USA meldeten Unternehmen überraschend gute Quartalszahlen, auch der Häusermarkt sendete ein Lebenszeichen - ein Anstieg der Verkäufe neuer Eigenheime um 24 Prozent im Juni, wenn auch von niedrigem Niveau. Spannend ist nun zu sehen, ob die Pessimisten weiter nur zuschauen oder tatsächlich in den Markt einsteigen.

Denn die Zurückhaltung der Anleger hat einen ziemlich einfachen Grund. Sie sind ziemlich lange daran gewöhnt, dass Überraschungen stets mit negativen Vorzeichen auftreten. Geplatzte Hypothekenkredite,  Pleitebanken und Euro-Anleihen auf Schrott-Niveau hatte kaum einer auf der Rechnung. Daher trauen sich die wenigsten, auch einmal auf positive Überraschungen zu reagieren, etwa mit einer Erhöhung der Aktienquote.

Anlegerstimmung ist negativ, aber wie lange noch?

Um es gleich zu sagen: Es besteht noch kein Grund, euphorisch zu sein. Ein Hinweis darauf gibt der Bull-and-Bear-Wise-Index, der aus 33 Markt- und Börsenindikatoren besteht. Er ist sogar zuletzt zurückgefallen. Betrachtet man die Einzelkomponenten, werden zum Beispiel Häusermarkt und Einzelhandel noch negativ gesehen, dagegen stehen  Industrieproduktion und Arbeitsmarkt schon relativ gut da. Die Schlussfolgerung lautet, dass die meisten Anleger die Lage an den Kapitalmärkten kritisch sehen. Denn all diese Indikatoren mit überwiegend negativem Einschlag werden täglich in den Medien und Nachrichtenagenturen zitiert. Das ist aber genau das Umfeld, in dem positive Überraschungen erstaunliche Wirkungen erzielen. Denn viele Investoren werden sprichwörtlich auf dem falschen Fuß erwischt.

Denn entweder sind die Anhänger der Pessimisten-Fraktion gar nicht im Aktienmarkt investiert, oder sie halten sogar Anlagen, die auf fallende Kurse setzen, so genannte Short-Produkte. In beiden Fällen sorgen die an den Märkten reichlich vertretenen Skeptiker dafür, dass bei positiven Nachrichten die Nachfrage nach Aktien sprunghaft steigt. Ist das gehandelte Volumen insgesamt eher gering, wie meist in den Sommermonaten, kann diese zusätzliche Nachfrage für deutliche Kurssteigerungen sorgen.

Positive Nachrichten erwischen Investoren auf dem falschen Fuß

So verwundert es nicht, dass beispielsweise der DAX-Index sich Stück für Stück bis nahe an sein altes Jahreshoch von 6300 Punkten vorarbeiten konnte. Ähnlich sieht es auch beim US-Aktienindex Dow Jones Industrial Average aus. Betrachtet man die Sektoren, so fällt auf, dass gerade die Aktienkurse klassischer Industrieunternehmen deutlich zugelegt haben.. Im Gegensatz zu früheren Rezessionen haben sich produzierende Unternehmen nicht „kaputt gespart“, also Mitarbeiter entlassen und Fabriken geschlossen. Sie haben überwiegend die Krise intelligent abgefedert und können jetzt wieder zügig die Produktion hochfahren.

Was heißt dies für eine Vermögensverwaltung? Im laufenden Quartal geht es darum, die aktuelle – und vielleicht noch andauernde - Zwischenrallye auszunutzen, ohne zu große Risiken einzugehen. Liquide Anlagen, die bei Bedarf rasch umgeschichtet werden können, stehen weiterhin im Fokus.

Der Autor Alexander Seibold ist bankunabhängiger Vermögensverwalter bei Dr. Seibold Capital und Experte des Internetportals Vermögensprofis.de.

Quelle: ntv.de

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