Wirtschaft

Erdogan setzt sich durch Türkische Börse legt zu

Der türkische Präsident Erdogan erhält mehr Macht.

Der türkische Präsident Erdogan erhält mehr Macht.

(Foto: REUTERS)

Die türkische Währung gewinnt nach dem Referendum deutlich an Wert. Auch an der Börse in Istanbul steigen die Kurse. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Wirtschaft in einer Krise steckt.

Der Leitindex der Istanbuler Börse hat nach dem knappen Sieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beim Verfassungsreferendum leicht zugelegt. Der Index eröffnete 0,7 Prozent höher, das Plus bröckelte im weiteren Verlauf jedoch etwas ab. Das "Ja" sei aus Sicht der Märkte kurzfristig positiv, sagen Händler. Denn dieses Ergebnis lasse auf politische Stabilität hoffen.

Nach dem gescheiterten Putsch vom Sommer 2016 hatte der Leitindex gegen den europäischen Trend bis zum Jahreswechsel 2016/2017 gut zehn Prozent verloren. Seither ging es mit einem Plus von gut 13 Prozent doppelt so stark bergauf wie bei Dax und EuroStoxx50.

Auch die türkische Lira legte nach der Abstimmung zu. Zum Dollar stieg die Landeswährung um mehr als zwei Prozent, zum Euro um mehr als ein Prozent. Der Dollar verbilligte sich auf knapp 3,64 Lira und der Euro auf rund 3,86 Lira. Die Lira hatte nach dem Putschversuch rund ein Drittel an Wert verloren und war von Rekordtief zu Rekordtief gefallen. Damit gehört sie zu den schwächsten Währungen weltweit.

Die Türken hatten am Sonntag in einem Referendum laut Wahlbehörde mit knapper Mehrheit für eine Verfassungsänderung gestimmt, die den Weg zur umstrittenen Machtausweitung für Erdogan freimacht.

Erdogan zufolge sollen künftig auch Wirtschaftsreformen leichter umzusetzen sein. Nach der Verfassungsänderung werde die Wirtschaft um sechs Prozent im Jahr wachsen, hat die Regierung angekündigt. 2016 betrug das Plus 2,9 Prozent. Das war zwar besser als erwartet, doch wurde zur Berechnung eine neue, bei Ökonomen umstrittene Methode verwendet.

Inflation und Arbeitslosigkeit steigen

Der Putschversuch im Juli hatte neben anderen Faktoren die Entwicklung im einstigen Boom-Land gebremst, Touristen blieben aus. Die Tourismusbranche hatte bereits vor dem vereitelten Coup einen heftigen Dämpfer erlitten, durch Anschläge der Terrormiliz IS und durch Attacken kurdischer Rebellen im Zuge des wiederaufgeflammten Kurden-Konflikts. Die Einnahmen aus dem Geschäft mit den Urlaubern sanken 2016 um 30 Prozent.

Die Lira stürzte ab. Die Inflation ist mit mehr als elf Prozent so hoch wie seit 2008 nicht mehr: Verbraucher leiden unter steigenden Preisen, und für Unternehmen erschwert dies die Rückzahlung von Schulden, die sie in Euro oder Dollar aufgenommen haben. Die Arbeitslosigkeit liegt bei fast 13 Prozent. Die direkten Investitionen aus dem Ausland brachen im Januar gar um 47 Prozent ein. Die türkische Kreditwürdigkeit sank bei allen drei großen Ratingagenturen auf Ramschniveau. Das bedeutet, dass sie die Rückzahlung der Staatsschulden anzweifeln. Mit anderen Worten: Das Referendum über die Ausweitung der Macht Erdogans fand zu einem Zeitpunkt statt, da sich die Konjunktur stark abgeschwächt hat.

Dabei gründet sich die Zustimmung für Erdogan ganz wesentlich auf dem Aufschwung, den die türkische Wirtschaft in seiner Regierungszeit erlebt hat. Das rasante Wachstum seit seinem Amtsantritt 2003 und der Ausbau von Infrastruktur und Gesundheitssystem haben den Lebensstandard vieler Türken deutlich verbessert.

Doch mittlerweile droht dem Land nach Einschätzung vieler Ökonomen und Analysten eine tiefe Wirtschaftskrise. Die Eintrübung der Konjunktur lässt auch die Basis von Erdogans Partei AKP nicht kalt, die zum großen Teil aus Kleinunternehmern besteht.

Die Schließung hunderter Medien, Schulen und Firmen, die zur Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehören sollen, habe die türkischen Unternehmer verunsichert, sagt Atilla Yesilada von Global Source Partners. Die Gülen-Bewegung, die von Erdogan für den Umsturzversuch im Juli verantwortlich gemacht wird, ist tief in der türkischen Unternehmerschicht verwurzelt.

Hinzukommt, dass sich das Verhältnis zur EU stark verschlechtert hat, unter anderem durch die Nazi-Vorwürfe Erdogans im Streit um türkische Wahlkampfauftritte in Europa. "Alle unsere Indikatoren zeigen, dass die europäischen Firmen mehr und mehr auf Distanz gehen zur Türkei. Und ehrlich gesagt sehe ich keine Umkehrung dieser Tendenz", sagt Yesilada. Dabei seien die Europäer die wichtigsten Investoren in der Türkei.

Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa/AFP

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