Wirtschaft

Verzweifelte Rubel-Stützungsaktion Russlands Notenbank erhöht Leitzins massiv

Verzweiflungstat der russischen Zentralbank.

Verzweiflungstat der russischen Zentralbank.

(Foto: dpa)

Hohe Inflation und Rubel-Absturz zwingen die russische Notenbank zu einer drakonischen Maßnahme: Sie schraubt den Leitzins plötzlich kräftig nach oben - auf 17 Prozent. Damit dürfte Russland weiter in Richtung Rezession gehen.

Angesichts einer ausufernden Währungskrise hat die russische Zentralbank den Leitzins überraschend drastisch erhöht. Sie versucht verzweifelt, den Rubel zu stützen, der im Bann westlicher Sanktionen und eines heftig gefallenen Ölpreises jüngst deutlich an Wert verloren hat.

Den ganzen Montag über bildete Russland bereits das Epizentrum ausufernder Finanzmarkt-Turbulenzen. In zahlreichen Entwicklungsländern litten die Devisen- und Aktienmärkte unter dem sich verschärfenden Ölpreisrutsch sowie der Angst vor einer nahenden Zinswende in den USA. Russland aber litt besonders: Der Rubel erlebte den heftigsten Kurssturz an einem Tag seit 1999.

Diese Abwertung, die Analysten als "erschütternd" und "extrem" bezeichneten, veranlasste die russische Zentralbank nach Handelsschluss an der New Yorker Börse, den Leitzins des Landes um 6,5 Prozentpunkte auf 17 Prozent zu erhöhen. Ein US-Dollar kostet nun mehr als 65 Rubel, während der Wechselkurs zu Beginn dieses Jahres noch bei 33 Rubel je Dollar lag.

Vor dem Zinsbeschluss hatten die Aktienbörsen in den USA zum fünften Mal in sechs Handelstagen mit Verlusten geschlossen. Auf anderen Aktienmärkten verkauften Anleger noch heftiger: Der wichtigste Leitindex in Europa schloss mit einem Minus von 2,2 Prozent; auch auf den Aktienmärkten von Thailand bis Mexiko stürzten die Kurse ab.

Nachtsitzung in Moskau

Analysten begründeten den Ausverkauf mit der wachsenden Anlegerfurcht vor den Folgen des fallenden Ölpreises sowie eines bevorstehenden Politikwechsels der US-Notenbank Federal Reserve auf wackelige Entwicklungsländer. Viele Anleger rechnen am Ende der nächsten zweitägigen Fed-Sitzung am Mittwoch mit neuen Signalen dafür, dass eine Zinserhöhung in den USA früher erfolgen könnte, als es die Zentralbank bisher angedeutet hat. Ein solcher Zinsschritt wäre ein Schlag für Schwellenmärkte, die jahrelang von der lockeren Geldpolitik in den USA profitiert haben.

Nach einem Treffen ihres geldpolitischen Rates, das bis tief in die Nacht ging, verkündete die russische Zentralbank, sie müsse wegen der Abwertungs- und Inflationsrisiken die Zinsen erhöhen. Sie erhöhte zudem den sogenannten Repo-Satz, ein weiterer wichtiger Zinssatz für Geschäfte zwischen der Zentralbank und Geschäftsbanken, von 11,5 Prozent auf 18 Prozent. Die geldpolitischen Vorstöße drohen Russland noch näher an den Rand der Rezession zu drängen und dürften russische Verbraucher empfindlich treffen, weil sie Kredite verteuern.

"Tschüss Wachstum", kommentierte Luis Saenz, Leiter des Aktien- und Derivatehandels beim Finanzdienstleister BCS Financial Group in Moskau. Daniel Tenengauzer, Leiter der Schwellenmarktforschung bei der Finanzfirma RBC Capital Markets nannte Russlands Zinserhöhung einen "Wendepunkt". "Russland erkennt, dass es mehr braucht als nur kosmetische Maßnahmen", sagte er. "Sie müssen bedeutsame und schmerzhafte politische Entscheidungen treffen, und das ist definitiv der richtige Schritt." Trotzdem hält er eine nachhaltige Rubel-Aufwertung für unwahrscheinlich, sofern Russland nicht mehr Geld zur Stützung ausgebe.

Notenbank stand unter Beschuss

Andere Analysten glauben, dass die Zinserhöhung dazu beitragen werde, einen Finanzkollaps abzuwehren. "Es geht hier nicht darum, eine Rezession zu vermeiden, sondern ein ausgewachsenes Finanzchaos infolge des steilen Rubel-Verfalls. Und vor der Perspektive ist das unserer Ansicht nach die richtige Entscheidung", sagt Piotr Matys, ein Stratege bei der Rabobank in London.

Die Zentralbank war heftig für ihre Untätigkeit in die Kritik geraten, nachdem der Rubel den schärfsten Tagesverlust seit mehr als einem Jahrzehnt erlitten und mehr als ein Zehntel seines Wertes gegenüber dem Dollar eingebüßt hatte. Vergangene Woche Donnerstag hatte die Zentralbank den Leitzins bereits um 100 Basispunkte erhöht, doch den Verfall des Rubels nicht aufhalten können. Die Landeswährung hat sich gegenüber dem Dollar seit Jahresbeginn um rund 50 Prozent verbilligt.

Nicht nur Rubelschwäche und Kapitalflucht sprechen für eine Zinserhöhung, auch die Inflation ist ein Grund. Im November lag die Rate bei 9,1 Prozent und damit sehr viel höher als von der Notenbank angestrebt. Dazu trägt auch der vom Kreml verhängte Einfuhrstopp von Lebensmitteln aus den USA und der Europäischen Union bei. Buchweizen war im November um mehr als 50 Prozent teurer als vor einem Jahr, frische Tomaten kosteten nach Angaben der Statistikbehörde Rosstat rund 35 Prozent mehr, Kartoffeln 12,6 Prozent.

Quelle: ntv.de, wne/jga/DJ/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen