Wirtschaft

Schweiz kommt EZB zuvor Notenbanker lassen Franken fliegen

Die Schweizer Notenbanker wollen die Geldflut  künftig mit Negativzinsen dämmen.

Die Schweizer Notenbanker wollen die Geldflut künftig mit Negativzinsen dämmen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Nachricht von der Aufhebung des Euro-Mindestkurses zum Franken schlägt an den Finanzmärkten wie eine Bombe ein. Es ist von einer "Kapitulation der Notenbank" die Rede. Die Währungshüter handeln aber in weiser Voraussicht.

An den Devisenmärkten wird dieser Tag in die Geschichte eingehen. Die Entscheidung der Schweizerischen Notenbank (SNB), die Kursobergrenze für den Franken aufzugeben, entzog der europäischen Gemeinschaftswährung zwischenzeitlich komplett den Boden. Im Sog des knapp 30-prozentigen Kurssturzes zum Franken fiel der Euro zum Dollar auf ein Elf-Jahres-Tief. "Das ist der Schwarze Schwan", sagte Sebastian Sachs, Marktanalyst des Bankhauses Metzler - also ein Ereignis, mit dem keiner gerechnet hat. Marktakteure sprachen von einer "Bombe" und einem "Schocker". Andere mutmaßten eine "Kapitulation der Notenbank" vor den Finanzmärkten. Die größte Überraschung war aber nicht, dass die SNB die Obergrenze 1,20 Franken zu einem Euro aufgegeben, sondern dass sie sich gegen einen geordneten Rückzug entschieden hat.

Drei Jahre lang hatte die Zentralbank über die heimische Exportwirtschaft einen Schutzschirm gehalten, indem sie den Franken durch den großangelegten Kauf von Euro an der Leine gehalten hat. Seit September 2011 ließ sie Schweizer Währung nicht über die 1,20er Marke steigen. Mit gutem Grund, denn 60 Prozent der Exporte gehen in die Eurozone. Wertet der Franken auf, leidet die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Schweizer Güter und Dienstleistungen.

Der Franken ist eine typische Fluchtwährung. Er gilt auf den globalen Währungsmärkten als Stabilitätsanker und sichere Geldanlage in Krisenzeiten. Die Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Eurozone hatte zu Hochzeiten der Eurokrise zu massiven Zuflüssen in den "sicheren Hafen" und damit zu einem Höhenflug des Franken geführt. Das konnte und wollte sich die kleine Alpenrepublik mit Blick auf ihre Ausfuhren nicht leisten.

Warum der Rückzug?

Rückblickend betrachtet erwies sich die Bindung an den Euro nicht nur als gute Idee für die Exportindustrie, sondern auch für die Notenbank. Durch den massiven Aufkauf von Euro schwollen die Devisenreserven auf 500 Milliarden Franken an. Die Notenbank investierte ihre Eurokäufe danach in Anleihen und Aktien, und streute diese Anlagen über andere Währungen. So verdiente sie mit ihren gigantischen Devisenreserven allein im vergangenen Jahr die Rekordsumme von 38 Milliarden Franken.

Der Schweizer Franken gilt als sicherer Hafen.

Der Schweizer Franken gilt als sicherer Hafen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Schweizerische Notenbank ist bei ihrem Vorgehen allerdings - gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt - weit über das Niveau hinausgeschossen, mit der zum Beispiel die US-Notenbank mit Anleihekäufen ihre Bilanz vergrößert hat. Das könnte ein Grund für das Vorgehen der Schweizer Währungshüter gewesen sein, die Frankenuntergrenze aufzuheben. Vielen Eidgenossen waren die überbordenden Devisenreserven zu gefährlich. Denn eine Gewähr für Gewinne gibt es nicht. Mit ihrer mit Fremdwährungen aufgeblähten Bilanz hätte die Notenbank ebenso gut Schiffbruch erleiden können.

Auf der Suche nach Gründen für den Rückzieher der Schweizer verweisen Experten aber noch auf etwas anderes: "Es könnte gut sein, dass die Schweizerische Nationalbank den wahrscheinlichen Anleihekäufen durch die EZB im Vorfeld entkommen wollte", erklärte Simon Smith vom Devisenhändler FxPro. In dem Wissen, dass mit Anleihekäufen durch die Europäische Zentralbank (EZB) der Aufwertungsdruck auf den Franken noch größer geworden wäre, habe sie jetzt die Initiative ergriffen. Aus Sicht der Zentralbank sei der Kampf zur Verteidigung des Franken verloren gewesen.

Vorsorge gegen EZB-Staatsanleihekäufe

Am Mittwoch hatte sich herauskristallisiert, dass der Europäische Gerichtshof vermutlich grünes Licht für solche Käufe geben wird. Deshalb erwarten Marktteilnehmer, dass die EZB bereits am kommenden Donnerstag den Kauf von Staatsanleihen ankündigen könnte. Solche Käufe dürften den Euro weiter schwächen, die SNB hätte wahrscheinlich noch mehr Anleihen aus der Eurozone kaufen müssen, um gegen den Aufwertungsdruck des Franken gegenzuhalten.

Notenbank-Chef Thomas Jordan rechtfertigte den Schritt der Notenbank damit, dass ein Festhalten an dem Kursziel auf lange Sicht keinen Sinn ergeben hätte. "Der Ausstieg musste überraschend erfolgen", erklärte er weiter. Vermutungen, die SNB könnte faktisch zu dem Schritt gezwungen gewesen sein, trat er entgegen. Marktdruck sei nicht ausschlaggebend gewesen, so der Notenbankchef.

Der Druck von Finanzmärkten ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Denn schon zuletzt wurde es für die SNB angesichts des immer schwächeren Euro immer aufwendiger, den Kurs des Franken zum abwertenden Euro künstlich stabil zu halten. Denn dazu musste sie massiv Franken verkaufen und Euro kaufen.

Negativzins soll Kapitalflucht bremsen

Geld, das im Überfluss in ein Land strömt, ist nicht immer nur ein Segen. Der durch die Kapitalflucht der Investoren in die Alpenrepublik angefütterte Franken-Kurs bereitete den Eidgenossen am Ende mehr Probleme als Freude. Jetzt setzt die SNB statt auf Währungsinterventionen auf Zinspolitik.

Um den Auftrieb des Franken zu bremsen, hat die SNB als begleitenden Schritt den Zins für Bankeinlagen bei der Notenbank weiter von minus 0,25 auf minus 0,75 Prozent gesenkt. "Der Negativzins wird stark wirken", betonte Jordan. Abschrecken will er damit vor allem große internationale Anleger, wie zum Beispiel Hedgefonds. Denn für solche Anleger ist es günstiger, ihre Millionen in der Schweiz zu parken anstatt in der Eurozone, wo seit Juni der EZB-Strafzins wirksam ist. Nun erwartet die SNB, dass Banken den Negativzins an ihre Großkunden weitergeben und diese dann die Schweiz meiden.

Zumindest am Tag der "Franken-Freigabe" gaben ihm die Devisenmärkte allerdings nicht Recht. Der Franken wertete gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung massiv auf. Intervenieren will die Notenbank - das kündigte sie bereits an - deshalb wohl auch weiterhin, "bei Bedarf", wie es heißt.

Quelle: ntv.de

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