Wirtschaft

Anleger unbeeindruckt Frankenaufwertung schwächt Schweiz

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(Foto: picture alliance / dpa)

Die Aufhebung des Euromindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat für ein mittleres Erdbeben gesorgt. Trotzdem fließt weiter Geld in die Schweiz. Rechnet sich das wirklich?

Marco Garzetti verfügt über 15 Jahre Erfahrung als Investmentberater und Vermögensverwalter. Er ist Gründer und CEO der Swiss Fund Management AG und managt seit 2008 den flexiblen Mischfonds "Swiss Strategie – dynamisch".

Marco Garzetti verfügt über 15 Jahre Erfahrung als Investmentberater und Vermögensverwalter. Er ist Gründer und CEO der Swiss Fund Management AG und managt seit 2008 den flexiblen Mischfonds "Swiss Strategie – dynamisch".

Zurzeit pendelt der Schweizer Franken um die Marke von einem Euro. Damit hat der Kurs auf einen Schlag rund 20 Prozent aufgewertet. Was das für die Unternehmen bedeutet, zeigt beispielhaft der Ausblick von Novartis. Der Pharmakonzern will beim Umsatz in diesem Jahr "im mittleren einstelligen Prozentbereich" zulegen. Der operative Gewinn soll sogar noch stärker steigen – "im hohen einstelligen Prozentbereich". Die Prognosen basieren allerdings auf gegenüber 2014 unveränderten Wechselkursen. Sollte sich der Wechselkurs des Schweizer Franken gegenüber dem Euro und dem US-Dollar weiter auf dem derzeitigen Niveau bewegen, dürfte der Umsatz im besten Fall stagnieren und der operative Gewinn zurückgehen.

Die Folgen für die Schweizer Unternehmen und die Börse sind bislang noch schwierig zu beurteilen. Ein Ausblick lässt sich aber auf drei Szenarien komprimieren. Die SNB wollte mit negativen Einlagenzinsen für Banken von minus 0,75 Prozent die Kursexplosion des Franken begrenzen. Bis heute ist ihr das nicht gelungen. Das Gleichgewicht an den Devisenmärkten ist zurzeit noch überhaupt nicht hergestellt. Experten halten den Schweizer Franken je nach Währung um 20 bis 30 Prozent überbewertet. Die Devisenmärkte sprechen aber eine andere Sprache.

Szenario eins: 1,06 bis 1,12 Franken /Euro

Franken / Euro
Franken / Euro 1,04

Das wichtigste Währungspaar aus Schweizer Sicht ist sicherlich das zum Euro. Da zwei Drittel aller Exporte in die Eurozone geliefert werden, hängt vieles vom Devisenkurs Schweizer Franken/Euro ab. Sollte sich der Kurs mittelfristig im Bereich zwischen 1,06 und 1,12 Euro einpendeln, könnte es die Schweiz nach unserer Einschätzung "packen". Selbstverständlich gibt es gewisse Branchen, zum Beispiel die Tourismusindustrie, welche auch unter diesem Wechselkurs leiden dürften. Schwierig wird es auch für Unternehmen, deren Kosten überwiegend in Franken, deren Umsätze und Gewinne aber größtenteils in ausländischen Währungen anfallen – bestes Beispiel ist die Swatch Group (WKN 871110).

Für die Mehrheit der Schweizer Standardtitel stellte ein Wechselkurs von 1,06 bis 1,12 Franken zu einem Euro aber kein gravierendes Problem dar. Die Unternehmen waren es bis vor dreieinhalb Jahren gewohnt, mit einer harten Währung zu leben – den meisten gelang dies aufgrund ihrer qualitativen Wettbewerbsfähigkeit mit Bravour. Dazu kommt, dass große Konzerne wie Nestlé (WKN A0Q4DC) oder Schindler (WKN A0JEHV) überwiegend im Ausland produzieren und nur einen Bruchteil ihres Geschäfts in Schweizer Franken erwirtschaften. Bei ihnen schlägt der Wechselkurs nur dann zu Buche, wenn sie die im Ausland erwirtschafteten Gewinne in die heimische Währung umrechnen – siehe wie erwähnt Novartis. Zudem gibt es sehr gute Schweizer Firmen, die hauptsächlich im Inland tätig sind. Zu nennen sind hier beispielsweise Burkhalter (WKN A1WZP3), Swisscom (WKN 916234) oder Walter Meier (WKN A1T798). Für diese verbilligt sich sogar der Einkauf im Ausland. Die Versicherungen wie Zurich Group (WKN 579919) und Swiss Life (WKN 778237) haben schließlich die Fremdwährungen abgesichert und keine Währungsverluste eingefahren.

Solche Titel sind insbesondere für Anleger aus dem Euroraum interessant. Denn sie profitieren auch vom Anstieg des Franken. Nach der Wechselkursfreigabe durch die SNB fiel zwar der Schweizer Aktienmarkt um 15 Prozent, der Franken wertete aber gleichzeitig um 20 Prozent auf. Investoren aus Euroland verbuchten unter dem Strich damit ein Plus von 5 Prozent.

Szenario zwei: 0,98 bis 1,05 Franken/Euro

Was aber passiert, wenn sich das Umtauschverhältnis für Schweizer Franken in Euro bei 0,98 bis 1,05 einpendelt? Mit 1,02 liegt der Wechselkurs derzeit genau in dieser Spanne. Dann wird es ganz schwierig. Das Fitnessprogramm, welches die meisten Unternehmen in der Schweiz seit Sommer 2011 durchgeführt haben, hat sicher Früchte getragen. Nur waren die Rationalisierungen darauf ausgerichtet, mit einem Wechselkurs von Franken/Euro von 1,20 zu leben. Wenn jetzt Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, lapidar dazu sagt: "….die Unternehmen hatten drei Jahre Zeit, um sich darauf einzustellen…", wagen wir diese Behauptung von ihm anzuzweifeln.

Eine Umfrage zeigte zuletzt, dass von 193 Unternehmen nur drei das Währungspaar Franken/Euro abgesichert hatten. Die Firmen vertrauten der Schweizer Notenbank und deren Aussagen. Leider war dies in keiner Art und Weise gerechtfertigt. Bei einem solchen Wechselkurs geht es vor allem bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen, die stark exportorientiert sind, ans Eingemachte. Die Wachstumsprognose für das BIP belief sich zum Jahresanfang für die Schweiz auf circa 2 Prozent. Mittlerweile wurde sie auf 0,5 Prozent gesenkt. Bei einem Wechselkursszenario nahe bei eins zu eins wäre es keine Überraschung, wenn die Planzahlen der kleinen und mittelständischen Unternehmen nochmals nach unten korrigiert werden müssten.

Szenario drei: 0,85 bis 0,97 Franken/Euro

Wenn wir alle möglichen Szenarien durchspielen wollen, müssen wir auch darüber nachdenken, was geschieht, wenn sich der Kurs im Bereich zwischen 0,85 und 0,97 bewegen sollte. Für diesen Fall müssten wir von jeglichem Engagement in Schweizer Aktien abraten. Dies wäre der GAU. Tourismus: Fehlanzeige. Die Europäer und teils auch die Schweizer Touristen selbst werden trotz der einmaligen Berglandschaft auf Österreich, Italien oder Frankreich ausweichen. Export: Fehlanzeige, die europäischen Unternehmen könnten sich bei diesem Wechselkurs die Schweizer Produkte trotz hoher Qualität nicht mehr leisten. Einkaufstourismus: Tatsache ist, die Schweizer werden vermehrt im nahen Ausland einkaufen, da sich das Preisgefüge in der Schweiz nicht annähernd auf diesem Niveau einpendeln kann. Arbeitslosigkeit: Steigt, da der Einwanderungsdruck der ausländischen Arbeitnehmer aufgrund der hohen Lohndifferenz und der Personenfreizügigkeit zunehmen wird. Rezession: Eine Frage der Zeit, da sich nur mit längerer Arbeitszeit, gutem Willen und Engagement dieses Problem nicht lösen lässt.

Welches Szenario derzeit am wahrscheinlichsten ist, lässt sich noch nicht sagen. Momentan empfiehlt sich eine abwartende Haltung gegenüber dem Schweizer Markt, bis sich der Nebel etwas gelichtet hat.

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Quelle: ntv.de

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