Wirtschaft

Aasgeiern zum Fraß vorgeworfen? Um Argentinien muss keiner weinen

Hedgefonds haben erfolgreich auf ihre Forderungen gegenüber Argentinien gepocht.

Hedgefonds haben erfolgreich auf ihre Forderungen gegenüber Argentinien gepocht.

(Foto: REUTERS)

Zwei Hedgefonds klagen erfolgreich auf die Rückzahlung ihrer Anleihen. Ist Argentinien deshalb pleite? Fest steht: Buenos Aires hat hoch gepokert und muss die Zeche zahlen. Die Probleme liegen aber ganz woanders.

"Technischer Zahlungsausfall"

Wenn Argentinien nicht fälligen Verpflichtungen nachkommt, droht ein sogenannter "technischer Zahlungsausfall" ("technical Default"). Das klingt dramatisch, ist aber keine Staatspleite. Das Land ist nicht tatsächlich zahlungsunfähig. Die Konsequenzen gleichen jedoch nach Ansicht von Experten denen eines "normalen" Defaults, einer tatsächlichen Pleite: Die Ratingagenturen würden das Land herunterstufen, Kreditausfallversicherungen würden ausgelöst. Es wäre für Argentinien noch schwieriger, wieder an die Finanzmärkte zu kommen.

Über Argentinien kreist der Pleitegeier, ist in diesen Tagen überall zu hören und zu lesen. "Showdown", "Endspiel um Argentinien", die Überschriften in den Zeitungen verbreiten Weltuntergangsstimmung. Ausgerechnet verhasste "Geierfonds" sollen das Land an den Rand einer erneuten Staatspleite treiben. Buenos Aires empört sich. In ganzseitigen Anzeigen wettert die Regierung, dass die Profitgier einer kleinen Gruppe an Gläubigern das südamerikanische Land ruiniert. Die Milliardenzahlungen, zu denen ein US-Gericht den Staat verdonnert hat, kämen dem Bankrott gleich.

Nach Ansicht des Argentinien-Experten Federico Foders vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel stimmt das so nicht. Die gut zwei Milliarden Dollar, die jetzt nach dem Gerichtsurteil überwiesen werden müssen, "könnte Argentinien - salopp gesagt - aus der Portokasse bezahlen", so Foders. Der Staat verfügt über Devisenreserven von 29 Milliarden US-Dollar. Dass diese Zahlung fatale Nachforderungen auslösen könnte, wie es Argentinien vorrechnet, hält der Experte für übertrieben.

"Mit den ganzseitigen Anzeigen, die man in der Presse geschaltet hat, versucht das Land eine Drohkulisse aufzubauen, um besser verhandeln zu können", sagt Foders. Die Hedgefonds zeigten seit Jahren Verhandlungsbereitschaft. Argentinien sei aber nie bereit gewesen, ihnen mehr zu bieten als den Investoren, mit denen sich die Regierung 2005 und 2010 geeinigt hatte. Nach dem New Yorker Gerichtsurteil sei Buenos Aires nun endlich gezwungen, zu einem Abschluss mit diesen Gläubigern kommen.

Showdown mit Hedgefonds

Paul Singer von Elliott Management hat alte Schuldverschreibungen billig aufgekauft und fordert das Geld zurück.

Paul Singer von Elliott Management hat alte Schuldverschreibungen billig aufgekauft und fordert das Geld zurück.

(Foto: REUTERS)

Das Problem ist, dass am heutigen Montag 830 Millionen Dollar fällig werden, eine routinemäßige Zinszahlung an die Gläubigergruppe, die der Umschuldung zugestimmt haben. Mit der Umschuldung hatte diese Anlegergruppe, die 93 Prozent aller Gläubiger ausmacht, auf zwei Drittel ihres Geldes verzichtet. Der Oberste Gerichtshof in den USA verfügte vergangene Woche, dass dieses Geld nicht fließen darf, wenn Argentinien nicht gleichzeitig 1,3 Milliarden - mit Zinszahlungen 1,5 Milliarden -  Dollar an die Hedgefonds Elliott Management und Aurelius überweist. Ihre Forderungen waren kein Bestandteil der damaligen Einigung. Überweist Argentinien die 830 Millionen Dollar nicht, kommt dies einem "technischen Zahlungsausfall" gleich.

Wer der Gute und wer der Böse in diesem Schuldenstreit ist, steht für Argentinien fest. Ganz so einfach ist es aber nicht. Die juristische Lage sei eindeutig, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Die Regierung in Buenos Aires, damals unter Carlos Menem, sei bei Auflage der Anleihen wissentlich ein Risiko eingegangen. "Argentinien hat bewusst unter amerikanischem Recht Rententitel begeben, um niedrigere Finanzierungskosten zu bekommen", so Schmieding. Nun müsse es die Konsequenzen tragen.

Argentinien ist selbst Schuld

Es sei "wie in einer Boutique", sagt auch der IfW-Experte Foders. Wenn eine Regierung eine Anleihe begebe, suche sie mit Hilfe ihrer Banken die beste Währung dafür aus. Sie entscheide sich für die, die die meisten potenziellen Käufer verspricht. Damit verzichtet sie aber möglicherweise auch auf bestimmte Rechte. Das in Kombination mit der erpresserischen Haltung gegenüber der den Alt-Gläubigern rächt sich nun. Argentinien habe es versäumt, sich mit dieser Gruppe zu einigen, sagt Schmieding. Die Haltung, entweder ihr verzichtet auf zwei Drittel eurer Forderungen oder ihr bekommt gar nichts, werde den Staat nun wahrscheinlich teurer kommen.

Größer als das juristische Dilemma ist nach Ansicht von Schmieding jedoch die katastrophale Wirtschaftspolitik des Landes. Argentinien sei nicht in der Lage, sich mit den sieben Prozent aufsässiger Alt-Gläubiger zu einigen, weil das Land "trotz hoher Preise für Agrarrohstoffe und trotz bester äußerer Bedingungen in den Bankrott gewirtschaftet wurde und jetzt knapp bei Kasse ist". Argentinien habe eine gute Dekade nach dem Staatsbankrott gehabt, bescheinigt auch Foders.

Wo ist das Geld geblieben?

Bei allem Säbelgerassel kann  Argentinien nach Ansicht der Experten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Regierung Kirchner selbst die Schuld am Niedergang des Landes trägt. Der Staat habe mehrere Jahre einen Exportüberschuss erwirtschaftet und die Devisenreserven auf 50 Milliarden Dollar aufbauen können, so Foders. "Anstatt mit dem Geld die Schuldensituation zu bereinigen, hat man die Mittel für andere Dinge verwendet." Man könne auch fragen, was mit den 100 Milliarden Dollar, die das Land Ende 2001 nicht zurückzahlen konnte, passiert sei, so Foders weiter. Davon sehe man nichts.

Cristina Kirchner hat ihren Anteil am Niedergang des Landes.

Cristina Kirchner hat ihren Anteil am Niedergang des Landes.

(Foto: REUTERS)

Gespannt darf man auf den letzten Akt des Schuldendramas warten. Noch besteht eine Gnadenfrist von 30 Tagen. Bis Ende Juli ist immer noch Zeit, eine Einigung mit den Hedgefonds zu finden. Die Verhandlungen laufen und dem Vernehmen nach stehen alle Zeichen auf Verständigung. Die argentinische Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner werde sich trotz aller Drohgebärden flexibel zeigen, prognostiziert der IfW-Experte Foders. Es sei ihre letzte Legislaturperiode und ihre Handlungen zielten nicht mehr darauf ab, wiedergewählt zu werden.

Keine Angst vor Ansteckung

Auch Schmieding hofft auf eine Einigung. Bislang habe die argentinische Regierung ihre Verpflichtungen nach der Umschuldung immer pünktlich bedient. Da die argentinische Wirtschaftsleistung zuletzt geschrumpft sei und die Regierung wieder Geld am Kapitalmarkt tanken wolle, werde sie es nicht riskieren, das Vertrauen an den Finanzmärkten aufs Spiel zu setzen.

Bislang verhalten sich diese relativ ruhig. Auch die Ratingagenturen warten ab. Moody's und Standard & Poor's erklärten übereinstimmend, sie würden vor einer Herabstufung Argentiniens auf Zahlungsausfall die weiteren Verhandlungen bis zum 30. Juli abwarten. Für Schmieding ist Argentinien für die Weltwirtschaft ein "non-event", die Ansteckungsgefahren seien relativ gering. Es sei einfach ein "unangenehmer Sonderfall".

Eine Lehre lässt sich noch aus dem Fall dennoch ziehen. Nach Ansicht der Experten beweist er, dass das europäische Modell, Schuldenländern gegen klare Bedingungen zu helfen, das Bessere ist. Hätte Griechenland keinen Euro mehr, wäre es ein Dauerproblem wie Argentinien geworden. "Griechenland muss jedes viertel Jahr nachweisen, dass es die Bedingungen erfüllt", sagt Schmieding. Eine eigene Währung zu haben, die man abwerten könne, ist nicht das Entscheidende. Wichtiger sei die Wirtschaftspolitik. Die sei in Argentinien, nachdem es sich auf Kosten seiner Gläubiger entschuldet hat, noch schlechter geworden. "Griechenland hat viel bessere Aussichten für die Zukunft."

Quelle: ntv.de

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